OGH 10ObS197/94

OGH10ObS197/944.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Steinbauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Robert Letz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Peter Pulkrab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing.Herbert O*****, Pensionist, ***** vertreten durch Dr.Reinhard Tögl und Dr.Nicoletta Wabitsch, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, wegen Alterspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8.Juni 1994, GZ 7 Rs 43/94-8, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 22.Dezember 1993, GZ 33 Cgs 234/93w-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. den

Beschluß

gefaßt:

Der Antrag des Klägers, beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung des § 238 Abs 2 ASVG in der Fassung der 40.ASVG Novelle und des § 551 Abs 6 ASVG zu stellen, wird zurückgewiesen;

2. zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 6.2.1927 geborene Kläger war in den Jahren 1954 bis 1974 auf der Basis der Höchstbeitragsgrundlage sozialversichert. Von 1974 bis 1984 bezog er lediglich Gehalt von S 3.000 monatlich und war auf dieser Basis sozialversichert. Am 7.11.1985 beantragte er die Gewährung der Berufsunfähigkeitspension, die ihm mit Bescheid vom 1.7.1986 ab 1.12.1985 zuerkannt wurde. Auf Grund der seit dem Jahr 1974 gegebenen niedrigen Bemessungsgrundlage war sie entsprechend niedrig ausgemessen. Auf Antrag des Klägers gewährte ihm die Beklagte ab 1.9.1988 die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer, die mit Erreichung des 65.Lebensjahres gemäß § 253 Abs 2 (aF) ASVG im gleichen Ausmaß als Alterspension zusteht. Am 18.3.1993 stellte der Kläger den Antrag auf Umwandlung seiner Pension in die Alterspension zum Stichtag 1.7.1993, um in den Genuß der Bemessungsgrundlage des § 238 ASVG in der Fassung der 51.ASVG Novelle zu gelangen.

Mit Bescheid vom 12.8.1993 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab, weil der Kläger bereits seit Vollendung des 65.Lebensjahres die Alterspension beziehe.

Die dagegen erhobene Klage wies das Erstgericht ab.

Auf Grund der Bestimmung des § 253 Abs 2 ASVG aF, wonach die bisher gewährte vorzeitige Alterspension ab Vollendung des 65.Lebensjahres als Alterspension in dem bis zu diesem Zeitpunkt bestandenen Ausmaß gebühre, soferne in der Zwischenzeit keine Beitragsmonate der Pflichtversicherung erworben wurden, bestehe kein Anspruch auf Berücksichtigung der gesamten Versicherungszeit, insbesondere der zehn besten Versicherungsjahre.

Das Gericht der zweiten Instanz gab der dagegen erhobenen Berufung nicht Folge. Für eine Neubemessung der Alterspension mit einem neuen Stichtag und nach einer neuen Bemessungsgrundlage fehle die gesetzliche Grundlage, weil der Kläger seit dem Stichtag zur Bemessung seiner Berufsunfähigkeitspension (1.12.1985) den Erwerb weiterer Versicherungszeiten nicht behauptet habe. Durch den Übergang der Berufsunfähigkeitspension (richtig der vorzeitigen Alterspension) in die Alterspension gemäß § 253 Abs 2 ASVG sei für eine Neubemessung der Alterspension mit einem neuen Stichtag und nach einer neuen Bemessungsgrundlage keine gesetzliche Grundlage gegeben. Verbesserungen im Leistungsrecht der Sozialversicherung, die erst ab einem gewissen Stichtag gelten und nicht auf alle bereits eingetretenen Versicherungsfälle zur Anwendung gelangen, seien nicht gleichheitswidrig.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision des Klägers, mit der die Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen des § 551 Abs 6 ASVG und des § 238 Abs 2 ASVG in der Fassung der 40.ASVG Novelle (bis 30.6.1993) geltend gemacht werden. Der Kläger hätte, wenn § 238 Abs 2 ASVG nF anzuwenden wäre, die höchstmögliche Pension erhalten, weil er durch 20 Jahre mit der Höchstbemessungsgrundlage sozialversichert gewesen wäre. Er stellt 1. den Antrag, die Bestimmung des § 551 Abs 6 ASVG und des § 238 Abs 2 ASVG in der Fassung der 40.ASVG Novelle beim Verfassungsgerichtshof anzufechten und 2. den Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Ein Recht, vom Obersten Gerichtshof die Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung eines Gesetzes wegen Verfassungswidrigkeit zu begehren, steht einem Revisionswerber nicht zu, weshalb der primär darauf abzielende Antrag zurückzuweisen war (SSV-NF 4/153, SSV-NF 6/51, SSV-NF 7/66, SSV-NF 7/78, SSV-NF 7/122).

