OGH 10ObS186/95

OGH10ObS186/9517.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Steinbauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Robert Letz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Helmuth Prenner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr.Gerald R*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Eypeltauer, Dr.Alfred Hawel, Dr.Ernst Eypeltauer, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, Gruberstraße 77, 4020 Linz, wegen Zahnersatz, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30.Mai 1995, GZ 12 Rs 26/95-7, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 14. Dezember 1994, GZ 13 Cgs 213/94g-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1.) den

Beschluß

gefaßt:

Der Antrag des Klägers, beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung des § 153 Abs 3 letzter Satz ASVG zu stellen, wird zurückgewiesen;

2.) zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht wies das Klagebegehren - die beklagte Partei sei schuldig, die Zahnlücke im rechten Unterkiefer durch Anfertigung eines festsitzenden Zahnersatzes in ihrem Zahnambulatorium zu beheben - ab. Gemäß § 153 Abs 2 ASVG sei der unentbehrliche Zahnersatz als Pflichtleistung gegebenenfalls unter Kostenbeteiligung des Versicherten als Sachleistung durch Vertragsärzte, Wahlärzte, Dentisten, Wahldentisten, in eigens hiefür ausgestatteten Einrichtungen (Ambulatorien) der Versicherungsträger oder in Vertragseinrichtungen zu gewähren. Gemäß § 153 Abs 3 letzter Satz dürften allerdings jene Leistungen in den Zahnambulatorien nicht erbracht werden, die nicht im Gesamtvertrag mit den Zahnbehandlern als Leistung geregelt sind. Der strittige festsitzende Zahnersatz sei eine derartige vertraglich nicht geregelte Leistung, sodaß eine Gewährung dieses Zahnersatzes als Sachleistung in einem Zahnambulatorium der beklagten Partei ausgeschlossen ist.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es sprach aus, daß die Revision nach § 46 Abs 1 ASGG zulässig sei.

Das Berufungsgericht teilte die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers gegen § 153 Abs 3 letzer Satz ASVG nicht. Der Kläger könne sich nicht auf die Benachteiligung der Ambulatorien bzw der Ungleichbehandlung der dort beschäftigten Ärzte gegenüber den übrigen Zahnärzten berufen. Im übrigen besitze der Kläger gegenüber dem Sozialversicherungsträger keinen durchsetzbaren Anspruch auf tatsächliche Zurverfügungstellung von Sachleistungen. Bei Verweigerung derselben könne er nur Kostenerstattung für die zunächst auf eigene Kosten verschaffte Leistung verlangen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers, die verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 153 Abs 3 letzter Satz ASVG wegen Verletzung des Grundrechtes der Sozialversicherungsträger auf Erwerbsfreiheit sowie des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes geltend macht.

Der Revisionswerber stellt die Anträge, der Oberste Gerichtshof möge beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung der Bestimmung des § 153 Abs 3 letzter Satz ASVG beantragen und der Revision im Sinne der Abänderung der Urteile der Vorinstanzen stattgeben.

Der Antrag, beim Verfassungsgerichtshof die dargestellte Bestimmung anzufechten, ist zurückzuweisen, weil hiezu keine Antragsbefugnis der Parteien besteht (DRdA 1994/2, 10 ObS 240/93, 10 ObS 197/94).

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der unentbehrliche Zahnersatz ist zwar als Pflichtleistung (SSV-NF 4/163, 6/114) aber nach Maßgabe der Satzung zu leisten, die das "Nähere" bestimmt (§ 153 Abs 2 ASVG).

Es ist unbestritten, daß der vom Kläger geltend gemachte festsitzende Zahnersatz bisher nicht Gegenstand eines Gesamtvertrages ist und im Ambulatorium nicht erbracht werden darf.

In Anbetracht des Umstandes, daß der Sozialversicherungsträger für die Krankenbehandlung ausreichend Vorsorge zu treffen (§ 23 Abs 5 ASVG) und daher die Erbringung der Gesundheitsgüter zu organisieren hat, sei es durch Schaffung eigener Einrichtungen (wie Ambulatorien) teils durch Verpflichtung von Dritten im Vertragswege (Binder in Tomandl SV-System 7.ErgLfg 187 f), handelt er bei Erbringung der Sachleistungen der Zahnbehandlung und des Zahnersatzes im gesetzlichen Auftrag. Dies schließt aber eine erwerbswirtschaftliche Betätigung des Sozialversicherungsträgers bei Betreiben eines Ambulatoriums aus, sodaß durch die Beschränkung der Leistungserbringung durch § 153 Abs 3 ASVG ein Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit nicht vorliegt (VFSlg 13.022).

Im Hinblick auf diesen gesetzlichen Auftrag der Sozialversicherungsträger liegt in der Leistungseinschränkung der Ambulatorien auch keine unsachliche Diskriminierung im Sinne der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes vor. Die unterschiedliche Behandlung der Sozialversicherungsträger als Betreiber von Ambulatorien und der Vertragsärzte hat nämlich ihre Grundlage in entsprechenden Unterschieden im Tatsächlichen.

Die Leistung des unentbehrlichen Zahnersatzes ist durch die Bestimmung des § 153 Abs 3 ASVG nicht in Frage gestellt. Sie wird jedem Versicherten gewährleistet und ist nicht davon abhängig, ob er in einem Ambulatorium oder anderweitig hergestellt wird. Daß außervertragliche Leistungen mit Ausnahme derjenigen, die am 31.12.1972 Gegenstand eines Vertrages waren, nicht von Ambulatorien erbracht werden dürfen, bewirkt keine Diskriminierung bestimmter Personengruppen. Die Leistungs- und Kostenersatzpflicht ist für alle Versicherten einheitlich durch Gesetz und Satzung geregelt. Die normative Regelung selbst hat keine rechtliche Ungleichbehandlung zur Folge und knüpft an vergleichbare Sachverhalt keine unterschiedlichen Rechtsfolgen. Liegt aber keine Ungleichbehandlung im Rechtssinn durch die Norm vor, dann ist auch der Gleichheitsgrundsatz nicht verletzt (Holoubek, Die Sachlichkeitsprüfung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes, ÖZW 1991, 72 [76 f]). Auch das Recht des Versicherten auf freie Arztwahl wird nicht eingeschränkt, weil die Wahlfreiheit nach § 135 Abs 2 ASVG im Rahmen des § 153 Abs 3 ASVG für alle Normunterworfenen in gleicher Weise gewährleistet ist.

Der Oberste Gerichtshof trägt daher gegen die Verfassungsgemäßheit der genannten Bestimmung keine Bedenken (vgl dazu auch Krejci, Zur Beschränkung der Aufgaben von Zahnambulatorien der Sozialversicherung [§ 153 Abs 3 ASVG], VR 1992, 222 f).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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