OGH 13Os127/95(13Os128/95)

OGH13Os127/95(13Os128/95)20.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.September 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Tschugguel als Schriftführer, in der Medienrechtssache des Antragstellers Anton L***** gegen die Antragsgegnerin ***** Verlagsges.m.b.H. & Co KG wegen § 7 b Abs 1 MedienG über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Urteile des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 26.August 1994, GZ 9 b E Vr 2308/94-12, und des Oberlandesgerichtes Wien vom 19.April 1995, AZ 24 Bs 24/95, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr.Bierlein, und des Antragsgegnervertreters Dr.Fiebinger jedoch in Abwesenheit des Vertreters des Antragstellers zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Medienrechtssache des Antragstellers Anton L***** gegen die Antragsgegnerin ***** VerlagsGesmbH & Co KG verletzen die Urteile des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 26.August 1994, GZ 9 b E Vr 2308/94-12, und des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 19. April 1995, AZ 24 Bs 24/95, § 8 a Abs 2 MedienG.

Die bezeichneten Urteile werden aufgehoben und es wird in der Sache selbst erkannt:

Das Verfahren des Antragstellers Anton L***** gegen die Antragsgegnerin ***** ZeitungsverlagsGesmbH & Co KG als Medieninhaberin auf Zuerkennung einer Entschädigung gemäß §§ 7 a und 7 b MedienG, AZ 9 b E Vr 2308/94 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, wird eingestellt.

Gemäß §§ 390 Abs 1, 390a StPO, § 8 a Abs 1 MedienG hat der Antragsteller der Antragsgegnerin alle durch seinen Antrag verursachten Kosten zu ersetzen.

Text

Gründe:

Am 28.Februar 1994 gab Anton L***** als Antragsteller einen Antrag gegen die Antragsgegnerin ***** VerlagsGesmbH & Co KG als Medieninhaberin gemäß §§ 7 a (Abs 1 Z 2) und 7 b (Abs 1) MedienG im selbständigen Verfahren an das gemäß §§ 8 a Abs 2, 41 Abs 2 MedienG zuständige Landesgericht für Strafsachen Wien zur Post, der beim bezeichneten Gericht am 1.März 1994 einlangte (ON 1 der erstgerichtlichen Akten).

Der Antragsteller sah sich durch einen in der Ausgabe des Tageszeitung "N*****" am 31.August 1993 erschienenen, auch auf seine Person bezogenen Artikel in seinen Rechten auf Schutz der Bekanntgabe seiner Identität und der Unschuldsvermutung verletzt.

Mit Urteil vom 26.August 1994 trug der Einzelrichter dieses Gerichtes der Antragsgegnerin gemäß § 7 b Abs 1 MedienG (unter ausdrücklicher Ablehnung des Bestehens eines Anspruches nach § 7 a MedienG zufolge des Ausschlußgrundes nach § 7 a Abs 3 Z 2 leg cit) die Leistung eines Entschädigungsbetrages von 20.000 S an den Antragsteller sowie den Ersatz der Verfahrenskosten auf (ON 12). Dem von der Antragsgegnerin schon in der Hauptverhandlung am 6.Mai 1994 vorgebrachten Einwand der (subjektiven) Verjährung (S 18) wurde nicht gefolgt. Die sechsmonatige Frist des § 8 a Abs 2 MedienG sei als verfahrensrechtliche durch die Postaufgabe des Entschädigungsantrages am letzten Tag der Frist gewahrt.

Der von der Antragsgegnerin dagegen erhobenen (nur im Punkte der Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 9 lit b iVm §§ 489 Abs 1, 468 Abs 1 StPO ausgeführten) Berufung gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 19.April 1995, AZ 24 Bs 24/95 (ON 19), nicht Folge. Die Frist des § 8 a Abs 2 MedienG sei entgegen der Meinung des Erstgerichtes zwar eine materiellrechtliche Präklusivfrist, im Hinblick auf § 8 a Abs 1 MedienG sei sie jedoch unter Beachtung der Vorschriften des § 6 StPO zu berechnen, weswegen das bekämpfte Urteil im Ergebnis rechtsrichtig von der Rechtzeitigkeit der Antragsstellung ausgehe.

Rechtliche Beurteilung

Wie der Generalprokurator in seiner gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zu Recht ausführt, verletzen beide bezeichneten Urteile das Gesetz.