Nach § 238 Abs 2 ASVG in der Fassung der 40.ASVG Novelle waren grundsätzlich, abhängig vom Stichtag, die letzten 120 Versicherungsmonate aus allen Zweigen der Pensionsversicherung, die vor dem Kalenderjahr liegen, in das der Bemessungszeitpunkt fällt, für die Bildung der Bemessungsgrundlage heranzuziehen. Nach § 238 Abs 1 ASVG in der Fassung der 51.ASVG Novelle = SRÄG 1993 sind jedoch zur Bildung der Bemessungsgrundlage die sogenannten 180 "besten Monate", das sind die 180 höchsten monatlichen Beitragsgrundlagen zwischen dem erstmaligen Eintritt in die Versicherung und dem Ende des letzten Kalenderjahres vor dem Stichtag maßgeblich (Brauner/Stummvoll, Sozialversicherung11, 109; 12119). Nach § 551 Abs 6 ASVG ist § 238 ASVG nF nur auf Versicherungsfälle anzuwenden, in denen der Stichtag nach dem 30.6.1993 liegt.

Gemäß § 253 Abs 2 ASVG aF gebührt die dem Kläger ab 1.9.1988 zuerkannte vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer mit Erreichung des 65.Lebensjahres, also am 6.2.1993 als Alterspension. Es gelten somit mit diesem Zeitpunkt die sekundären Vorausetzungen für den Anspruch auf Alterspension, wie beispielsweise die Wartezeit, als erfüllt (Teschner in Tomandl SV-System 5.Ergänzungslieferung 285 f). Die Erreichung des für die Alterspension maßgeblichen Lebensalters bewirkt bei einem bestehenden Anspruch auf Berufsunfähigkeitspension oder vorzeitige Alterspension nach § 270 ASVG (der wieder auf die Bestimmungen des Abschnittes II des ASVG für die bezüglichen Leistungen aus der Pensionsversicherung der Arbeiter und somit auch auf § 253 ASVG verweist) nur, daß die bisher gewährte Pension nahtlos in eine Alterspension übergeht, ohne daß kraft gesetzlicher Anordnung des § 253 ASVG eine eigene Antragstellung erforderlich wäre oder ein neuer Stichtag ausgelöst würde.

Bei Weitergewährung der bisher zuerkannten Berufsunfähigkeitspension oder der vorzeitigen Alterspension als Alterspension bedarf es nicht mehr der vom Stichtag abhängigen Feststellung und Prüfung, ob und in welchem Zweige der Pensionsversicherung und in welchem Ausmaß die Leistung zusteht (Teschner aaO 7.ErgLfg 386; vgl 10 Ob S 43/94). Ein lückenloses Weiterbestehen der schon zum Stichtag für die Berufsunfähigkeitspension oder die vorzeitige Alterspension vorliegenden Anspruchsvoraussetzungen ist anzunehmen (vgl 10 Ob S 43/94).

Durch den Antrag des Klägers vom 18.6.1993 auf Umwandlung seiner vorzeitigen Alterspension in eine Alterspension ab dem von ihm gewünschten Stichtag 1.7.1993, die bereits kraft Gesetzes mit Erreichung des 65.Lebensjahres erfolgt ist, wurde daher kein neuer Stichtag ausgelöst, noch ist ein neuer Versicherungsfall eingetreten. Eine neuerliche Prüfung der bereits bei Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension bzw. der vorzeitigen Alterspension festgestellten Bemessungsgrundlage ohne Änderung im tatsächlichen Belang hat daher nicht zu erfolgen.

Da keine neue Bemessungsgrundlage zu bilden war, ein neuer Versicherungsfall nicht eingetreten ist, kommen weder § 238 aF noch § 238 nF ASVG zur Anwendung, sodaß die verfassungsmäßigen Bedenken des Revisionswerbers gegen diese Bestimmungen keiner Erörterung bedürfen. Im übrigen steht es in der rechtspolitischen Freiheit des Gesetzgebers festzulegen, wann eine neue, den Versicherten begünstigende Bestimmung zu gelten hat. Wegen der damit verbundenen finanziellen Belastung der Versichertengemeinschaft erscheint die Einschränkung der Geltung der Bestimmung des § 551 Abs 6 ASVG ab einem objektiv bestimmten, für alle Versicherten geltenden antragsabhängigen Zeitpunkt des Eintrittes des Versicherungsfalles sachgerecht (SSV-NF 6/54, 7/78).

Der Revision kommt daher keine Berechtigung zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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