OGH 3Ob564/95

OGH3Ob564/9511.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und beklagten Partei Alija O*****, geboren 8.11.1946, Arbeiter, ***** vertreten durch Dr.Wilfried Plattner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte und klagende Partei Angelina S*****, geboren 12.9.1934, Arbeiterin, ***** vertreten durch Dr.Michael Jöstl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 1. Ehescheidung,

2. Unterhalts, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 21.September 1994, GZ 2 R 296/94-68, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 23.Dezember 1993, GZ 2 C 41/92s-54, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 7.605,-- (darin enthalten S 1.267,50 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt mit der am 1.4.1992 zu 2 C 41/92s des Erstgerichtes eingebrachten Klage die Scheidung der am 6.1.1984 vor dem Standesamt Krusevac geschlossenen Ehe der Streitteile aus dem alleinigen Verschulden der Beklagten. Die im Scheidungsverfahren Beklagte brachte ihrerseits am 24.6.1992 zu 27 C 41/92z des Erstgerichtes gegen den Kläger im Scheidungsverfahren Klage auf Zahlung von rückständigem Unterhalt von S 25.000,-- samt 4 % Zinsen seit 15.6.1992 und monatlichem Unterhalt ab dem Tag der Klagseinbringung von S 2.500,-- ein. Beide Verfahren wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden; führend ist das Verfahren 2 C 41/92s.

Der Kläger (im Scheidungsverfahren) ist Staatsbürger der Republik Bosnien-Herzegowina, die Beklagte (im Scheidungsverfahren) Staatsbürgerin der "Republik Serbien"; sie haben die Ehe am 6.1.1984 vor dem Standesamt Krusevac (im Staatsgebiet der heutigen "Republik Serbien") geschlossen; beim Kläger handelt es sich um die zweite, bei der Beklagten um die dritte Ehe. Die Ehe blieb kinderlos. Ehepakte wurden nicht behauptet. Der letzte gemeinsame Aufenthalt der Streitteile war in Innsbruck, R*****gasse 23; der Kläger zog im Juli 1991 aus der gemeinsamen Ehewohnung aus.

Der Kläger brachte vor, die Beklagte habe ihn schon zweimal wegen anderer Männer verlassen und sei erst nach einiger Zeit wieder zurückgekehrt. Er habe ihr diese Fehltritte zwar verziehen, habe jedoch erwartet, daß sie ihr Benehmen und die Einstellung ihm gegenüber entsprechend ändert. Tatsächlich sei die Beklagte jedoch dem Kläger gegenüber immer liebloser geworden; sie habe ihn auf das gröbste beschimpft, bedroht und ihn auch öffentlich auf der Straße angespuckt. Aus diesen Gründen sei der Kläger letztlich gezwungen gewesen, die eheliche Lebensgemeinschaft aufzulösen und im Juli 1991 aus der ehelichen Wohnung auszuziehen. Er wohne nunmehr in Innsbruck, D*****straße 13. Auch nach der Trennung habe die Beklagte den Kläger bei gelegentlichen Zusammentreffen immer wieder beschimpft, bedroht und bespuckt. Unter diesen Umständen sei der Kläger nicht mehr bereit, die eheliche Lebensgemeinschaft fortzusetzen; die Ehe sei aus dem alleinigen Verschulden der Beklagten unheilbar zerrüttet.