Im Rahmen der Vorschriften über den Persönlichkeitsschutz gewährt das MedienG jeweils den durch eine Medienveröffentlichung Betroffenen unter verschiedenen Voraussetzungen Ansprüche auf Entschädigung für eine dadurch erlittene Kränkung (§§ 6 Abs 1, 7 Abs 1, 7 a Abs 1 und 7 b Abs 1 MedienG). Ansprüche solcher Art, die bereits nach dem Mediengesetz 1981 in der Fassung BGBl 1981/314, bei Medieninhaltsdelikten im Fall der üblen Nachrede, Verspottung oder Verleumdung (§ 6 Abs 1) sowie bei bloßstellender Erörterung oder Darstellung des höchstpersönlichen Lebensbereiches des Betroffenen (§ 7 Abs 1) zustehen, wurden vom Gesetzgeber als besondere zivilrechtliche Schadenersatzansprüche gestaltet, an deren Natur sich auch nichts ändert, weil über sie ein Strafgericht nach den Bestimmungen der StPO zu entscheiden hat. Diese Schadenersatzansprüche sind lediglich insoferne eigenständig, als auf sie nicht insgesamt die allgemeinen Regeln des Schadenersatzrechtes angewendet werden können, wie sie etwa weder den Nachweis eines Verschuldens noch einer bestimmten Schadenshöhe erfordern. Damit soll vorrangig ein immaterieller Schaden abgegolten werden, darüber hinausgehende andere zivilrechtliche Ersatzansprüche (zB nach § 1330 ABGB) bleiben unberührt und sind nach den sie betreffenden gesetzlichen Regelungen zu beurteilen (Hartmann-Rieder, KommzMedienG, Anm I. zu § 6; JAB 1981, S 5, 6, 7, alle Materialien hier und in der Folge bei Foregger-Litzka, MedienG3, MTA, hier S 41 und 43 sowie Erl I zu § 6; Leukauf-Steininger, Strafrechtliche NebenG2, F 6 zu § 6 MedienG).

Die Ansprüche auf eine Entschädigung für erlittene Kränkungen wurden mit den durch die Mediengesetznovelle 1992 (BGBl 1993/20) neu geschaffenen §§ 7 a und 7 b MedienG ausgeweitet, wobei der Gesetzgeber konsequent den bereits in §§ 6 und 7 MedienG eingeschlagenen Weg auf Gewährung eines zivilrechtlichen Schadenersatzanspruches weiter verfolgte und ausdrücklich darauf hinwies, daß er dabei der Regelungstechnik der §§ 6 und 7 MedienG gefolgt ist, sowie ein reines Schadenersatzmodell für zweckmäßig erachtete (Foregger-Litzka, aaO, siehe insbes S 44, 46, 62, 68, 82). Auch die in den §§ 7 a und 7 b MedienG statuierten Entschädigungen gewähren somit einen besonderen zivil(materiell)rechtlichen Schadenersatzanspruch (Foregger-Litzka, aaO, Erl I jeweils zu §§ 7 a und 7 b). Mangelt es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung ist die Natur des jeweiligen Anspruches auch von Einfluß auf die für den Fall seines Verlustes geltenden Fristen.

Nach § 8 a Abs 2 MedienG (der ebenfalls durch die Mediengesetznovelle 1992 zur eigenständigen Regelung des selbständigen Entschädigungsverfahrens in das Mediengesetz eingefügt wurde) muß ein solcher selbständiger Antrag (auf Entschädigung nach §§ 6, 7, 7 a oder 7 b MedienG; siehe § 8 Abs 1 leg cit) bei sonstigem Verlust des Anspruches binnen sechs Monaten nach Beginn der dem Anspruch zugrunde liegenden Verbreitung bei dem nach § 41 Abs 2 MedienG zuständigen Strafgericht eingebracht werden. Das Mediengesetz enthält jedoch keine Regelung, wie diese Frist zu berechnen ist.

Der Beginn einer Frist fällt (sowohl nach den materiellen und formellen Vorschriften des Straf- bzw Zivilrechts, vgl § 68 StGB, § 6 Abs 1 StPO; § 902 Abs 1 und 2 ABGB, § 125 Abs 1 ZPO) auf den dem fristauslösenden Ereignis nachfolgenden Tag. Ihr Ende wird im Gesetz jedoch unterschiedlich behandelt.

