OGH 9ObA155/95

OGH9ObA155/9522.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Kurt Resch und Dr.Andreas Linhart als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ö*****, vertreten durch Dr.Kurt Klein und Dr.Paul Wuntschek, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Dr.Heinz T*****, Bauingenieur, ***** wegen S 14,000.000 sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20.Juni 1995, GZ 7 Ra 25/95-5, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 8.Februar 1995, GZ 36 Cga 17/95p-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Aus Anlaß des Revisionsrekurses wird der angefochtene Beschluß als nichtig aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung in einem mit drei Berufsrichtern und zwei fachkundigen Laienrichtern besetzten Senat aufgetragen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt mit ihrer an das Erstgericht als Arbeits- und Sozialgericht gerichteten Klage vom Beklagten S 14,000.000 als Ersatz des Schadens, den ihr der Beklagte als Alleinvorstand zugefügt habe. Der Beklagte sei seit 28.11.1983 selbständig vertretungsbefugter Vorstandsdirektor der Rechtsvorgängerin der Klägerin (P***** AG) gewesen. Sein Vorstandsvertrag sei wegen krimineller Machenschaften vorzeitig aufgelöst worden. Der Beklagte habe sich nicht nur des Verbrechens der Untreue schuldig gemacht, sondern habe nahezu andauernd gegen seine Pflicht, die Geschäfte mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers zu führen, verstoßen (§ 84 Abs 1 AktG). Er habe auch bei satzungsgemäß genehmigungspflichtigen Geschäftsfällen keine Zustimmung des Aufsichtsrates eingeholt und diesen entgegen § 81 AktG in vielen Fällen vorsätzlich bewußt falsch informiert.

Gegen den Beklagten sei ein Strafverfahren anhängig, in dem ihm die Staatsanwaltschaft eine Schadenszufügung in Höhe von S 50,000.000 anlaste. Im Innenverhältnis gründe sich die Ersatzforderung der Klägerin aber auch auf die §§ 84 Abs 1 und 81 AktG, weil der Beklagte in krasser Weise gegen die Grundsätze der Geschäftsführung verstoßen habe. Der Beklagte habe seinerseits zu 35 Cga 148/91 Ansprüche aus der vorzeitigen Auflösung seines Vorstands- und Dienstvertrages geltend gemacht. Dieses Verfahren sei mit Beschluß vom 11.2.1992 unterbrochen worden.

Das Erstgericht faßte im Sinne des § 37 Abs 3 ASGG in der Besetzung durch den Vorsitzenden mit zwei fachkundigen Laienrichtern (§ 11 Abs 1 ASGG) von Amts wegen den Beschluß, daß das Verfahren in der Gerichtsbesetzung der allgemeinen Streitabteilung zu führen sei. Der Beklagte sei nicht als Arbeitnehmer der Klägerin anzusehen; sein Anstellungsvertrag sei vielmehr als freier Dienstvertrag zu werten. Auch wenn ein freier Dienstvertrag unter Umständen eine arbeitnehmerähnliche Stellung des Beklagten bewirken könnte, welche die Besetzung des angerufenen Gerichtes gemäß den §§ 10 ff ASGG zu Folge hätte, sei entscheidend, daß der Beklagte nicht wegen seiner Arbeitnehmerähnlichkeit, sondern ausdrücklich als Vorstandsdirektor einer Aktiengesellschaft unter Berufung auf das AktG in Anspruch genommen werde. Das Verfahren sei daher in der allgemeinen Streitabteilung zu führen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung in der Besetzung als Dreiersenat gemäß § 11a Abs 2 ASGG mit der Maßgabe, daß die Rechtssache in der für die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen geltenden Besetzung (§§ 7 ff JN) zu verhandeln und zu entscheiden sei. Es sprach aus, daß der Revisionsrekurs gemäß § 47 Abs 1 ASGG zulässig sei. Vorstandsmitglieder seien weder Arbeitnehmer noch arbeitnehmerähnliche Personen; aufgrund ihrer unternehmergleichen Stellung im Rahmen der AG fehle es stets am Tatbestandsmerkmal der wirtschaftlichen Unselbständigkeit im Sinne des § 51 Abs 3 Z 2 ASGG. Daran könne auch der Umstand nichts ändern, daß der Beklagte beim Arbeits- und Sozialgericht Ansprüche aus der vorzeitigen Auflösung seines Vorstands- und Dienstvertrages geltend mache und die Klägerin ihre Ansprüche "auch" auf die §§ 81 und 84 AktG stütze. Die Anhängigkeit dieser Klage sei nicht anspruchsbegründend und die speziellen Vorschriften des AktG gingen vor.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß die Rechtssache in der besonderen Senatsbesetzung des Arbeits- und Sozialgerichtes zu verhandeln und zu entscheiden sei.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlaß des Rekurses ist vorerst die Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses gemäß § 477 Abs 1 Z 2 ZPO wegen unrichtiger Besetzung des Rekursgerichtes aufzugreifen (vgl Kuderna, ASGG § 37 Erl 4).

Gemäß § 10 Abs 1 ASGG wird die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit grundsätzlich in Senaten ausgeübt. Mit der ASGG-Novelle 1994, BGBl 624, wurden zwar in § 11a ASGG weitere Ausnahmen vom Erfordernis der Beiziehung fachkundiger Laienrichter eingeführt, doch ist in diesem Ausnahmenkatalog eine Beschlußfassung im Sinne des § 37 Abs 3 ASGG nicht enthalten. Eine sinngemäße Anwendung des § 11a Abs 1 Z 4 lit e ASGG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Frage der richtigen Gerichtsbesetzung keine Zuständigkeitsfrage ist (vgl Fasching, ZPR2 Rz 2255). Soweit daher ein Dreiersenat des Rekursgerichtes unzulässigerweise allein entschieden hat, obwohl die Voraussetzungen des § 11a ASGG nicht verwirklicht sind, liegt eine unrichtige Besetzung vor, die einer Heilung gemäß § 37 Abs 1 ASGG nicht zugänglich ist, weil die Entscheidung außerhalb der mündlichen Streitverhandlung gefällt wurde (vgl Fink, ASGG § 11a Erl 1.2).

Abgesehen davon hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, daß die Besetzung des Senates des Oberlandesgerichtes im Rechtsmittelverfahren gemäß § 11a Abs 2 Z 2 lit a ASGG von der Besetzung abhängig ist, in der das Erstgericht entschieden hat. Hat der Vorsitzende allein die Entscheidung gefällt, hat der Dreiersenat zu entscheiden; haben hingegen in erster Instanz auch fachkundige Laienrichter an der Entscheidung mitgewirkt, kommt diese Bestimmung nicht zur Anwendung; die Entscheidung über den Rekurs ist dann in einem gemäß § 11 Abs 1 ASGG zusammengesetzten Senat zu fällen. Hat der Dreiersenat entschieden, obwohl die Voraussetzungen des §§ 11a Abs 2 ASGG nicht gegeben sind, liegt eine unrichtige Besetzung (§ 477 Abs 1 Z 2 ZPO) vor (vgl 10 ObS 136/95).

Die Kostenentscheidung ist in § 51 Abs 2 ZPO begründet. Soweit Kosten gegenseitig aufzuheben sind, stehen keiner Partei Kosten zu.

Stichworte