Die Beklagte bestritt dieses Vorbringen, beantragte kostenpflichtige Klagsabweisung und wendete ein, sie habe im Gegensatz zum Kläger keinerlei ehewidrige Beziehungen unterhalten. Sie habe notgedrungen zweimal ihren Urlaub bei ihren Verwandten in Jugoslawien alleine verbracht, weil der Kläger schon seit geraumer Zeit ein ehewidriges und ehebrecherisches Verhältnis zu Slavica K***** unterhalten habe. Im Juli 1991 habe der Kläger die Beklagte tätlich angegriffen und verletzt; dieser Vorfall sei auch aktenkundig geworden. Der Kläger habe Ende August 1991 die eheliche Wohnung eigenmächtig und ohne Zustimmung der Beklagten verlassen, um in der Folge mit Slavica K***** in deren Wohnung bis Mitte März 1992 zu wohnen. Danach habe der Kläger zwar eine eigene Wohnung gesucht, unterhalte aber nach wie vor die ehewidrige Beziehung zu Slavica K*****. Darüber hinaus habe sich der Kläger der Beklagten gegenüber einer Unterhaltsverletzung schuldig gemacht; er beziehe ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von ca S 15.000,--, die Beklagte ein solches von S 7.000,--; der Kläger sei daher verpflichtet gewesen, einen Teil seines Einkommens auch für die Beklagte zur Verfügung zu stellen, die derzeit ihre gesamte Lebensführung sowie den Haushalt aus eigenen Mitteln zu bestreiten habe. Die Beklagte wolle nach wie vor die Ehe aufrechterhalten. Die Beklagte stellte den Antrag, in einem allfälligen Scheidungsurteil auszusprechen, daß die Zerrüttung der Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Klägers verursacht wurde.

In der Unterhaltsklage brachte die (im Scheidungsverfahren) Beklagte (hier Klägerin) weiters vor, ihr Ehegatte beziehe als Eisenbieger ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von S 19.833,33; sie beziehe als Küchenhilfe ein solches von S 8.983,33. Ausgehend von einem Anspruch auf einen Anteil von 40 % des Familieneinkommens abzüglich ihres eigenen Einkommens begehrte sie für den Zeitraum September 1991 bis inklusive Juni 1992 S 25.000,--, sodann ab dem Tag der Einbringung der Klage monatlich S 2.500,-- an Unterhalt.

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 3.7.1992 vereinbarten die Parteien ausdrücklich für die Verfahren auf Ehescheidung und Unterhalt die Anwendung österreichischen Rechtes. Am Schluß dieser Tagsatzung brachte der Klagevertreter vor, er habe zum Zeitpunkt der Protokollierung dieser Vereinbarung nicht gewußt, daß ein Unterhaltsverfahren bekämpft; diese Erklärung sei von ihm irrtümlich abgegeben worden.

Zur Unterhaltsklage replizierte der Kläger (im Unterhaltsverfahren Beklagte), die Ehegattin habe durch ihr ehewidriges Verhalten den Unterhaltsanspruch verwirkt. Die in der Unterhaltsklage in Ansatz gebrachten Einkommenshöhen seien unrichtig.

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 25.1.1993 wurde das Unterhaltsbegehren auf Zahlung von S 20.000,-- für die Vergangenheit und S 2.000,-- monatlich ab dem Tag der Einbringung der Klage eingeschränkt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die Ehe werde aus dem alleinigen Verschulden der Beklagten geschieden, ab und verpflichtete den Kläger (im Unterhaltsverfahren Beklagten) zur Zahlung eines rückständigen Unterhalts von S 20.000,--, für die Zeit vom 1.7.1992 bis einschließlich Dezember 1992 zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von S 2.000,-- und ab 1.1.1993 zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von S 1.300,--; das Mehrbegehren auf Zahlung eines weiteren Unterhalts ab 1.1.1993 von S 700,-- monatlich wurde abgewiesen. In seinem abweisenden Teil erwuchs das Ersturteil unangefochten in Rechtskraft.

Das Erstgericht stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der Kläger wohnte nach seinem Auszug aus der Ehewohnung in Innsbruck, R*****gasse 23 im Juli 1991 einige Monate gemeinsam mit Slavica K***** in deren Wohnung in Innsbruck, H*****gasse 9. Ungefähr im November 1991 traf Angelina G*****, die mit Slavica K***** seit mehreren Jahren befreundet war, den Kläger in dieser Wohnung. Der Kläger erzählte ihr, er wohne seit kurzer Zeit bei Slavica K***** und sei mit ihr verheiratet, allerdings nicht auf dem Papier. Nach einigen Tagen kam Angelina G***** neuerlich in die Wohnung der Slavica K*****, um ihr Medikamente für ihr Fußleiden zu bringen, die sie als Reinigungsfrau an der Klinik erhalten hatte. Auch jetzt sprach der Kläger davon, er habe die richtige Frau gefunden, er wolle Slavica K***** heiraten.

