OGH 7Ob589/94

OGH7Ob589/9427.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christa K*****, vertreten durch Dr.Lennart Binder, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Helga F*****, vertreten durch Dr.Wolf Schuler, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 28 Cg ***** des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 25.Februar 1994, GZ 13 R 128/93-27, womit aus Anlaß der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 14.Jänner 1993, GZ 28 Cg 298/90-20, dieses Urteil aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 21.374,90 (darin enthalten S 3.562,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Rechtsanwalt Dr.Viktor Franz P***** starb am 21.2.1982. Sein Nachlaß wurde seinem Sohn und der nunmehrigen Klägerin je zur Hälfte eingeantwortet. In einem mit 4.6.1976 und 1.10.1977 datierten, eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Testament hinterließ Dr.Viktor Franz P***** der nunmehrigen Beklagten zu Lasten des Erbteiles der nunmehrigen Klägerin ein Geldlegat. Im Verfahren 28 Cg ***** des Landesgerichtes für ZRS Wien begehrte die nunmehrige Beklagte, die nunmehrige Klägerin als eingeantwortete und mit dem Vermächtnis belastete Erbin zur Bezahlung eines Betrages von S 500.000 zu verpflichten. Die nunmehrige Klägerin machte geltend, der Verstorbene habe das Legat für die nunmehrige Beklagte von allenfalls S 500.000 auf S 50.000 reduziert, der Nachlaß sei verschuldet; ein Reinnachlaß sei noch nicht ermittelt worden und auch ermittelbar; sie hafte daher nur bis zur Höhe des anteiligen Reinnachlasses. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren in dem genannten Verfahren zur Gänze statt. Die dagegen erhobene Berufung blieb erfolglos. Das Berufungsgericht führte dazu aus, daß durch die Ergebnisse des Verlassenschaftsverfahrens keineswegs bescheinigt sei, daß die Gefahr der Unzulänglichkeit des Nachlasses zur Erfüllung des Vermächtnisses gegeben sei. Es wäre Sache der nunmehrigen Klägerin als der belasteten Erbin gewesen, konkrete Behauptungen darüber aufzustellen, aufgrund welcher Schulden und sonstiger Lasten die ihr zugekommene Nachlaßhälfte zur Bezahlung des Vermächtnisses zugunsten der nunmehrigen Beklagten nicht ausreiche und entsprechende Beweise hiefür anzubieten. Die nunmehrige Klägerin habe der ihr obliegenden Beweispflicht nicht entsprochen, weil sie nur ganz allgemein die Unzulänglichkeit des Nachlasses eingewendet und keine konkrete Behauptungen über bestimmte Schulden und Lasten, deretwegen die Verlassenschaft trotz der namhaften Aktiven nicht ausreichend wäre, aufgestellt habe. Auch eine Revision an den Obersten Gerichtshof blieb erfolglos. Dieser hielt in seiner Entscheidung vom 27.September 1990 ausdrücklich fest, daß die beweispflichtige Erbin die Unzulänglichkeit der Verlassenschaft nicht nur nicht bewiesen, sondern nicht einmal konkrete Behauptungen hiezu aufgestellt habe. Die allgemein gehaltene Behauptung einer Gefahr der Unzulänglichkeit, weil es noch nicht abgeschlossene Verfahren gebe, die die Passiven beeinflussen könnten, reiche zur Abwehr des geltend gemachten Anspruches nicht aus.

