Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Anläßlich der Scheidung ihrer Ehe schlossen die Eltern des Kindes am 31.3.1993 einen Vergleich, nach dessen Inhalt die Obsorge für das Kind dem Vater allein zukommt und die Mutter zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 2.500,-- verpflichtet ist.
Am 28.12.1993 stellte die Mutter des Kindes den Antrag, ihr die Obsorge für das Kind zu übertragen. Dieser Antrag wurde vom Erstgericht mit dem rechtskräftig gewordenen Beschluß vom 15.7.1994 abgewiesen. Am 11.11.1994 stellte die Mutter des Kindes neuerlich den Antrag auf Übertragung der Obsorge. Über diesen Antrag wurde bisher nicht entschieden.
Am 16.2.1995 langte beim Erstgericht ein von einem Rechtsanwalt unterschriebener Schriftsatz ein, in dem die Mutter des Kindes als Antragstellerin bezeichnet und beantragt wird, den Vater des Kindes schuldig zu erkennen, ab 1.4.1994 bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes zu Handen von dessen Mutter einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 7.000,-- zu bezahlen und ihm für die Dauer des hierüber durchgeführten Verfahrens die Leistung eines Unterhalts in derselben Höhe aufzutragen. Hiezu wird vorgebracht, daß das Kind seit April 1994 mit der Mutter im gemeinsamen Haushalt wohne.
Der Vater des Kindes brachte in seiner Äußerung zu den Anträgen unter anderem vor, die Mutter habe sich widerrechtlich des Kindes bemächtigt.
Das Erstgericht wies die Anträge zurück. Der nicht obsorgeberechtigte Elternteil sei nur dann berechtigt, für das Kind Unterhaltsansprüche geltend zu machen, wenn sich dieses mit Zustimmung des obsorgeberechtigten Elternteils bei ihm aufhält (ZfRV 1993, 255).
Das Rekursgericht hob infolge Rekurses der Mutter des Kindes diesen Beschluß des Erstgerichts auf und trug ihm die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Zufolge § 140 Abs.2 ABGB sei auf die faktischen Verhältnisse der Kinderbetreuung ungeachtet allfälliger Obsorgeregelungen jedenfalls dann abzustellen, wenn sich das Unterhalt fordernde Kind bereits einen längeren Zeitraum beim nicht obsorgeberechtigten Elternteil befinde. Das vom Kind nicht beeinflußbare Verhalten seiner Eltern könne dessen Unterhaltsanspruch nicht schmälern. Der Mutter des Kindes fehle daher entgegen der Meinung des Erstgerichtes die Antragslegitimation nicht. Die Geltendmachung des Anspruchs durch sie namens des Kindes beinhalte implizit einen Antrag im Sinn des § 271 ABGB zur Übertragung des Rechtes auf Vertretung im Verfahren gegen den anderen Elternteil, über den zu entscheiden sein werde.
Rechtliche Beurteilung
Der vom Vater gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Rekurs ist nicht berechtigt.
Vorweg ist festzuhalten, daß der Unterhaltsanspruch dem Kind zusteht, weshalb auch nur dieses zur Antragstellung berechtigt ist; der Elternteil, der das Kind betreut, kann den Anspruch nicht im eigenen Namen geltend machen (3 Ob 524/95, vgl. auch EF 52.277, 44.150, 39.315 ua). Darauf ist ohne Einfluß, welchem Elternteil die Obsorge für das Kind zukommt; dieser Umstand ist nur dafür von Bedeutung, wer zur Vertretung des Kindes berufen ist. Wird das Begehren vom Vater oder von der Mutter des Kindes bei Gericht eingebracht, so ist aber mangels eindeutiger gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen, daß dies im Namen und als Vertreter des Kindes geschieht (3 Ob 524/95).