Ungefähr im September 1991 kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen der Beklagten und Slavica K*****, als der Kläger mit Slavica K***** Kleidungsstücke aus der früheren Ehewohnung holen wollte. Durch die ehewidrige Beziehung des Klägers zu Slavica K***** ist das Verhältnis zwischen den Parteien naturgemäß wesentlich getrübt worden. Im Zuge diverser Auseinandersetzungen zwischen dem Kläger und der Beklagten beschimpfte die Beklagte den Kläger auch wegen seiner Beziehung zu Slavica K*****.

Der Kläger und die Beklagte fahren seit 1991 nicht mehr gemeinsam auf Urlaub. Die Beklagte fuhr im Jahr 1991 allein auf Urlaub, weil der Kläger zu einem gemeinsamen Urlaub nicht bereit war.

Das Erstgericht konnte nicht feststellen, daß die Beklagte ehewidrige Beziehungen zu anderen Männern gehabt und daß die Beklagte den Kläger auf offener Straße oder auch woanders angespuckt hätte.

Die Beklagte wurde mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 17.2.1992, 29 U 354/91, wegen des Vergehens der Körperverletzung zum Nachteil der Slavica K***** rechtskräftig zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Ebenso wurde Slavica K***** mit Strafverfügung vom selben Tag wegen des Vergehens der Körperverletzung, und zwar zum Nachteil der Beklagten, rechtskräftig zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Diesen Verurteilungen ging ein Vorfall vom 11.11.1991 voraus, bei dem die Beklagte und Slavica K***** einander tätlich angegriffen hatten.

Das Erstgericht konnte nicht feststellen, daß sich die Beklagte dem Kläger gegenüber vor Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft unbegründeterweise lieblos verhalten hätte. Vielmehr entstanden Auseinandersetzungen vorwiegend dadurch, daß die Beklagte an der ehewidrigen Beziehung des Klägers zu Slavica K***** berechtigterweise Anstoß nahm.

Der Kläger zahlt der Beklagten seit dem Auszug aus der Ehewohnung keinen Unterhalt. Er ist bei der Eisen P***** GmbH als Eisenbieger beschäftigt und bezieht ein durchschnittliches Monatseinkommen im Jahr 1991 von S 18.998,51, im Jahr 1992 von S 19.933,86 und im Jahr 1993 bis einschließlich September von S 18.184,96. Er verfügt in Österreich über Ersparnisse von S 300.000,--.

Die Beklagte arbeitet als Küchenhilfe im M*****heim in Innsbruck; sie bezog dort im Jahr 1992 durchschnittlich S 9.100,75 monatlich netto, von Jänner bis einschließlich Juni 1993 durchschnittlich S 9.677,27. Darüberhinaus erhält sie eine sogenannte Anwesenheitsverpflegung, dh Frühstück und Mittagessen. Gelegentlich kann sie auch Essen nach Hause mitnehmen, und zwar etwa zwei- bis dreimal monatlich. Durch die Verpflegung an der Arbeitsstelle erspart sich die Beklagte etwa S 1.000,-- monatlich.

Das Erstgericht konnte nicht feststellten, daß die Beklagte in ihrer Heimat drei Häuser besitze, aus denen sie Mieteinnahmen erzielen könnte.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, gemäß § 20 IPRG seien die Voraussetzungen und die Wirkungen der Scheidung einer Ehe nach dem für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe maßgebenden Recht im Zeitpunkt der Ehescheidung zu beurteilen. Die persönlichen Rechtswirkungen einer Ehe seien in erster Linie nach dem gemeinsamen, mangels eines solchen nach dem letzten gemeinsamen Personalstatut der Ehegatten, sofern es einer von ihnen beibehalten hat, ansonst nach dem Recht des Staates, in dem beide Ehegatten ihren gewöhntlichen Aufenthalt haben, mangels eines solchen nach dem Recht des Staates, in dem beide ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt gehabt haben, sofern ihn einer von ihnen beibehalten hat, zu beurteilen (§ 18 Abs 1 IPRG). Bei den Parteien liege kein gemeinsames Personalstatut vor, weil der Kläger Bosnier, die Beklagte Serbin sei. Somit sei auch in materiell-rechtlicher Hinsicht österreichisches Recht anzuwenden.

