OGH 15Os149/95

OGH15Os149/959.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.November 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Mayrhofer und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Unterrichter als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Marijan P***** wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die "Berufung wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a und 9 lit b StPO), Schuld und Strafe" des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 29.Mai 1995, GZ 39 Vr 1117/95-58, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde sowie die "Berufung wegen des Ausspruches über die Schuld" werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruches über die Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Marijan P***** wurde mit dem angefochtenen Urteil (zu 1.) des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB und (zu 2.) des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch meldete der Angeklagte zunächst (fristgerecht) eine "Berufung wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruches über die Schuld und über die Strafe" an (ON 59) und führte sodann auch (rechtzeitig) - jedoch ausdrücklich nur gegen den Schuldspruch wegen §§ 15, 201 Abs 2 StGB - eine "Berufung wegen Nichtigkeit [§ 281 Abs 1 Z 9 a und b StPO], wegen des Ausspruches über die Schuld und über die Strafe" aus (ON 62).

Vorweg ist festzuhalten, daß die fälschlich als "Berufung wegen Nichtigkeit" bezeichneten Ausführungen als Nichtigkeitsbeschwerde zu behandeln sind, weil die Fehlbezeichnung offensichtlich auf einem Vergreifen des Beschwerdeführers im Ausdruck beruht und in der Ausführung zwei ziffernmäßig bezeichnete Nichtigkeitsgründe geltend gemacht werden (vgl Mayerhofer/Rieder StPO3 § 280 E 35 ff; 15 Os 156/94 nv).

Inhaltlich des allein in Beschwerde gezogenen Schuldspruches wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB hat Marijan P***** am 26.Juni 1994 in Tamsweg (zu ergänzen: außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB) eine Person dadurch mit Gewalt zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich zur Vornahme eines Oralverkehrs, zu nötigen versucht, daß er Silvia L***** am rechten Oberarm erfaßte, sie festhielt und ihren Kopf in Richtung seines entblößten Gliedes drückte.

Dazu traf das Erstgericht im wesentlichen folgende Feststellungen (vgl 281 f):

In den Nachtstunden des 26.Juni 1994 wurde Silvia L***** im Vorraum eines Damenklosetts beim Händewaschen vom Angeklagten P***** angesprochen. Aus Angst vor dessen Belästigungen trachtete sie, auf schnellstem Weg die Toiletteanlage zu verlassen. Der Angeklagte hinderte sie jedoch daran, indem er sie mit der Hand am rechten Oberarm packte, sie zum Waschbecken zurückzog, sie mit dem Rücken gegen die Wand drückte, seinen Gürtel öffnete, Hose und Unterhose hinunterzog und versuchte, L***** in ein Toilettenabteil zu zerren, und schließlich ihren Kopf in Richtung seines entblößten Gliedes drückte, um sich von ihr oral befriedigen zu lassen. P***** setzte seine Gewalt ein, "obwohl" (gemeint: weil) er es zumindest ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dadurch einen erwarteten oder begonnenen ernst gemeinten Widerstand des Opfers gegen die Vornahme des Oralverkehrs zu überwinden. Silvia L***** versetzte dem Angeklagten einen Schlag gegen seinen linken Oberarm und flüchtete in das Lokal.

Die summarisch auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a und lit b StPO gestützten Ausführungen der Rechtsrügen

(Beim Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 StGB handelt es sich um ein mehraktiges Delikt, wobei der erste Akt im Herbeiführen der Widerstandsunfähigkeit des Opfers, der zweite Akt im Vollzug des Beischlafes liegt; ein strafbarer Rücktritt vom Versuch einer Notzucht ist bis vor Beginn der zweiten Deliktsphase möglich; nach den getroffenen Feststellungen hat die zweite Deliktsphase nie begonnen, weil es nicht einmal zu einer flüchtigen Berührung oder zu einem Aneinanderdringen der Geschlechtsteile gekommen ist; Freiwilligkeit des Rücktrittes vom Versuch liegt dann vor, wenn der Rücktritt erfolgt, nachdem das Opfer Widerstand geleistet hat, der aber für den Täter noch nicht [un]überwindlich war, was man bei einem Schlag des Opfers gegen den linken Arm des Täters nicht ernsthaft behaupten könne; Beischlaf im Sinne des § 201 StGB wird mit einem, wenn auch unvollständigen Eindringen des männlichen Gliedes in die Scheide definiert; Oralverkehr läßt sich daher nicht unter den Begriff "Beischlaf" subsumieren.)