Hier wurde in dem Schriftsatz, in dem die Anträge enthalten sind, beantragt, den Vater zur Leistung eines Unterhaltsbetrages zu verpflichten. Als Antragstellerin ist zwar die Mutter des Kindes bezeichnet. Aus dem Inhalt des Schriftsatzes und nicht zuletzt aus dem Wortlaut der Anträge, in denen die Mutter bloß als Zahlstelle angegeben wird, ist jedoch zu schließen, daß sie den Unterhaltsanspruch nicht im eigenen Namen, sondern im Namen des Kindes geltend machen will, weshalb die Anträge auch dem Kind zuzurechnen sind. Das Erstgericht hätte daher selbst aufgrund seiner Rechtsansicht die Anträge nicht wegen Fehlens der Antragslegitimation zurückweisen dürfen, sondern wegen Fehlens eines Unterhaltsanspruchs abweisen müssen.
Zu beachten ist allerdings, daß die Mutter des Kindes nicht dessen gesetzliche Vertreterin ist, weil die Obsorge für das Kind dem Vater zukommt und daher dieser gemäß § 154a Abs.1 iVm § 176 ABGB allein zu dessen Vertretung berechtigt ist. Richtet sich der Antrag des Kindes gegen den als Vertreter berufenen Elternteil, so liegt, wie schon das Rekursgericht richtig erkannte, ein Fall des § 271 ABGB vor und es muß daher für das Kind ein besonderer Kurator bestellt werden (EF 29.294; ÖA 1993, 18 = EF 68.648; 3 Ob 524/95 ua). Der Oberste Gerichtshof hat hiezu bereits die Meinung vertreten, daß der Antrag eines Elternteils auf Unterhaltsfestsetzung das Begehren auf
Bestellung zum besonderen Kurator einschließt (ÖA 1994, 20 = ZfRV
1993, 255; ÖA 1993, 18 = EF 68.584), wobei der Kurator auch von Amts
wegen bestellt werden muß (EF 45.921, 29.295). Das Erstgericht wird im fortzusetzenden Verfahren daher zunächst darüber zu entscheiden haben, wer zum besonderen Kurator des Kindes bestellt wird.
In der Sache hat der Oberste Gerichtshof in mehreren älteren Entscheidungen (EvBl 1961/289 mwN) ausgesprochen, daß der Vater zu Geldleistungen für das gegen seinen Willen aus seinem Haushalt verbrachte Kind nicht verpflichtet sei. In der Entscheidung ÖA 1976, 62 hat er jedoch schon ausgeführt, die Entziehung des Unterhalts für das Kind könne kein zulässiges Mittel dafür abgeben, die mit rechtlichen Maßnahmen zu erwirkende Übergabe des Kindes in die Verpflegung des Vaters zu erzwingen. Wenngleich dies in der Entscheidung nicht ausdrücklich gesagt wird, läßt sich daraus eine abweichende Ansicht für den Fall ableiten, daß dem Vater das Kind in Pflege und Erziehung überwiesen wurde (SZ 28/112) oder wenn das Kind von der Mutter ohne Wissen des Vaters und ohne Genehmigung ins Ausland verbracht wurde und dort unbekannten Aufenthalts ist, sodaß die Unterhaltsleistung überhaupt nicht zur Deckung der Bedürfnisse des Kindes verwendet werden könnte (vgl SZ 41/106). Ähnlich hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung EF 55.967 unter Hinweis auf die Entscheidungen EF 25.587 und 28.674 ausgeführt, die Entziehung des Unterhalts für das Kind dürfe kein zulässiges Mittel dafür abgeben, die mit rechtlichen Maßnahmen zu erreichende Rückgabe des Kindes in die Verpflegung des Vaters zu erzwingen; zumindest solange eine Entscheidung über die Zuteilung der Elternrechte nicht vorliegt, dürfe der Vater für das von der Mutter - wenn auch gegen seinen Willen - außerhalb seines Haushaltes untergebrachte Kind die Unterhaltsleistung in Geld nicht mit dem Hinweis darauf verweigern, daß die Mutter ihm das Kind widerrechtlich entziehe. Von der Auffassung, die in den zuerst angeführten älteren Entscheidungen vertreten wurde, ist der Oberste Gerichtshof in der Folge auch in der Entscheidung ÖA 1994, 20 U 85 = ZfRV 1993, 255 für den Fall abgegangen, daß der obsorgeberechtigte Elternteil keinerlei Einwände gegen den Verbleib des Kindes beim anderen Elternteil erhebt. In der Entscheidung ÖA 1993 H 1, 18 U 67 hat er schließlich ausgeführt, daß sich dadurch, daß der nicht obsorgeberechtigte Elternteil gegen den Willen des anderen Elternteils das Kind betreue, grundsätzlich nichts an der sich aus § 140 Abs.2 erster Satz ABGB ergebenden Verteilung der Pflichten der Eltern zur Unterhaltsleistung ändere. Der in der Entscheidung EvBl 1961/289 vertretene Rechtssatz könne daher jedenfalls für den Fall nicht aufrechterhalten werden, daß ein gerechtfertigter Grund für den Aufenthalt des Kindes im Haushalt des nicht zur Obsorge berechtigten Elternteils vorliegt. Diesen Umstand hatte der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 1 Ob 707/83 als entscheidend angesehen.
