OGH 15Os157/92

OGH15Os157/9214.1.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.Jänner 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch, Dr.Hager und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Munsel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Michael Richard N***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 12.Oktober 1992, GZ 13 Vr 2178/92-24, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Michael Richard N***** der Verbrechen (I 1) der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB und (I 2) der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB sowie der Vergehen (II und III 1) der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und (III 2) der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt.

Inhaltlich des allein in Beschwerde gezogenen Schuldspruchs wegen Vergewaltigung (I 1, wobei sich der Urteilstenor entgegen der Bestimmung des § 260 Abs. 1 Z 1 StGB nur auf die Wiedergabe der verba legalia beschränkt) hat Michael Richard N***** am 2.Juli 1992 in Graz Martina K***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt.

Dazu traf das Erstgericht im wesentlichen folgende Feststellungen:

Als die 16-jährige HTL-Schülerin Martina K***** am Vormittag des 2. Juli 1992 in einem Grazer Abbruchhaus ihre dort wohnhafte Freundin besuchen wollte, traf sie zunächst auf den Angeklagten, den sie einige Tage vorher in Punkerkreisen flüchtig kennengelernt hatte. Ohne Umschweife äußerte er dem ruhigen, schüchternen und zarten Mädchen gegenüber, daß er mit ihm "ficken" wolle. Nachdem ihm Martina K***** deutlich zu verstehen gegeben hatte, daß sie damit auf keinen Fall einverstanden sei, packte er sie an Händen und Unterarmen, zog sie vom Balkon in die angrenzende Wohnküche, schloß die Türe und gab ihr eine Ohrfeige. Da sie zu schreien begann, hielt er ihr den Mund zu, obwohl die Schreie ohnehin in der lauten Musik einer auf dem Balkon befindlichen Stereoanlage untergingen, und versetzte dem sich wehrenden Opfer eine weitere Ohrfeige, wodurch es rücklings auf das Bett fiel. Der körperlich überlegene Angeklagte legte sich gleich auf das schreiende, sich mit Armen und Beinen wehrende Mädchen und zog ihm die Kleider (Rock, Leibchen, BH, Strumpfhose und Unterhose) aus, ohne diese zu beschädigen. Während er sich selbst seiner Hose entledigte, hielt er Martina K***** weiterhin mit Gewalt am Bett fest, indem er sie an den Schultern niederdrückte. Sodann führte er seinen Penis in die Scheide ein und vollzog ca. zehn Minuten lang bis zum Samenerguß den Geschlechtsverkehr.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diesen Schuldspruch gerichtete, auf die Gründe des § 281 Abs. 1 Z 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht berechtigt.

In der Mängelrüge (Z 5) releviert der Beschwerdeführer einen inneren Widerspruch der Urteilsgründe mit der Behauptung, daß die erstgerichtlichen Feststellungen (US 3), denenzufolge sich der Angeklagte sofort auf das Mädchen legte und es trotz seiner Schreie und Gegenwehr mit Armen und Beinen entkleidete, wobei die Kleidungsstücke beim Ausziehen durch den Angeklagten nicht beschädigt wurden, mit den Erfahrungen des täglichen Lebens und den denklogischen Gesetzen nicht in Einklang zu bringen seien.

Abgesehen davon, daß der gerügte Ausspruch des Erstgerichtes nach Lage des Falles keine entscheidende Tatsache betrifft, weil die in der Beschwerde hervorgehobenen Umstände (für sich allein) weder für die Unterstellung der Tat unter ein bestimmtes Strafgesetz noch auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluß haben, ist es keineswegs denkgesetzwidrig, daß beim Ausziehen eines sich wehrenden Opfers dessen Kleidungsstücke nicht beschädigt werden; die bezüglichen Urteilsannahmen können daher durchaus nebeneinander bestehen. Der Beschwerdeführer vermag auch nicht nachvollziehbar zu begründen, warum "es schlichtweg bzw. technischerweise unmöglich ist, eine Person in der vom Erstgericht festgestellten Art und Weise in der unter den vom Erstgericht festgestellten Umständen zu entkleiden".

Daß die für die getroffenen Feststellungen angeführten Gründe (dem Rechtsmittelwerber) nicht genug überzeugend scheinen und daß neben dem (wie vorliegend) folgerichtig gezogenen Schluß auch noch andere (für den Angeklagten günstigere) Schlußfolgerungen denkbar sind, ist einer Anfechtung aus der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO entzogen. Im übrigen haben die Tatrichter - der Beschwerde zuwider - die entscheidende Konstatierung, daß der Angeklagte den Geschlechtsverkehr gegen den erklärten Willen des Opfers mit Gewalt durchgeführt hat, nicht allein auf die kritisierten Urteilspassagen gestützt, sondern - wie den Urteilsgründen unmißverständlich zu entnehmen ist - auch auf eine Reihe anderer aktenmäßig gedeckter (S 23 ff, 41 ff und 115 ff) Beweisergebnisse, die in ihrer Gesamtheit den bekämpften Schuldspruch formal mängelfrei zu tragen vermögen.

Der Sache nach läuft das gesamte Vorbringen in Wahrheit lediglich auf den im Nichtigkeitsverfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile nach wie vor unzulässigen Versuch hinaus, nach Art einer Schuldberufung die in einer Gesamtschau der Verfahrensergebnisse von den Tatrichtern für glaubwürdig beurteilte Aussage des vergewaltigten Opfers - der einzigen Tatzeugin - Martina K***** zu erschüttern und solcherart der als hiedurch widerlegt erachteten leugnenden Verantwortung des Angeklagten doch noch zum Durchbruch zu verhelfen.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) hinwieder erkennt zwar einleitend zutreffend, daß der Angeklagte (nur) des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB schuldig erkannt wurde, unterstellt dieser Bestimmung aber, indem sie Feststellungen dahin vermißt, "daß die dem Angeklagten zur Last gelegte Handlung gemäß § 201 Abs. 1 bei der Zeugin K***** eine schwere Körperverletzung gemäß § 84 Abs. 1 StGB oder eine Schwangerschaft zur Folge hatte", nicht den seit der StGNov. 1989 BGBl. 242 geltenden Norminhalt, sondern den der (zur Tatzeit nicht mehr in Kraft stehenden) früheren Fassung. Damit vergleicht sie den festgestellten Sachverhalt nicht mit dem darauf angewendeten, zur Tatzeit und zur Zeit der Urteilsfällung geltenden Strafgesetz, weshalb sie nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (vgl. 15 Os 102,104/92).

Nicht vom geltenden Gesetz (und dem darauf gegründeten Strafausspruch des Ersturteils) gehen auch die - auf den Strafsatz des § 201 Abs. 2 StGB idF vor der StGNov. 1989 abstellenden - Berufungsausführungen aus; soweit darin der Sache nach die Geltendmachung einer Nichtigkeit nach der Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO erblickt werden könnte, entbehrt die Rüge gleichfalls der gesetzmäßigen Ausführung.

Die sohin teils offenbar unbegründete, teils nicht gesetzmäßig ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war daher nach Z 2, teilweise auch nach Z 1 (iVm § 285 a Z 2 StPO) des § 285 d Abs. 1 StPO bereits in nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen, woraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufungen der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§ 285 i StPO).

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