Fristen des materiellen Rechts enden nach dem inhaltlich mit § 902 Abs 1 und 2 ABGB übereinstimmenden § 68 StGB grundsätzlich mit dem Ablauf ihres letzten Tages, der Postenlauf wird dabei miteinbezogen (Mayerhofer-Rieder, StGB4 E 3, Foregger-Kodek, StGB5, Erl; zu § 68).

Verfahrensrechtliche Fristen unterliegen hingegen der Regelung des § 6 Abs 3 StPO (EvBl 1994/20 und 139; 14 Os 107/94), derzufolge die Tage des Postenlaufes nicht in die Frist eingerechnet werden (Mayerhofer-Rieder, StPO3 E 1, Forreger-Kodek, StPO6, Erl I; je zu § 6) bzw jener des § 89 Abs 1 GOG.

Auch die besondere Verfolgungsfrist für Privatanklagedelikte von sechs Wochen nach § 46 Abs 1 StPO ist seit Inkrafttreten des Strafprozeßanpassungsgesetzes BGBl 1974/423 eine in der Strafprozeßordnung geregelte Frist, auf die jedenfalls (arg: eine "in diesem Gesetz bestimmte Frist", § 6 Abs 1 StPO) § 6 Abs 3 StPO über die Nichteinrechnung des Postenlaufes anzuwenden ist (Foregger-Kodek, StGB5, Erl, und Leukauf-Steininger, Komm3 RN 1; je zu § 68; Foregger-Kodek StPO6 § 46 Erl IV, mag sie auch wesensmäßig, wie vereinzelt [Brauneis MR 3/92 110 f] behauptet, eine materiellrechtliche Ausschlußfrist sein; vgl abermals 14 Os 107/94).

Daß eine Frist (wie hier jene des § 8 a Abs 2 MedienG) nicht in der Strafprozeßordnung bestimmt ist, schließt an sich nicht aus, auf sie § 6 Abs 3 StPO sinngemäß anzuwenden. Eine analoge Anwendung ist allerdings nur für die Berechnung des Ablaufes verfahrensrechtlicher Fristen zulässig, nicht aber für solche des materiellen Rechtes, für die (siehe oben) ausdrücklich insoweit abweichende Vorschriften bestehen. Auch aus dem vom Berufungsgericht herangezogenen § 8 a Abs 1 MedienG geht diese Einschränkung hervor; gelten danach doch nur für das Verfahren über einen selbständigen Antrag (nach § 8 Abs 1 letzter Satz MedienG) die Bestimmungen für das strafgerichtliche Verfahren auf Grund einer Privatanklage dem Sinn nach (soweit im Mediengesetz nicht anderes bestimmt ist). Von der Regelung des § 6 Abs 3 StPO sind daher in diesen Verfahren nur jene Fristen betroffen, die im Laufe des bereits anhängigen Verfahrens in Gang gesetzt werden, nicht aber jene materiellrechtlicher Natur, innerhalb derer das Verfahren erst in Gang gesetzt werden muß, um den Anspruch erfolgreich geltend machen zu können (siehe entsprechend SZ 19/336).

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes ist somit die Frist für die Antragstellung nach § 8 a Abs 2 MedienG (ungeachtet des Hinweises auf das selbständige Entschädigungsverfahren in der Überschrift zu § 8 a MedienG) nicht eine solche des Verfahrensrechtes, sondern, wie oben ausführlich dargestellt, eine solche materiellrechtlichen Charakters. Bei den (nunmehr erweiterten) Entschädigungsansprüchen nach §§ 6 ff MedienG steht (anders als bei der jeweils mit sechs Wochen befristeten Ausübung der prozessualen Parteienrechte nach § 46 Abs 1 StPO und nach §§ 14, 16, 20 und 33 Abs 2 ff MedienG) die zeitliche Beschränkung eines zivilrechtlichen Entschädigungsanspruches (nach Art der Verjährung einer Schadenersatzforderung) im Vordergrund.

