Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagenden Parteien haben die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig, die beklagte Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Erstklägerin ist Verlegerin der Tageszeitungen "Kurier" und "Neue Kronen Zeitung"; die Zweitklägerin ist persönlich haftende Gesellschafterin der Erstklägerin. Die Beklagte ist Verlegerin der Tageszeitung "täglich Alles".
In der Ausgabe von "täglich Alles" vom 27.3.1994 war in der Rubrik "Fenstergucker" der Artikel von Gerd L***** "Unsere Pensions-Millionäre liefen zu Gericht" abgedruckt. Darin erwähnte der Autor die Berichte dieser Zeitung über "die horrenden Pensionsansprüche der Herren Vranitzky, Klestil und Fischer", die daraufhin bei Gericht auf Unterlassung geklagt hätten. Anschließend daran hieß es:
"Das Volk wird den drei Herren bei den nächsten Wahlen ein Zeugnis ausstellen - und zwei Zeitungen, die schadenfroh über die Politiker-Aktion gegen unser Blatt berichteten, haben dieses Volks-Zeugnis schon in dieser Woche erhalten: Laut brandneuer Media-Analyse haben "Krone" und "Kurier" im letzten Jahr zusammen mehr als 300.000 Leser verloren, während "täglich ALLES" innerhalb kurzer Zeit zur Millionen-Zeitung wuchs."
In derselben Ausgabe wurde auf Seite 3 unter der Überschrift "Liebe Leser!" über den Erfolg von "täglich ALLES" berichtet. Darin war ua zu lesen:
" ... Schon am 31.Jänner 1988 jubelte die 'Kronen-Zeitung' darüber, den fast 3,000.000sten Leser gewonnen zu haben, inzwischen ist das Blatt auf 2,536.000 abgesunken. ..."
In "täglich Alles" vom 4.9.1994 erschien folgender Artikel:
"Kronen Zeitung:
Chronischer Leserschwund.
Bereits die Media-Analyse 1993 (MA 93) brachte es an den Tag: Die Zahl der 'Kronen Zeitung'-Leser wird kleiner. Jetzt veröffentlichte das Linzer IMAS-Institut im Rahmen der Österreichischen Verbraucheranalyse (ÖVA) die Zahl der Zeitungsleser für das Frühjahr 1994. Für die 'Kronen Zeitung' brachte das einen neuerlichen Leserschwund. Die Reichweite ging von 45,3 Prozent auf 44,2 Prozent zurück. Dies entspricht auf der Basis der MA-Bevölkerungsdaten einem Verlust von 71.000 Lesern. Die Zahl der "täglich Alles"-Leser wurde von IMAS für das Frühjahr 1994 mit 1,248.000 (Basis der MA-Bevölkerungsdaten) errechnet.
Diese Leserzahl erreichte 'täglich ALLES' innerhalb von nicht einmal zwei Jahren."
Der Bericht der "Neuen Kronen Zeitung" vom 31.1.1988 über ihre Leserzahl hatte auf einer Studie des IMAS-Institutes beruht. Die in "täglich Alles" vom 27.3.1994 genannte Anzahl der Leser von 2,536.000 stützte sich auf Daten der Media-Analyse 1993. Beide Untersuchungen werden nach verschiedenen Methoden durchgeführt und sind nicht unmittelbar miteinander vergleichbar, zumal auch die Grundlagen (die Zahl der erfaßten Österreicher) nicht identisch sind. In der Einleitung zur MA 93 steht unter der Überschrift "Wichtige Hinweise":
"Es wird ausdrücklich davor gewarnt, die Ergebnisse der MA mit denen anderer Studien zu vergleichen, da dies uneingeschränkt unzulässig ist und zu krassen Fehlurteilen bzw Fehleinschätzungen führen kann."
Vergliche man die Zahl der Leser der "Neuen Kronen Zeitung" laut Media-Analyse 1988 (2,592.000) mit derjenigen des Jahres 1993 (2,536.000), läge der so ermittelte Leserzahlenverlust jedenfalls weit unter der von der Beklagten unter Berufung auf Marktforschungsergebnisse behaupteten Differenz von mehr als 460.000 Lesern, nämlich nur bei 56.000.