Der erkennende Senat hat erwogen:
Auszugehen ist vom Wortlaut des § 140 ABGB. Nach dieser Bestimmung haben die Eltern zur Deckung der angemessenen Bedürfnisse des Kindes nach ihren Kräften anteilig beizutragen (Abs.1) und es leistet der Elternteil, der den Haushalt führt, in dem er das Kind betreut, dadurch seinen Beitrag (Abs.2 Satz 1). Während also der Elternteil, der das Kind betreut, von dem im § 140 Abs.2 Satz 2 ABGB geregelten Ausnahmefall abgesehen, weitere Unterhaltsleistungen nicht zu erbringen hat, ist der nicht betreuende Elternteil zu solchen Unterhaltsleistungen nach seinen Kräften verpflichtet. Das Gesetz stellt dabei nur auf die tatsächliche Betreuung des Kindes und nicht darauf ab, wem die Obsorge für das Kind zukommt (Pichler in Rummel2 Rz 9 zu § 140 ABGB). Schon das Rekursgericht hat zutreffend unter Berufung auf die Entscheidung des Landesgerichtes für ZRS Wien EF
50.410 darauf hingewiesen, daß das vom Kind nicht beeinflußbare Verhalten seiner Eltern dessen Unterhaltsanspruch nicht schmälern kann (übereinstimmend im Ergebnis auch LGZ Wien EF 53.106 sowie Schlemmer/Schwimann in Schwimann Rz 69 zu § 140). Es mag zutreffen, daß hier die Mutter des Kindes, wie dessen Vater in seinem Rekurs meint, die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs als Druckmittel für die Erlangung der Obsorge verwendet. Auch dies darf sich aber nicht zum Nachteil des Kindes auswirken, dessen Wohl allein ausschlaggebend ist.
Die Entscheidungen EvBl 1961/289 sowie ÖA 1976, 62 und die darin zitierten Entscheidungen ergingen noch zur Rechtslage vor dem KindG BGBl 1977/403, durch das § 140 ABGB die geltende Fassung erhielt. Die vorher in Kraft stehende Regelung sagte über die Bedeutung der Betreuung des Kindes nichts aus (vgl § 141 aF ABGB). Den angeführten Entscheidungen, die offensichtlich in erster Linie von Billigkeitserwägungen getragen wurden, kommt im Hinblick auf die geltende geänderte Gesetzeslage keine besondere Aussagekraft mehr zu.
Der erkennende Senat ist aus diesen Gründen in Fortführung der Gedanken, die den zur geltenden Rechtslage ergangenen Entscheidungen (ÖA 1993 H 1, 18 U 67; ÖA 1994, 20 U 85 = ZfRV 1993, 255; EF 55.967) zu entnehmen sind, der Auffassung, daß der Elternteil, in dessen Haushalt das Kind nicht betreut wird, dem Kind nach seinen Kräften auch dann Geldunterhalt zu leisten hat, wenn ihm die Obsorge für das Kind allein zukommt und sich das Kind gegen seinen Willen rechtswidrig im Haushalt des anderen Elternteils befindet. Dabei kommt es nicht darauf an, ob für den Aufenthalt des Kindes beim betreuenden Elternteil ein gerechtfertigter Grund vorliegt, weil eine solche Einschränkung dem Gesetz nicht zu entnehmen ist. Das Rekursgericht hat dem Erstgericht somit zu Recht aufgetragen, über den Antrag auf Unterhaltsfestsetzung neuerlich zu entscheiden.
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