OGH 12Os136/95

OGH12Os136/959.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.November 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Rzeszut, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Wietrzyk als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Harald G***** wegen §§ 12 Abs 1, 16 Abs 1 SGG, § 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 30.Mai 1995, GZ 19 Vr 352/95-11, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Fabrizy und des Verteidigers Rechtsanwalt Dr.Michael Breitenfeld, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 1 (ein) Jahr erhöht.

Der Berufung des Angeklagten wird dahin Folge gegeben, daß die Untersuchungshaft vom 21.Februar 1995, 12 Uhr, bis 1.März 1995, 17,30 Uhr, gemäß § 38 Abs 1 StGB auf die Freiheitsstrafe angerechnet wird.

Im übrigen wird der Angeklagte mit seiner Berufung auf die Straferhöhung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Harald G***** wurde mit dem angefochtenen Urteil (I) des - im Versuchsstadium gemäß § 15 StGB gebliebenen - Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG sowie (II/1 bis 4) des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG schuldig erkannt, weil er den bestehenden Vorschriften zuwider (I) am 21. Februar 1995 versuchte, Suchtgift in einer großen Menge ein- und auszuführen, indem er 20 Gramm Heroin (beinhaltend 3,6 Gramm reines Heroin) in Zürich kaufte und damit die Rückreise nach Vorarlberg antrat, um es beim Grenzübergang Meiningen nach Österreich einzuführen, sowie (II) außer den Fällen der §§ 12 und 14 a SGG in der Zeit von Mai 1994 bis Jänner 1995 insgesamt 30 Gramm (US 6) Cannabisharz und 1 bis 2 Briefchen Heroin erwarb und besaß sowie insgesamt je 10 Gramm Heroin und Kokain aus der Schweiz nach Österreich einführte.

Rechtliche Beurteilung

Der allein gegen den Schuldspruch I aus § 281 Abs 1 Z 10 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Der bloß allgemeine Hinweis auf "neuere wissenschaftliche Erfahrungen" und darauf angeblich bezogener Literatur bietet keinen Grund, von der gefestigten Rechtsprechung (EvBl 1988/3 ua) abzurücken, wonach bereits eine Reinsubstanz von 1,5 Gramm Heroin als große Menge im Sinne des § 12 Abs 1 SGG zu werten ist, läßt das Beschwerdevorbringen doch unerörtert, inwieweit die behauptete wissenschaftliche Weiterentwicklung auf dem Gebiet der Toxikologie jene Argumente zu entkräften vermag, welche für die Rechtsprechung ausschlaggebend dafür waren, die verbrechensqualifizierende Grenzmenge für das Suchtgift Heroin unter alleiniger Orientierung an der Tagesdosis für Ungewöhnte mit 1,5 Gramm anzunehmen.

Soweit der Angeklagte überdies (in Ausführung der Berufung) behauptet, es wäre zudem noch zu prüfen, ob die Beschaffung des "Materials" schon als (ausführungsnahe) Versuchshandlung in bezug auf dessen Einfuhr nach Österreich anzusehen ist (der Sache nach Z 9 lit a), übergeht er prozeßordnungswidrig, daß ihm das Erstgericht in diesem Zusammenhang keineswegs nur den Erwerb des tatverfangenen Heroins im Ausland anlastete, sondern auch die geplante, bereits in Ausführung begriffene und nur durch eine unvorhergesehene polizeiliche Kontrolle vor der Grenze gescheiterte Einfuhr des Suchtgiftes nach Österreich.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten gemäß §§ 28 Abs 1 StGB, 12 Abs 1 SGG eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten, wobei es das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und vier - lange zurückliegende - einschlägige Vorstrafen als erschwerend wertete. Demgegenüber berücksichtigte es das Geständnis, die durch die Suchtgiftergebenheit bedingte Einschränkung der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten, die (teilweise) Sicherstellung des Suchtgiftes und den Umstand als mildernd, daß das Suchtgiftverbrechen beim Versuch geblieben ist.

Dagegen richten sich die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten.

Abgesehen davon, daß die Erschwerungsgründe - im Sinne der Berufung der Staatsanwaltschaft - insoweit zu korrigieren sind, als der Angeklagte die strafbaren Handlungen nach § 16 Abs 1 SGG durch längere Zeit hindurch fortgesetzt hat (§ 33 Z 1 StGB), ist der Berufung der Anklagebehörde im Ergebnis auch darin beizupflichten, daß die verhängte Freiheitsstrafe die Erreichung des gesetzlichen Strafzweckes im konkreten Fall nicht gewährleistet. Beim stetigen Ansteigen grenzüberschreitenden Suchtgifttransfers kommt für dessen Ahndung vor allem der generalpräventiven Wirksamkeit strafrechtlicher Sanktionen, welche in erster Linie vom Gewicht der damit verbundenen Täterbelastung abhängt, vorrangige Bedeutung zu. Die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe trägt weder diesem Gesichtspunkt hinreichend Rechnung, noch ist sie aus spezialpräventiver Sicht angemessen. Denn gerade die psychische Labilität, wie sie im Lebensweg des Angeklagten sinnfälligen Ausdruck findet, erfordert eine hinreichend abschreckende Wirkung der Strafe. Daß der Beschwerdeführer - wie er behauptet - bereit ist, sich einer Entziehungskur zu unterziehen, vermag daran nichts zu ändern und könnte nur im Rahmen der Bestimmung des § 23 a SGG Berücksichtigung finden. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang weiters, daß von den Tatbeständen der §§ 180 f StGB möglicherweise eine noch größere Gefährdung der Menschheit ausgeht. Der Berufung des Angeklagten zuwider sind seine Vorstrafen auch nicht getilgt (§ 4 TilgG).

Die Strafe war demnach spruchgemäß zu erhöhen und der Angeklagte mit seiner Berufung darauf zu verweisen.

Lediglich insoweit kommt seinem Vorbringen Berechtigung zu, als er die unterlassene Anrechnung der in der Schweiz erlittenen Untersuchungshaft (US 7) rügt.

Der Umstand, daß diese Haft auch auf die von den Schweizer Strafverfolgungsbehörden wegen der im Schuldspruch (I und II) umschriebenen Taten (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) - wenngleich (teilweise) in anderer rechtlicher Würdigung - verhängten Freiheitsstrafe von fünfzehn Tagen angerechnet worden war (77), steht einer neuerlichen Anrechnung nicht entgegen. Sie hat wegen der bedingten Nachsicht der Auslandsstrafe nicht nach § 66 StGB, sondern nach § 38 StGB zu erfolgen (Mayerhofer-Rieder StPO3 E 1 und 5 zu § 66 StGB).

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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