In den Anmerkungen zur Media-Analyse 93, 1. Halbjahr, stand unter Punkt 4:
"Es ist unzulässig, von einer Steigerung oder einem Rückgang zu sprechen oder zu behaupten, man habe eine größere Reichweite als ein anderes Medium, wenn die Veränderungen oder der Abstand zum anderen Medium (bezogen auf die gleiche Periode) nicht statistisch signifikant sind ."
Auf Seite 2 des IMAS-Reports von August 1994 lautete der letzte Absatz:
"Der Relaunch des Kurier fand nach einem Jahr in einem Zuwachs von 0,3 % seinen Niederschlag, der sich im Vergleich zum Presse-Gewinn zweifellos etwas bescheiden ausnimmt. Immerhin mußten die unmittelbaren Konkurrenzblätter, nämlich Kronen Zeitung und täglich Alles, im Beobachtungszeitraum Einbußen hinnehmen. In diesem Zusammenhang ist allerdings anzumerken, daß auflagenstarke Titel mit überwiegendem Straßenverkauf ganz allgemein anfälliger für Reichweitenschwankungen sind als kleinere Medien."
Demnach unterliegen Printmedien allgemein gewissen Reichweitenschwankungen, die ua von der Auflagenstärke der Druckschriften abhängen. Die Genauigkeit und Qualität statistischer Untersuchungen hängt - wie auch in Punkt 6 der MA 93, 1. Halbjahr, angeführt - von der Größe der Ausgangszahl und der Fallzahl ab, welche aber zwischen den Untersuchungen der einzelnen Institute sowie der verschiedenen Untersuchungszeiträume variieren. Es existiert daher bei allen statistischen Untersuchungen, welche ja vom erfaßten (prozentuell geringen) Bevölkerungsteil auf Gesamtzahlen hochrechnen, eine statistische Schwankungsbreite, innerhalb derer das Ergebnis nicht als absolut zuverlässig angesehen werden kann. Insbesondere ist die Hochrechnung auf eine ziffernmäßige Gesamtzahl nur dann als zuverlässig anzusehen, wenn diese Gesamtzahl mit der Obergrenze und mit der Untergrenze, welche die statistische Schwankungsbreite ergibt, als Rahmen angegeben wird.
Mit dem von der (nunmehrigen) Erstklägerin erwirkten Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 30.4.1991, 10 Cg 9/91-15, war die Beklagte schuldig erkannt worden, "es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, Vergleiche hinsichtlich der Veränderungen von Leserzahlen periodischer Druckschriften, die von der beklagten Partei herausgegeben werden und/oder in ihrem Eigentum stehen und periodischer Druckschriften, die von der klagenden Partei verlegt werden, zu ziehen und diese Vergleiche zu veröffentlichen, insbesondere wenn unter Berufung auf Marktforschungsstudien, insbesondere Ergebnisse der 'Optima'-Erhebungen, Veränderungen an Leserzahlen behauptet werden, die nach diesen Marktforschungsstudien nicht bestehen."
Grundlage dieses Urteiles war eine auf der Titelseite der Wochenzeitschrift der Beklagten vom 22.2.1990 gebrachte grafische Darstellung der Leserzahlen von fünf Zeitungen - darunter der Zeitschrift der Beklagten und der Tageszeitungen der Erstklägerin - sowie von deren Veränderungen.
Die Klägerinnen begehren zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes
a) in verschiedenen Reichweitenuntersuchungen ausgewiesene Leserzahlen der von den Klägerinnen verlegten Druckschriften, insbesondere der periodischen Druckschriften "Kurier" und "Neue Kronen Zeitung", miteinander zu vergleichen und daraus einen Leserverlust der von den Klägerinnen verlegten Druckschriften unter Berufung auf diese Untersuchungen zu interpretieren und zu veröffentlichen, wenn ein derartiger Vergleich nach den von der Beklagten angeführten Untersuchungen, insbesondere wegen der Möglichkeit eines krassen Fehlurteiles, untersagt ist und/oder die unterschiedlichen Ergebnisse der Untersuchungen innerhalb statistischer Schwankungsbreiten liegen und daher nicht signifikant sind;
b) einen Leserzahlenverlust von durch die Klägerinnen verlegten periodischen Druckschriften zu behaupten, wenn infolge der statistischen Schwankungsbreiten die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden kann, daß der tatsächliche Leserzahlenverlust deutlich geringer als der behauptete, beispielsweise nur 50 % des behaupteten Leserzahlenverlustes, ist.