Mit ihrer am 12.12.1990 beim Landesgericht für ZRS Wien eingebrachten Klage begehrt die Wiederaufnahmsklägerin, ihr "aufgrund des Urteiles des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 26.9.1988, 28 Cg *****" die Wiederaufnahme des Verfahrens zu bewilligen und das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 26.9.1988 samt der Berufungsentscheidung 13 R 40/89 des Oberlandesgerichtes Wien und dem Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes in Wien 7 Ob 619/90 zur Gänze aufzuheben, "ein erneuertes Verfahren durchzuführen und das Klagebegehren der Klägerin kostenpflichtig abzuweisen." Sie stützt ihr Begehren auf die Bestimmung des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO und führt zur Rechtzeitigkeit aus, daß "die Rechtskraft des angefochtenen Urteiles erst mit dem Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes in Wien, 7 Ob 619/90, zugestellt am 13.11.1990, eingetreten" sei, wodurch sie "in die Lage versetzt" worden sei, "das angefochtene Urteil zu benützen". Sie brachte weiters vor, der Rechtsstreit in der Hauptsache sei nur deshalb zugunsten der Wiederaufnahmsbeklagten entschieden worden, weil die Wiederaufnahmsklägerin aufgrund der von ihr abgegebenen bedingten Erbserklärung zur Hälfte in den Nachlaß des Erblassers eingeantwortet worden sei und im Verlassenschaftsverfahren lediglich die Aktiven in der Höhe von S 4,096.352,41, nicht aber auch die Passiven veranschlagt worden seien. Die Wiederaufnahmsklägerin habe sich erst im Jänner bzw März 1988 einen "approximativen Überblick" über die Art und Höhe der Nachlaßverbindlichkeiten und erst "im Laufe der darauffolgenden Monate" die Erkenntnis der "globalen Unzulänglichkeit des Nachlasses" verschaffen können. Eine konkrete Erfassung dieser Passiven sei jedoch noch nicht möglich gewesen. Der Reinnachlaß hätte noch nicht einmal annähernd ermittelt werden können. Die Wiederaufnahmsklägerin habe zwar bereits im Vorverfahren die drohende Unzulänglichkeit des Nachlasses geltend gemacht und aus diesem Umstand die mangelnde Fälligkeit des Legates der Wiederaufnahmsbeklagten behauptet. Bei den so im Vorprozeß aktenkundig gewordenen Behauptungen handle es sich um Tatsachen, die, könnten sie unter Beweis gestellt werden, den Verfahrensausgang entscheidend zu ihren Gunsten verändern können. Sie sei ohne ihr Verschulden erst jetzt in der Lage, über den gemachten Einwand hinaus auch Einzelheiten über den sich mittlerweile ergebenden Vermögensstand ihrer Nachlaßhälfte schriftlich darzutun. Sie verwies dabei auf eine der Klage als Beilage angeschlossene "Aufstellung über vorläufig festgestellte Aktiven und Passiven der Nachlaßhälfte Christa K*****", woraus sich ein "vorläufiger Passivstand" von S 3,327.024,28 ergab.

Die Beklagte bestritt sowohl die Rechtzeitigkeit als auch das Vorliegen der behaupteten Gründe für eine Wiederaufnahme des Verfahrens und beantragte die Abweisung der Klage. Die Klägerin hätte im Vorprozeß detaillierte Angaben machen können, habe aber nur vage Behauptungen aufgestellt, anstatt eine Aufstellung der von ihr behaupteten Nachlaßpassiven vorzulegen. Die nunmehr der Klage beigelegte Aufstellung entspreche nicht den Tatsachen.

Das Erstgericht wies nach mündlicher Verhandlung das Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen fest, daß für die Klägerin keine Schwierigkeiten bestanden hätten, in die Akten des vom Verlassenschaftsgericht bestellten Verlassenschaftskurators Dr.Hans W***** Einsicht zu nehmen. Der Klägerin seien sämtliche in der der Wiederaufnahmsklage angeschlossenen Aufstellung angeführten Positionen, seien es Aktiven oder Passiven, soweit es sich tatsächlich um Nachlaßaktiven oder -passiven handle, zum 10.Juni 1988 bekannt gewesen oder hätten ihr zumindest bekannt sein müssen, weil alle diese Positionen entweder aus den Forderungsanmeldungen der Gläubiger zum 20.12.1983 oder aus dem Inventurprotokoll, bei deren Aufnahme die Klägerin zugegen war, oder aus Prozessen, an denen die Klägerin beteiligt war, ersichtlich gewesen seien. Die Klägerin habe im Vorprozeß nur ganz vage Angaben gemacht, obwohl sie bis zum Schluß der Verhandlung am 10.6.1988 in der Lage gewesen wäre, eine Aufstellung über die von ihr behaupteten Nachlaßpassiven vorzulegen.

Das Erstgericht folgerte daraus, daß die Wiederaufnahmsklage einerseits verspätet sei, andererseits der Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO nicht vorliege.

Mit dem angefochtenen Beschluß hob das Berufungsgericht aus Anlaß der von der Wiederaufnahmsklägerin erhobenen Berufung das erstgerichtliche Urteil auf, erklärte das in erster Instanz durchgeführte Verfahren für nichtig und wies die Wiederaufnahmsklage zurück. Dem Klagebegehren mangle es am notwendigen Inhalt im Sinn des § 536 ZPO. Die Klägerin habe zwar den gesetzlichen Anfechtungsgrund durch die Bezugnahme auf § 530 Abs 1 Z 7 ZPO bezeichnet, doch unterlassen, jene Umstände anzugeben, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist für die Klage ergäbe und die hiefür vorhandenen Beweismittel zu bezeichnen. Die Wiederaufnahmsklägerin habe zur Rechtzeitigkeit ihres Begehrens auf das Datum der Zustellung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes über ihre Revision im Hauptprozeß verwiesen. Dieser Zeitpunkt sei für die nach § 534 Abs 2 Z 4 zweiter Fall ZPO zu berechnenden Notfrist ohne Bedeutung. Das vage Vorbringen der Klägerin, ihr sei erst im Jänner 1988 bzw im Laufe der darauffolgende Monate die globale Unzulänglichkeit des Nachlasses bekannt geworden, sei nicht geeignet, die Einhaltung der Notfrist darzutun. Auch die bloße Behauptung, die Klägerin sei ohne ihr Verschulden erst jetzt in der Lage, über den gemachten Einwand hinaus auch Einzelheiten über den sich mittlerweile ergebenden Stand ihrer Nachlaßhälfte auch schriftlich darzutun, reiche zur Erfüllung der Behauptungspflicht der Wiederaufnahmsklägerin nicht hin. Es fehlten im Hinblick auf den Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz des Hauptprozesses am 10.6.1988 alle Tatsachenangaben, aus denen sich ergäbe, warum die Klägerin kein Verschulden am so verspäteten Vorbringen treffe. Prozessuale Fehler im Vorprozeß könnten im Wege der Wiederaufnahmsklage nicht berichtigt werden.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht die Fortsetzung des Berufungsverfahrens aufzutragen.