unterstellen der angewendeten Bestimmung des § 201 Abs 2 StGB nF aber mit der maßgebenden - allein auf Pallin im WK Rz 2, 21 und 24 zum Verbrechen der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB aF - basierenden Argumentation nicht den seit der Strafgesetznovelle 1989, BGBl 242, geltenden Norminhalt des § 201 Abs 2 StGB nF, dem zufolge die Strafbarkeit eines Täters über die Nötigung einer Person zur Vornahme oder Duldung des Beischlafes hinaus auch bei Nötigung des Opfers zu geschlechtlichen Handlungen, die dem Beischlaf gleichzusetzen sind (wozu ein Oralverkehr zählt - Leukauf/Steininger Komm3 § 201 RN 8, Mayerhofer/Rieder StGB4 § 201 E 16, 16 a, 17, 19; Foregger/Kodek StGB5 § 201 Erl II; Pallin im Ergänzungsheft des WK [1991] zu § 201 StGB Rz 7 a) gegeben ist, sondern vielmehr der (zur Tatzeit nicht mehr in Kraft stehenden) früheren Fassung.

Damit vergleichen sie aber den festgestellten Sachverhalt nicht mit dem vom Erstgericht darauf angewendeten, im Tatzeitpunkt und zur Zeit der Urteilsfällung geltenden Strafgesetz, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (vgl 15 Os 102, 104/92; 15 Os 157/92).

Soweit in der Rechtsrüge jedoch ein - auch nach der nunmehrigen Rechtslage möglicher - strafbefreiender Rücktritt vom Versuch reklamiert wird, geht die Beschwerde prozeßordnungswidrig nicht vom (gesamten) im Urteil festgestellten Sachverhalt aus, sondern läßt einerseits die Feststellung der - nicht von der Vorstellung des Angeklagten umfaßten - Flucht des Tatopfers aus der Toilette in das Gastlokal außer acht, die eine Vollendung der Tat hinderte, andrerseits führt sie ein nicht festgestelltes Tatsachenelement ein, indem sie eine so weitgehende Unterlegenheit des Opfers in den Raum stellt, angesichts der "nicht ernsthaft behauptet werden" könne, der Widerstand sei "nicht überwindlich" (gemeint wohl: unüberwindlich) gewesen.

Nur am Rande sei in diesem Zusammenhang angemerkt, daß auch ein nicht unüberwindlicher Widerstand des Opfers bereits die Annahme eines freiwilligen Rücktrittes vom Versuch hindert (Leukauf/Steininger aaO § 16 RN 3; aM Pallin aaO § 201 Rz 24 unter Berufung auf eine Anmerkung in Mayerhofer/Rieder StGB1 zu § 16 E 11, die die genannten Autoren indes in den Folgeauflagen - StGB2 § 16 E 20, zuletzt StGB4 § 16 E 20 - nicht aufrechterhalten haben).

Aus den angeführten Gründen war daher die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

In gleicher Weise war mit der "Berufung wegen des Ausspruches über die Schuld" zu verfahren, weil ein derartiges Rechtsmittel gegen kollegialgerichtliche Urteile in den Prozeßgesetzen nicht vorgesehen ist (§§ 283 Abs 1, 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO).

Die Entscheidung über die Berufung (wegen des Ausspruches über die Strafe) fällt sonach in die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Linz (§ 285 i StPO).

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