Die von der Beklagten - in Wettbewerbsabsicht - aufgestellten Behauptungen über Leserzahlenverluste von "Kurier" und "Neuer Kronen-Zeitung" seien unwahr und könnten aus der bezogenen Untersuchung nicht abgeleitet werden. Der Urteilsspruch zu 10 Cg 9/91 des Handelsgerichtes Wien erstrecke sich lediglich auf Leserzahlenvergleiche von Medien der Beklagten mit solchen der Erstklägerin, nicht aber auf die hier beanstandeten Behauptungen von Leserzahlenveränderungen bei Medien der Klägerinnen. Das Rechtsschutzinteresse der Klägerinnen sei daher zu bejahen.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Den Klägerinnen fehle das Rechtsschutzinteresse, weil sie über einen zumindest gleichwertigen Unterlassungstitel verfügten, auf Grund dessen sie schon Exekution führten. Die beanstandeten Behauptungen seien überdies nicht geeignet, den Wettbewerb zu beeinflussen; es fehle auch die Wettbewerbsabsicht. Es handle sich um redaktionelle Beiträge und nicht um eine Werbeeinschaltung. Für redaktionelle Veröffentlichungen müsse es genügen, daß sie - wie es hier der Fall sei - wahr sind. Jedes darüber hinausgehende Verlangen widerspräche Art 10 MRK.
Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag statt. Die beanstandeten Textstellen seien Äußerungen wettbewerblichen Charakters. Die Hervorhebung von Leserzahlenverlusten der Klägerinnen sei geeignet, deren Betrieb zu schädigen und in einem ungünstigen Licht darzustellen. Für die Wettbewerbsabsicht der Beklagten spreche auch, daß diese den eingetretenen Reichweitenverlust von "täglich Alles" verschweige und nur die verbliebene Gesamtleserzahl wiedergebe. Daß die Veröffentlichungen redaktionell gestaltet sind, ändere nichts daran, daß an sie die im Wettbewerbsrecht entwickelten Kriterien und Maßstäbe anzulegen seien; vielmehr müßten sogar strengere Maßstäbe angewendet werden, weil der Leser redaktionellen Veröffentlichungen mehr Glauben schenke als Werbeeinschaltungen, die ja als solche gekennzeichnet seien und daher auch als solche gelesen würden. Die beanstandeten Texte seien geeignet, den eigenen Wettbewerb der Beklagten zu fördern, auch wenn in der hier geltend gemachten Form kein unmittelbarer Vergleich mit der Beklagten hergestellt werde. Darin liege auch das Rechtsschutzinteresse der Klägerinnen daran, einen Titel auf Unterlassung unzutreffender Behauptungen über die Veränderungen der Anzahl von Lesern ihrer eigenen Medien zu erlangen. Dieser Anspruch sei nicht schon durch das Urteil zu 10 Cg 9/91 erfaßt, weil sich dieses nur auf Leserzahlenvergleiche zwischen Medien der Beklagten und solchen der Klägerinnen erstrecke.
Zumindest einem nicht unerheblichen Teil der Leser von "täglich Alles" sei die eingeschränkte Aussagekraft statistischer Daten sowie das Bestehen einer Schwankungsbreite oder gar ihrer Dimensionen unbekannt. Das gelte umsomehr, wenn konkrete Ziffern angegeben werden, die - entgegen rein statistischen Prozentsätzen - dem Leser ein plastisches Bild, einen Eindruck von den Auswirkungen und der Bedeutung statistischer Prozent-Sätze verschafften und dadurch viel stärker den Eindruck, eine konkrete zuverlässige Tatsache und nicht bloß annähernde Schätzungen vor sich zu haben, vermittelten. Es sei daher zur Irreführung geeignet, einem laienhaften und nicht regelmäßig mit der Behandlung statistischer Daten befaßten Publikum nicht bloß den Rahmen der statistischen Schwankungsbreite, sondern exakte Ziffern anzugeben, ohne darauf hinzuweisen, daß diese Ziffern unzuverlässig sind. Das gelte insbesondere für den Artikel vom 4.9.1994, der den Eindruck erwecke, daß der angeführte Reichweitenverlust sei in seinem Umfang signifikant sei, weil dem Leser nicht das gleiche Wissen vermittelt wird wie den Lesern der ÖVA (IMAS-Report) oder der Media-Analyse, nämlich Informationen über Schwankungsbreiten und Faktoren, welche die Genauigkeit von Statistiken allgemein beeinflußten. Weder die Behauptung vom 4.9.1994, daß ein Leserzahlenverlust in der Höhe von 1,1 % oder überhaupt ein statistisch signifikanter Verlust vorliege, noch die Behauptung vom 27.3.1994, daß ein Verlust von mehr als 300.000 Lesern vorliege, sei somit bescheinigt. Diese Angaben seien daher zur Irreführung geeignet.
Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und "die ordentliche Revision" (richtig: der ordentliche Revisionsrekurs) nicht zulässig sei. Es nahm noch ergänzend als bescheinigt an, daß in "täglich Alles" vom 27.3.1994 für die ersten 500 Erscheinungstage dieser Zeitung eine Leserschaft von 1,100.000 behauptet und Angaben über die Leser dieser Zeitung in den einzelnen Bundesländer gemacht wurden. Rechtlich führte es aus:
Es könne keinem Zweifel unterliegen, daß den herabsetzenden oder auch irreführenden Äußerungen über die Leistungen eines Mitbewerbers selbst dann Wettbewerbsabsicht zu unterstellen ist, wenn sie in redaktioneller Form oder in der Form einer Kolumne veröffentlicht werden. Eine Pressefehde, die nur zur Förderung der öffentlichen Meinungsbildung ausgetragen werde oder eine rein sachbezogene Aufklärung enthalte, liege nicht vor. Das Rechtsmittel sei jedoch deshalb berechtigt, weil es den Klägerinnen am Rechtsschutzinteresse fehle. Zur Sanktionierung der festgestellten Wettbewerbsverstöße stehe der Erstklägerin schon seit 1991 der zu 10 Cg 9/91 des Handelsgerichtes Wien ergangene Exekutionstitel zur Verfügung. Tatsächlich sei auch der Erstklägerin wegen der hier geltend gemachten Verstöße der Beklagten auf Grund des genannten Urteils rechtskräftig die Unterlassungsexekution bewilligt worden. Außerdem habe die Beklagte auch diesmal wieder einen Bezug zu veränderten Leserzahlen ihres eigenen Mediums hergestellt. Es brauche daher nicht untersucht zu werden, ob den Klägerinnen ein Rechtsschutzinteresse am Verbot wettbewerbswidriger Behauptungen, die sich nur auf ihre Leserzahlenveränderungen beschränkten, zuzuerkennen wäre. Sie hätten daher derzeit keinen Anspruch auf Erwirkung eines neuerlichen Verbots konkreter Wettbewerbshandlungen. Da die Zweitklägerin als Komplementärin unter dem absoluten gesellschaftsrechtlichen, faktischen und wirtschaftlichen Einfluß der Erstklägerin stehe, habe auch sie kein Rechtsschutzbedürfnis an einem Exekutionstitel.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluß erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerinnen ist zulässig, weil die angefochtene Entscheidung mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Rechtsschutzinteresse nicht im Einklang steht; er ist auch berechtigt.