Gemäß § 49 EheG könne ein Ehegatte die Scheidung begehren, wenn der andere durch eine schwere Eheverfehlung oder durch ehrloses oder unsittliches Verhalten die Ehe schuldlos so tief zerrüttet habe, daß die Wiederherstellung einer ihrem Wesen entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden könne. Wer selbst eine Verfehlung begangen habe, könne die Scheidung nicht begehren, wenn nach der Art seiner Verfehlung, insbesondere wegen des Zusammenhangs mit der Verfehlung des anderen Ehegatten, mit seinem eigenen Verhalten sein Scheidungsbegehren bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe sittlich nicht gerechtfertigt sei. Eheverfehlungen seien Handlungen und Unterlassungen, die sich gegen das Wesen der Ehe und die damit verbundenen Pflichten richten. Daß die Beklagte den Kläger angeblich schon zweimal wegen anderer Männer verlassen habe, werde im Scheidungsverfahren gar nicht als Eheverfehlung geltend gemacht, weil der Kläger diese von ihm behaupteten Fehltritte nach den Angaben in der Klage verziehen habe. Nach den Feststellungen habe sich das Verhältnis zwischen den Parteien durch die ehewidrige Beziehung des Klägers zu Slavica K***** naturgemäß wesentlich verschlechtert. Daraus könne der Beklagten gegenüber nicht der Vorwurf erhoben werden, sie sei dem Kläger gegenüber lieblos geworden. Selbst wenn die Beklagte dem Kläger gegenüber das eine oder andere Mal im Zuge einer Auseinandersetzung heftiger geworden sei und ihn beschimpft habe, so sei dies immer noch als gerechtfertigte Reaktion auf das Fehlverhalten des Klägers zu qualifizieren. Es könne nicht einmal von einem Mitverschulden der Beklagten an der Zerrüttung der Ehe ausgegangen werden. Nach § 49 Satz 2 EheG könne derjenige, der selbst eine Verfehlung begangen habe, die Scheidung nicht begehren, wenn nach der Art seiner Verfehlung, insbesondere wegen des Zusammenhangs der Verfehlung des anderen Ehegatten mit seinem eigenen Verschulden sein Scheidungsbegehren bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe sittlich nicht gerechtfertigt sei. Dem Kläger komme daher wegen der von ihm zu verantwortenden Eheverfehlung das Recht, die Ehescheidung zu begehren, nicht zu.

Der Unterhaltsanspruch der Beklagten sei nach § 94 ABGB zu beurteilen, weil die Parteien nach wie vor aufrecht verheiratet seien. Der schlechter verdienende Ehegatte habe einen sogenannten Ergänzungsanspruch gegenüber dem Besserverdienenden, gleichgültig, ob er den Haushalt führe oder nicht. Voraussetzung für diesen Ergänzungsanspruch sei, daß sein Einkommen wesentlich niedriger als dasjenige des anderen Ehegatten sei. Dem schlechterverdienenden unterhaltsberechtigten Ehegatten stehe grundsätzlich ein 40 %iger Anteil am gemeinsamen Familieneinkommen zu. Davon ausgehend errechne sich ein Unterhalt in der zugesprochenen Höhe.

Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung des Klägers dieses Urteil; es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß materiell österreichisches Recht anzuwenden sei. Österreich habe die Republik Bosnien-Herzegowina anerkannt, nicht jedoch die Republik Serbien; diese werde von Österreich auch nicht als Rechtsnachfolgerin der Föderativen Republik Jugoslawien angesehen. Da die beiden Streitteile sohin kein gemeinsames Personalstatut mehr hätten und keiner der beiden das letzte gemeinsame Personalstatut beibehalten habe, seien die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe nach dem Recht jenes Staates zu beurteilen, in dem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 18 Abs 1 Z 1 und 2 IPRG), hier also nach österreichischem Recht.

Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt sei schon das Vorliegen einer unheilbaren Zerrüttung der Ehe der Streitteile zu verneinen; der Beklagten könne auch keine schwere Eheverfehlung im Sinn des § 49 EheG angelastet werden. Ihr im Zuge diverser Auseinandersetzung mit dem Kläger an den Tag gelegtes Verhalten stelle sich vielmehr als durchaus verständliche und angemessene Reaktionshandlung auf das fortgesetzte, zumindest ehewidrige Verhalten des Klägers dar. Nicht nachvollziehbar sei, warum die Beklagte gar ihren Unterhaltsanspruch dem Kläger gegenüber verwirkt haben sollte.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu, weil den hier zu erörternden Rechtsfragen keine über die Bedeutung des konkreten Einzelfalles hinausgehende erhebliche Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 2 ZPO zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Bei dem hier vorliegenden Sachverhalt mit Auslandsbeziehung ist die Frage des für Ehescheidung und Ehegattenunterhalt anzuwendenden materiellen Rechts von amtswegen zu klären (§ 2 IPRG); eine Rechtswahl der Parteien (§§ 11, 19 IPRG) ist unzulässig (Schwimann in Rummel, ABGB2, Rz 2 zu § 11).

§ 20 Abs 1 IPRG erklärt für die Scheidung der Ehe, sofern nicht einer der Ausnahmefälle des Abs 2 vorliegt, das für die persönlichen Ehewirkungen im Zeitpunkt der Ehescheidung maßgebliche Recht für anwendbar. Damit wird an das Ehewirkungsstatut des § 18 IPRG angeknüpft (unwandelbares Statut); dieser Zeitpunkt ist nicht jener des Ausspruches der letztinstanzlichen Entscheidung, sondern der Schluß der mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz (JBl 1981, 36; Schwimann in Rummel, ABGB2, Rz 2 zu § 20 IPRG). Nach § 18 Abs 1 IPRG sind die persönlichen Rechtswirkungen einer Ehe 1. nach dem gemeinsamen, mangels eines solchen nach dem letzten gemeinsamen Personalstatut der Ehegatten, sofern es einer von ihnen beibehalten hat, 2. sonst nach dem Recht des Staates, in dem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, mangels eines solchen nach dem Recht des Staates, indem beide ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt gehabt haben, sofern ihn einer von ihnen beibehalten hat, zu beurteilen.

Im vorliegenden Fall gehörten ursprünglich beide Parteien der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien an. Der Staat Jugoslawien ist dadurch, daß die meisten seiner Gliedstaaten unter Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht 1991/1992 ihre Unabhängigkeit erreicht haben, untergegangen (Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht8 Rz 1394a). Nach dem Zerfall Jugoslawiens, der bereits vor Einbringung der Scheidungsklage eingetreten ist, besitzen beide Parteien nicht mehr die gemeinsame Staatsangehörigkeit. Der Wechsel der Souveränität nach dem Zerfall Jugoslawiens führt dazu, daß § 18 Abs 1 Z 2 IPRG heranzuziehen ist, wonach die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe nach dem Recht des Staates zu beurteilen sind, in dem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (vgl zur deutschen Rechtslage Jayme [E.J.] in IPRax 1992, 333; OLG Düsseldorf dFamRZ 1995, 932). Da der gewöhnliche Aufenthalt der Parteien in Österreich ist, findet österreichisches Scheidungsrecht Anwendung.

Die Vorinstanzen haben somit die Frage des anzuwendenden materiellen Rechtes zutreffend gelöst.

Der Revision, die sich allein auf die Frage des anzuwendenden Rechtes beschränkt hat und überhaupt nicht bestreitet, daß die Rechtsfragen nach österreichischem Recht richtig gelöst wurden, war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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