OGH 6Ob603/95

OGH6Ob603/9528.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Zechner und Dr.Prückner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der am 28. August 1977 geborenen Tanja Ö*****, geb. S*****, infolge Revisionsrekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 5.Juli 1995, AZ 45 R 492/95 (ON 30), womit über Rekurs der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung der Beschluß des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 18.Jänner 1995, GZ 1 P 66/91-224, nunmehr 1 P 97/95, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Für die Minderjährige wurde das Amt für Jugend und Familie für den 6. und 7.Bezirk zum Unterhaltssachwalter bestellt. Die Minderjährige bezog Unterhaltsvorschüsse. Am 19.7.1994 teilte der Unterhaltssachwalter mit, daß sich die Minderjährige seit 22.6.1994 in voller Erziehung des Landes Wien im Lehrmädchenheim Nußdorf befinde. Da noch Unterhaltsrückstände und laufende Ansprüche des Landes Wien bestünden, welche zwei verschiedenen Rechtssubjekten (Kind, Land Wien) zustünden und das Land Wien als Unterhaltssachwalter des Kindes einschreiten müsse, werde der Antrag gestellt, wegen vorliegender Interessenkollision zwischen den Interessen des Landes Wien und den Interessen des Kindes einen anderen geeigneten Vertreter (Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung) als Unterhaltssachwalter für das Kind zu bestellen.

Das Pflegschaftsgericht wies diesen Antrag mit der Begründung ab, eine Interessenkollision sei nicht anzunehmen.

Das Rekursgericht gab mit Beschluß vom 14.12.1994 dem dagegen erhobenen Rekurs des Landes Wien, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie für den 6. und 7.Bezirk Folge, hob den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug diesem die Bestellung eines Kollisionskurators für die Minderjährige auf. Entgegen der in 7 Ob 506/94 vertretenen Rechtsansicht sei eine Interessenkollision zwischen dem Jugendwohlfahrtsträger als Betreiber einer eigenen Forderung und als Vertreter der Minderjährigen zur Hereinbringung von deren Unterhaltsforderungen anzunehmen.

Mit Beschluß vom 18.1.1995 enthob daraufhin das Erstgericht das Amt für Jugend und Familie für den 6. und 7.Bezirk vom Amt des Unterhaltssachwalters für die Minderjährige und bestellte die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung-Jugendabteilung zum Unterhaltssachwalter.

Das Rekursgericht wies den Rekurs der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung, soweit darin die Enthebung des Amtes für Jugend und Familie 6./7.Bezirk vom Amt des Unterhaltssachwalters für die Minderjährige bekämpft wurde, zurück. Im übrigen gab es dem Rekurs Folge und änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß die Bestellung der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung zum Unterhaltssachwalter für die Minderjährige aufgehoben und dem Erstgericht die Bestellung eines anderen (privaten) Unterhaltssachwalters aufgetragen wurde. Das Rekursgericht hielt an der bereits in der aufhebenden Entscheidung vom 14.12.1994 vertretenen Rechtsansicht einer vorliegenden Interessenkollision fest. Die aufgelaufenen Unterhaltsrückstände und die Forderungen des Landes Wien aus der (inzwischen wegen Aussichtslosigkeit wieder aufgehobenen) Heimunterbringung seien noch nicht abgedeckt. Das Land Wien sei trotz der inzwischen eingestellten Unterhaltsvorschüsse noch immer Unterhaltssachwalter der Minderjährigen, diese habe zwar in der Zwischenzeit geheiratet, stehe aber bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres nur hinsichtlich ihrer persönlichen Verhältnisse einer Volljährigen gleich, ihre vermögensrechtliche Verpflichtungs- und Verfügungsfähigkeit werde durch die Heirat nicht berührt, sodaß sie Unterhaltsansprüche nicht selbständig geltend machen könne. Da der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 6 Ob 524/95 ausgespochen habe, daß das Gesetz für einen Kollisionsfall eine Amtskuratel nicht anordne und im Sinne des § 215a ABGB das Zuständigkeitsprinzip nach dem Aufenthaltsort des Kindes verbiete, einen Jugendwohlfahrtsträger zum Vertreter eines Kindes zu bestellen, das nicht im Sprengel des entsprechenden Landes aufhältig sei, müsse die territoriale Beschränkung des Wirkungskreises von Landesvollzugsorganen beachtet werden. Die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung könne daher nicht für die im 15.Wiener Gemeindebezirk wohnhafte Minderjährige bestellt werden. Das Erstgericht habe daher einen anderen, privaten Unterhaltssachwalter zu bestellen.

Durch die Enthebung des Amtes für Jugend und Familie 6./7.Bezirk werde die Rechtsstellung der Rekurswerberin nicht berührt, insoweit sei der Rekurs mangels Beschwer als unzulässig zurückzuweisen.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zu der maßgeblichen Rechtsfrage der Interessenkollision zwischen dem Jugendwohlfahrtsträger als Gläubiger einer Ersatzforderung gegen den Unterhaltsschuldner einerseits und Sachwalter des Kindes in Unterhaltssachen andererseits noch keine Rechtsprechung vorliege. Diese Frage sei in der Entscheidung 6 Ob 524/95 offen geblieben.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien mit dem Antrag, dem Rekursgericht auch eine Entscheidung über die Enthebung des Amtes für Jugend und Familie 6./7.Bezirk aufzutragen und den Auftrag an das Erstgericht, einen anderen (privaten) Unterhaltssachwalter zu bestellen, zu beheben, in eventu das Amt für Jugend und Familie 6./7.Bezirk oder sonst einen Rechtsträger der öffentlichen Jugendwohlfahrt in Wien zum Unterhaltssachwalter zu bestellen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (zuletzt 6 Ob 584/94 mwN), daß mit der Enthebung eines Unterhaltssachwalters nach § 9 Abs.2 UVG in die Rechte des Bundes nicht eingegriffen wird. Mit der Beendigung der Sachwalterschaft gehen die noch nicht eingebrachten Unterhaltsforderungen auf den Bund über. Er tritt in schon anhängige Exekutionsverfahren ein. Im Befriedigungsrang tritt gemäß §§ 27 Abs.1, 31 Abs.3 UVG keine Verschlechterung der Rechtslage des Bundes ein. Ein Interesse an der weiteren Betreibung der Forderungen des Bundes durch den Jugendwohlfahrtsträger kann somit nur wirtschaftlicher, nicht aber rechtlicher Natur sein. Nur wenn mit der angefochtenen Entscheidung in die Rechtssphäre des Rekurswerbers eingegriffen wird, ist das für eine meritorische Behandlung des Rechtsmittels erforderliche Rechtsschutzinteresse gegeben. Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen, ohne daß auf die vom Rekursgericht als erheblich angesehene Rechtsfrage einer Interessenkollision eingegangen werden konnte.

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