Nach seit Jahrzehnten ständiger - wenngleich jüngst in einer Entscheidung (SZ 66/173) abgelehnter - Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes steht einer neuerlichen Klage dann, wenn der Kläger bereits einen Exekutionstitel zur Durchsetzung seines Anspruches hat, die (materiellrechtliche) Einrede des mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses entgegen, welche zur Abweisung des Klagebegehrens führt (SZ 21/124; SZ 48/116; ÖBl 1979, 81 - K, der Witwentröster; ÖBl 1983, 16 - Die meistgelesene Zeitung; SZ 63/109 = ÖBl 1991, 113 - Goldfassl; MR 1990, 237 - Bezahlte Promotion; SZ 66/145 uva). In SZ 66/145 vertrat der erkennende Senat die Auffassung, daß dieser Rechtsprechung auch durch § 54 Abs 4 AO, § 60 Abs 2 und § 156 a Abs 3 KO - jeweils idF des mit 1.Jänner 1983 in Kraft getretenen IRÄG BGBl 1982/370 - entgegen verschiedener Lehrmeinungen (Fasching, LB2 Rz 742; Konecny in RdW 1986, 37; Graff in ecolex 1990, 294) schon deshalb nicht der Boden entzogen sei, weil der Gesetzgeber damit nur dem Umstand Rechnung tragen wollte, daß unbestrittenen Forderungsanmeldungen und Auszügen aus Anmeldungsverzeichnissen im Hinblick darauf, daß zahlreiche Staaten, die zwar österreichische Urteile vollstrecken, aber eine Exekution auf Grund eines Auszuges aus einem österreichischen Anmeldungsverzeichnis ablehnen, eine geringere Wirkung als vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen zukomme. In SZ 66/173 hat allerdings der Oberste Gerichtshof den gegenteiligen Standpunkt eingenommen. Eine nähere Auseinandersetzung mit dieser Judikaturdivergenz ist aber diesmal entbehrlich, weil der Einwand des mangelnden Rechtsschutzinteresses hier ohnehin nicht durchschlägt:
Die Beklagte hat ihren Einwand des mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses - im Einklang mit der erwähnten Rechtsprechung - auf die Behauptung gestützt, daß der Exekutionstitel in der Form des Urteiles des Handelsgerichtes Wien vom 30.4.1991, 10 Cg 9/91-15, (auch) den nunmehr geltend gemachten Unterlassungsanspruch umfasse. Dieser beziehe sich nicht nur auf (irreführende) Vergleiche zwischen den geänderten Leserzahlen der Zeitungen der Klägerinnen mit jenen der Beklagten; vielmehr erfasse er auch - wie das nunmehr erhobene Unterlassungsbegehren - solche Vergleiche zwischen den Leserzahlen ein und derselben Zeitung der Klägerinnen zu verschiedenen Zeiten. Dem kann nicht gefolgt werden:
Mit dem Urteil vom 30.4.1991 wurde der Beklagten - vereinfacht dargestellt - untersagt, unter näher bestimmten Voraussetzungen Vergleiche "hinsichtlich der Veränderungen von Leserzahlen" von Druckschriften der Beklagten und solchen der Klägerinnen zu ziehen. Das kann - vor allem auch im Lichte des im seinerzeitigen Verfahren beanstandeten Werbevergleichs - nur dahin verstanden werden, daß der Beklagten Vergleiche der Veränderungen von Leserzahlen zwischen den Zeitungen der Beklagten und jenen der Klägerinnen, maW Vergleiche der geänderten Anzahl der Leser der Zeitungen der Beklagten mit jenen der Klägerinnen, MAW-Vergleiche, der geänderten Anzahl von Lesern der Zeitungen der Beklagten mit jenen der Zeitungen der Klägerinnen verboten wurden. Schon bei einer rein grammatikalischen Analyse kann dem Urteilsspruch nicht das Verbot eines solchen Vergleiches zwischen den Leserzahlen ein und derselben Zeitung im Laufe der Zeit entnommen werden. Wollte man den Spruch für undeutlich halten, dann müßten zu seiner Auslegung die Gründe herangezogen werden (SZ 49/54; SZ 49/81; ÖBl 1985, 49 - Kosmetik-Zugaben ua). Hat aber die Beklagte - wie im Falle des Urteiles des Handelsgerichtes Wien vom 30.4.1991 10 Cg 9/91 - den Unterlassungsanspruch (letztlich) anerkannt, dann ist die Begründung des Anspruches durch die Klägerinnen maßgebend. Diese haben aber im damals entschiedenen Fall einen Vergleich zwischen den Leserzahlen der verschiedenen Zeitungen und nicht einen solchen zwischen den Lesern einer Zeitung im Laufe der Zeit beanstandet.
Ob und wie weit die Erstklägerin auf Grund dieses Urteils wegen der nunmehr beanstandeten Textstellen zur Rede Exekution führen kann, braucht hier nicht untersucht zu werden. Maßgeblich ist allein, ob die Klägerin schon einen Exekutionstitel zur Durchsetzung des nun geltend gemachten Unterlassungsanspruches, der sich gegen irreführende Angaben durch Vergleiche der Anzahl von Lesern von "Kurier" und "Neuer Kronen-Zeitung" zu verschiedenen Zeitpunkten wendet, besitzt. Da dies nach dem Gesagten nicht zutrifft, ist der vom Rekursgericht herangezogene Abweisungsgrund zu verneinen.