Dies ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialien. Dadurch, daß der Entschädigungswerber seinen Anspruch verliert, wenn er ihn nicht fristgerecht geltend macht, wurde klargestellt, daß es sich bei der gegenständlichen Frist (wie das Oberlandesgericht Wien auch durchaus zutreffend erkannte) ihrem Wesen nach um eine materiellrechtliche Ausschlußfrist handelt (RV 1992, Foregger-Litzka, aaO, S 90) wie bei anderen zivilrechtlichen Schadenersatzansprüchen (neuerlich Foregger-Litzka, aaO Erl I je zu §§ 7 a und 7 b) auch. Schadenersatzklagen aber müssen innerhalb der Verjährungsfrist des materiellen Rechtes bereits bei Gericht eingelangt sein (MGA ABGB34 § 1489 E 1).

Daß der Gesetzgeber gerade dies bedacht und gewollt hat, ergibt auch ein Vergleich der einschlägigen Bestimmungen des § 8 Abs 1 letzter Satz in der Fassung vor der Mediengesetznovelle 1992 mit § 8 a Abs 2 erster Satz MedienG. Vor der genannten Novelle mußte nämlich der zur Einleitung des selbständigen Verfahrens nötige Antrag binnen sechs Monaten nach Beginn der dem Anspruch zugrunde liegenden Verbreitungsfrist eingebracht werden. In eindeutiger Weise war damit auf eine Verfahrenshandlung des Betroffenen abgestellt worden. Nunmehr jedoch muß der Anspruch innerhalb dieser Frist bei dem nach § 41 Abs 2 MedienG zuständigen Gericht geltend gemacht werden (RV 1992; 14, 15), womit der materiellrechtliche Ursprung der Entschädigung und damit auch der Charakter eines den Verlust des Ersatzgrundes herbeiführenden Fristablaufes besonders hervorgehoben und zugleich die dafür geltende allgemeine materiellrechtliche Regelung des Fristablaufes bestimmt ist. Die ausdrücklich auf das Verfahren für den selbständigen Antrag beschränkte Vorschrift des § 8 a Abs 1 MedienG (über die subsidiäre sinngemäße Anwendung der Bestimmungen für das Verfahren auf Grund einer Privatanklage) gilt daher nicht, hat doch der Gesetzgeber die Regelung über den Anspruchsverlust durch Fristablauf von jener des Abs 1 über die analoge Anwendung der Verfahrensvorschriften für Privatanklagen gelöst und gesondert in die davon abweichenden Bestimmungen des Abs 2 leg cit aufgenommen.

Da die sechsmonatige Frist des § 8 a Abs 2 MedienG nicht zu den im Sinne des § 6 Abs 1 StPO in diesem Gesetz bestimmten Fristen zählt, versagt auch der Hinweis des Oberlandesgerichtes auf die Entscheidung 14 Os 107/94. Diese geht nämlich davon aus, daß die Regelung des § 6 Abs 3 StPO (nur) dann auf materiellrechtliche Fristen anzuwenden ist, wenn sie die Voraussetzungen des § 6 Abs 1 erfüllen, also in der StPO angeführt sind.

Der Entschädigungsantrag hätte daher innerhalb der (spätestens, siehe das Vorbringen über den Verbreitungsbeginn S 18 und ON 7, am 1. September 1993 in Gang gesetzten und mit Ablauf des 28.Februar 1994, des Postaufgabetages, verstrichenen) Ausschlußfrist bereits beim zuständigen Landesgericht für Strafsachen Wien einlangen müssen, um rechtzeitig zu sein.

Das Landesgericht für Strafsachen Wien hat es also in Verkennung der Verspätung dieses Antrags verabsäumt, das Verfahren sogleich nach § 485 Abs 1 Z 6 StPO, § 41 Abs 5 MedienG einzustellen (§ 8 a Abs 2 MedienG). Sein Urteil sowie das dieses im Ergebnis bestätigende des Oberlandesgerichtes Wien sind somit verfehlt.

Zur Beseitigung der Benachteiligung des Antragsgegners (dem auch hier, wie für das Gegendarstellungsverfahren im § 14 Abs 3 erster Satz MedienG ausdrücklich normiert, die Rechte des Beschuldigten zukommen, vgl § 8 Abs 3 erster Satz MedienG aF) war durch den Obersten Gerichtshof in der Sache selbst wie im Spruch zu erkennen (§ 292 letzter Satz StPO).

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