Die Beklagte beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurswerberin behauptet in ihrem Rechtsmittel neuerlich, daß ihre Klageschrift alle gemäß § 536 ZPO notwendigen Inhaltserfordernisse enthalten habe, weil der gesetzliche Anfechtungsgrund mit § 530 Abs 1 Z 7 ZPO bezeichnet und zur Rechtzeitigkeit darauf verwiesen worden sei, daß sie erst mit Rechtskraft der Entscheidung des Vorprozesses in die Lage versetzt worden sei, das erstgerichtliche Urteil zu benützen.

Der Rekurswerberin ist zwar zuzubilligen, daß sie sich ausdrücklich auf das Vorliegen des Wiederaufnahmsgrundes nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO gestützt hat; doch ist daraus für sie nichts gewonnen.

Nach § 536 ZPO muß die Wiederaufnahmsklage nicht nur die Bezeichnung des gesetzlichen Anfechtungsgrundes, sondern nach dessen Ziffer 3 auch die Angabe der Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist für die Klage ergibt und die Bezeichnung der hiefür vorhandenen Beweismittel enthalten. Nach § 534 Abs 1 ZPO ist die Wiederaufnahmsklage binnen der Notfrist von vier Wochen zu erheben. Für den hier geltend gemachten Wiederaufnahmstatbestand des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO errechnet sich die Notfrist nach § 534 Abs 2 Z 4 ZPO von dem Tage an, an dem die Partei imstande war, die ihr bekannt gewordenen neuen Tatsachen und Beweismittel bei Gericht vorzubringen. Die Rekurswerberin nimmt in ihrer Klage, aber auch in ihrem Berufungsvorbringen und in den Rekursbehauptungen offensichtlich auf den ersten Fall des § 534 Abs 2 Z 4 ZPO Bezug, wonach die Notfrist zur Erhebung der Wiederaufnahmsklage im Falle des § 530 Abs 1 Z 6 ZPO (Auffinden oder Benützbarwerden einer früheren rechtskräftigen Entscheidung über denselben Anspruch oder über dasselbe Rechtsverhältnis) von dem Tage an berechnet wird, an welchem die Partei imstande war, die rechtskräftige Entscheidung zu benützen. Mit der Rechtskraft der Entscheidung des Vorprozesses hat diese Bestimmung nichts zu tun. Geht aber die Rekurswerberin sowohl in der Klage, als auch in ihren Rechtsmittelschriften offensichtlich davon aus, die Notfrist des § 534 ZPO sei dann gewahrt, wenn die Wiederaufnahmsklage innerhalb von vier Wochen nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung im wiederaufzunehmenden Verfahren bei Gericht eingebracht werde, dann ist sie der ihr obliegenden Behauptungs- und Beweislast, die gesetzliche Frist eingehalten zu haben (§ 536 Z 3 ZPO), in keiner Weise nachgekommen. Zudem hat die Wiederaufnahmsklägerin im Falle der Wiederaufnahmsgründe nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO zu behaupten und zu beweisen, daß sie kein Verschulden daran trifft, die nun geltend gemachten Tatsachen oder Beweise nicht schon im Vorprozeß vorgebracht zu haben (Kodek in Rechberger Rz 1 zu § 538; Fasching IV 520 und Rz 2067). Das Beharren auf der unrichtigen Rechtsansicht, die Notfrist des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO beginne erst ab Rechtskraft der Entscheidung im wiederaufzunehmenden Verfahren, stellt aber ein schon im Vorprüfungsverfahren zu berücksichtigendes Verschulden im Sinn des § 530 Abs 2 ZPO dar. In diesem Falle ist die Klage im Vorprüfungsverfahren zurückzuweisen (JBl 1979, 268; JBl 1993, 126).

Die Aufhebung des Ersturteiles und die Zurückweisung der Klage erweist sich daher als richtig.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO.

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