Infolgedessen hat der erkennende Senat entgegen der Meinung der Beklagten die Berechtigung des geltend gemachten Anspruches zu prüfen, obwohl der Revisionsrekurs dazu keine Ausführungen enthält. Da das Rekursgericht den Erwägungen des Erstgerichtes, von der Frage des Rechtsschutzinteresses abgesehen, nicht entgegengetreten ist, ja sogar ausdrücklich die Wettbewerbsabsicht der Beklagten bejaht hat, bestand für die Klägerinnen keine Notwendigkeit, auch im Revisionsrekurs alle ihre Argumente zu wiederholen.
Mit Recht haben die Vorinstanzen ein Handeln der Beklagten in Wettbewerbsabsicht bejaht. Bei abfälligen Äußerungen über einen Mitbewerber spricht nach ständiger Rechtsprechung auf Grund der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung von vornherein für die Wettbewerbsabsicht (Hohenecker/Friedl 20; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht18, 211 Rz 235 EinlUWG OGH ÖBl 1987, 23 - Recyclingpapier; ÖBl 1990, 18 = Mafiaprint; ÖBl 1991, 26 - Kunstfeind uva). Richtig ist zwar, daß Pressefehden häufig nur zur Förderung der öffentlichen Meinungsbildung und nicht zu Wettbewerbszwecken ausgetragen werden, weshalb in einem solchen Fall die Wettbewerbsabsicht nicht ohne weiteres vermutet werden kann (Baumbach/Hefermehl aaO 214 f Rz 239 und 240; BGH GRUR 1982, 234 - Großbanken-Restquoten; OGH ÖBl 1991, 26 - Kunstfeind ua). Ob bei Presseverlautbarungen eine Wettbewerbsabsicht des Handelnden anzunehmen ist, bedarf demnach - um nicht die Darstellung öffentlich interessierender Sachverhalte oder Meinungsäußerungen über das sachlich Gebotene und verfassungsrechtlich Zulässige hinaus einzuschränken - eingehender Prüfung aller dafür in Betracht zu ziehenden Umstände, und zwar auch dann, wenn sich diese Verlautbarungen gegen Mitbewerber richten, kann doch auch in diesen Fällen der Presse die öffentliche Berichterstattung und die Teilnahme an dem Meinungsbildungsprozeß nicht generell verwehrt werden (BGH GRUR 1982, 234 - Großbanken-Restquoten; OGH ÖBl 1991, 26 - Kunstfeind ua). Die Wettbewerbsabsicht kann dabei völlig in den Hintergrund treten oder gänzlich fehlen, wenn es zwischen zwei Medieninhabern zu weltanschaulichen Auseinandersetzungen kommt und jeder der Beteiligten die öffentliche Meinungsbildung in seinem Sinn zu beeinflussen sucht (ÖBl 1990, 18 - Mafiaprint; ÖBl 1991, 26 - Kunstfeind ua), aber auch bei Pressefehden politischer, wirtschaftlicher oder kultureller Art sowie bei einer sachbezogenen Information und Aufklärung des Verbrauchers (vgl BGH GRUR 1982, 234 - Großbanken-Restquoten; ÖBl 1991, 26 - Kunstfeind). Davon kann hier allerdings keine Rede sein. Die Beklagte hat in den beanstandeten Artikeln nicht etwa eine weltanschauliche oder politische Auseinandersetzung mit den Klägerinnen über ein gesellschaftspolitisch relevantes Thema geführt, sondern einzig und allein - unter gleichzeitigem Herausstreichen eigener Erfolge - Leserrückgänge und somit wirtschaftliche Mißerfolge der Klägerinnen behauptet. Ihre Wettbewerbsabsicht ist vor allem angesichts des gerichtsbekannten "Zeitungskrieges" ganz offenkundig (ÖBl 1995, 167 - Exklusivinterview II).
Die Behauptung, ein Mitbewerber verliere Leser, ist geeignet, den Betrieb der Klägerinnen zu schädigen (§ 7 Abs 1 UWG), beeinträchtigt doch eine solche Behauptung ihren Ruf; sie kann nämlich Leser, noch mehr aber Inserenten dazu veranlassen, sich von den Zeitungen der Klägerinnen abzuwenden (ÖBl 1993, 237 - Reichweitenvergleich).
Tatbestandsvoraussetzung des § 7 UWG ist freilich, daß die herabsetzenden Äußerungen nicht erweislich wahr sind, daß es also dem Beklagten nicht gelingt, die Wahrheit der Behauptung zu beweisen (im Provisorialverfahren zu bescheinigen: MR 1994, 32 - IMAS-Report uva).
Mit ihren Hinweisen auf Ergebnisse verschiedener Media-Analysen hat aber die Beklagte die Richtigkeit der beanstandeten Behauptungen nicht bescheinigt. Deren Ergebnisse sind vielmehr - wie ausdrücklich festgestellt wurde - im Hinblick auf statistische Ungenauigkeiten udgl. nicht geeignet, tatsächlich einen Leserverlust des "Kurier" und der "Neuen Kronen-Zeitung" im angegebenen Ausmaß glaubhaft zu machen. Mangels Hinweises auf die Fehlerquellen und Schwankungsbreiten solcher Untersuchungen über Leserzahlen entsteht der unrichtige Eindruck, der behauptete Leserzahlenschwund sei tatsächlich erwiesen (vgl ÖBl 1993, 237 - Reichweitenvergleich). In Wahrheit aber sind - wie sich aus den Feststellungen des Erstgerichtes ergibt - die von der Beklagten herangezogenen Untersuchungsergebnisse, teils wegen unterschiedlicher Voraussetzungen der Untersuchungen, teils wegen der mit solchen Erhebungen ganz allgemein verbundenen statistischen Ungenauigkeiten, nicht geeignet, Rückgänge der Anzahl der Leser der Zeitungen der Klägerinnen im behaupteten Umfang darzutun.
Sind aber die beanstandeten Behauptungen unwahr, dann kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf Art 10 MRK berufen.
Das in Art 10 MRK verankerte Recht der freien Meinungsäußerung steht zwar nur unter einem eingeschränktenn Gesetzesvorbehalt, weil die Ausübung dieser Freiheit durch Gesetz nur zur Wahrung bestimmter Rechtsgüter und soweit beschränkt werden darf, als es zur Wahrung dieser Rechtsgüter unentbehrlich ist. Ein solcher (materieller) Gesetzesvorbehalt ist dann konventions- und damit verfassungskonform, wenn er kumulativ allen drei Bedingungen der Gesetzesvorbehalte entspricht, der Eingriff also 1. gesetzlich vorgesehen ist, 2. einen zulässigen Zweck verfolgt und 3. in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist (Bammer, Sittenwidrige Herabsetzung und Freiheit der Meinungsäußerung, ecolex 1990, 253; ÖBl 1995, 167 - Exklusivinterview II). Daß § 7 UWG einen zulässigen Zweck - nämlich den Schutz des wirtschaftlichen Rufes eines Unternehmens - verfolgt, wird ganz allgemein bejaht (Frowein/Peukert, EMRK-Komm 238 Rz 32 zu Art 10; ÖBl 1990, 18 - Mafiaprint; ÖBl 1991, 26 - Kunstfeind; ÖBl 1992, 213 - Untersuchungsausschuß Magdalen; ÖBl 1995, 167 - Exklusivinterview II). Zwar wird aus der Erwägung, daß die Freiheit der Meinungsäußerung eine der wesentlichen Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft bildet und eine der grundlegenden Voraussetzungen für ihren Fortschritt und die Selbstverwirklichung jedes einzelnen ist, die Freiheit der Meinungsäußerung auch für solche Aussagen bejaht, die als verletzend, schockierend oder irritierend empfunden werden (EGMR, MR 1986, H 4, 11 - Lingens; MR 1991, 171 - Oberschlick mwN; OGH ÖBl 1995, 136 - Marmor, Stein und Eisen; ÖBl 1995, 167 - Exklusivinterview II). Das gilt aber nur für wertende Äußerungen, bedeutet aber keinen Freibrief für das Aufstellen unrichtiger Tatsachenbehauptungen (MR 1993, 17 = ÖBl 1993, 84 - Jubelbroschüre mwN, ÖBl 1995, 167 - Exklusivinterview II ua).
Aus diesen Erwägungen war der Beschluß des Erstgerichtes in Stattgebung des Revisionsrekurses wiederherzustellen.
Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens der Beklagten gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 4 EO, §§ 40, 50 Abs 1, § 52 ZPO, jener über die Kosten der Klägerinnen auf § 393 Abs 1 EO.
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