OGH 8ObA204/95(8ObA205/95)

OGH8ObA204/95(8ObA205/95)14.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Langer und durch die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing.Walter Holzer und Ignaz Gattringer in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei I*****GmbH, ***** ehemals vertreten durch Dr.Thomas Prader, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte und widerklagende Partei Erich R*****, vertreten durch Dr.Johannes Sääf, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 315.305,40 S sA und DM 33.495,94 sA (Revisionsstreitwert S 315.305,40 sA und DM 32.488,84 sA), infolge Revision der klagenden und widerbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. September 1994, GZ 31 Ra 107/94-25, mit dem infolge Berufung der klagenden und widerbeklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 12. Oktober 1993, GZ 20 Cga 224/93v-20, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung wird mit der Maßgabe bestätigt, daß Punkt II.2 des erstgerichtlichen Urteilsspruchs lautet:

"Die von der klagenden und widerbeklagten Partei eingewendete Gegenforderung von DM 136.360,-- besteht bis zur Höhe der Forderung der beklagten und widerklagenden Partei von DM 32.488,84 nicht zurecht."

Die klagende und widerbeklagte Partei ist schuldig, der beklagten und widerklagenden Partei die mit S 21.618,-- (einschließlich S 3.603,-- USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es, auf diese zu verweisen (§ 48 ASGG).

Die klagende und widerbeklagte Partei bekämpft zwar in ihrer Revision das berufungsgerichtliche Urteil zur Gänze, trifft jedoch Revisionsausführungen nur zur Frage des nach ihrer Meinung unberechtigten vorzeitigen Austritts des Beklagten und Widerklägers. Sie meint, beim vorliegenden "Vertragswerk" überwiege das Moment des Werkvertrages und nicht das eines freien Dienstvertrages, sodaß zwar das geschuldete Entgelt auf ihre Gefahr und Kosten reise, sie aber nicht die Gefahr für das verspätete Einlangen beim Schuldner trage. Es wäre daher festzustellen gewesen, wann sie die Beträge angewiesen habe und nicht, wann diese am Konto des Beklagten und Widerklägers eingelangt seien; danach sei sie nur zwei Mal kurzfristig in Verzug gewesen, sodaß der Beklagte und Widerkläger keinen wichtigen Grund zur vorzeitigen Vertragsauflösung gehabt habe. Jedenfalls habe sie dem Beklagten und Widerkläger das durchschnittlich entgangene Entgelt von DM 13.600,-- für Jänner 1991 nicht zu ersetzen, weil er - unabhängig davon, ob sie mit ihren Zahlungen in Verzug gewesen sei oder nicht - nicht hätte vorzeitig austreten dürfen, wenn er noch keine andere Arbeit in Aussicht gehabt habe; er habe dadurch gegen seine Schadenminderungspflicht verstoßen.

Diesen Revisionsausführungen ist zunächst zu erwidern, daß die Vorinstanzen zu Recht das "Vertragswerk" insgesamt als freien Dienstvertrag und nicht als Werkvertrag beurteilt haben. Der Beklagte und Widerkläger schuldete nicht ein Werk oder einen bestimmten Erfolg; er trug nicht das Unternehmensrisiko. Er hatte vielmehr über den Kooperationspartner der klagenden und widerbeklagten Partei Organisationsprogramme für deren Kunden auszuführen und wurde mit DM 80,-- pro Stunde entlohnt. Er hatte sich verpflichtet, nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zwei Jahre lang keine direkten oder indirekten Verträge mit den Klienten der klagenden und widerbeklagten Partei einzugehen und bei Verstößen eine Konventionalstrafe versprochen. Er war ausschließlich für die klagende und widerbeklagte Partei tätig. Trotz einer gewissen persönlichen Selbständigkeit war er von ihr wirtschaftlich abhängig und unterlag im Wege der Klienten der Kontrolle der klagenden und widerbeklagten Partei. All das spricht dafür, daß die Vertragsbeziehung insgesamt als freier Dienstvertrag (zur Abgrenzung vgl SZ 57/1; 60/220; 64/79 uva; Schwarz-Löschnigg Arbeitsrecht5 134 ff; Martinek-Schwarz-Schwarz, Angestelltengesetz 45 ff; Krejci in Rummel ABGB II2 Rz 83 ff, 92 ff, insb 97 zu § 1151; Spielbüchler, Arbeitsrecht I 11 ua) und nicht als Werkvertrag zu beurteilen ist, mag er auch Elemente eines solchen enthalten (vgl Arb 10.697 uva). Daß der Beklagte nicht verpflichtet war, die Arbeit selbst auszuführen, sondern sich seinerseits wieder Hilfspersonen hätte bedienen können, hindert nicht, den Vertrag als Dienstvertrag zu beurteilen (Arb 7.864; 9.444; Schwarz-Löschnigg aaO 241; Martinek-Schwarz-Schwarz aaO 50; vgl zur Abgrenzung § 4 Abs 2 AÜG).

Es kommt daher gemäß den Ausführungen der Vorinstanzen darauf an, ob dem Beklagten und Widerkläger die Zahlungen rechtzeitig zugekommen sind, da sie ihm am Fälligkeitstag zur Verfügung stehen müssen (SZ 60/81; WBl 1993, 325 uva; Spielbüchler aaO 126, Krejci aaO Rz 27 zu § 1154 ua), und nicht darauf, wann sie die klagende und widerbeklagte Partei abgesandt hat, sodaß in der Nichtfeststellung dieser Daten kein sekundärer Verfahrensmangel liegt. Da die klagende und widerbeklagte Partei trotz Mahnungen und Urgenzen immer wieder in beträchtliche Zahlungsrückstände kam (vgl die detaillierten Feststellungen S 6-9 des berufungsgerichtlichen Urteils) und trotz Androhung des vorzeitigen Austritts die offenen Beträge nicht rechtzeitig beglich - sie waren sogar noch zum Schluß der mündlichen Verhandlung in erster Instanz teilweise unbeglichen - hat der Beklagte zurecht seinen vorzeitigen Austritt erklärt und kann daher unter dem Titel des Schadenersatzes auch das entgangene durchschnittliche Entgelt für den Monat begehren, in dem er arbeitslos war. Ihm kommen nämlich, auch wenn die §§ 1151 ff ABGB nicht unmittelbar anwendbar sind, infolge seiner sozial schwächeren Stellung und seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit diejenigen Schutznormen zugute, die nicht von der persönlichen Abhängigkeit ausgehen (Arb 10.055; 10.954; SZ 61/92 uva).

Der Spruch der Entscheidung war zu berichtigen und die Entscheidung mit der Maßgabe zu bestätigen, daß über die von der klagenden und widerbeklagten Partei eingewendete Gegenforderung nicht zur Gänze, sondern nur bis zur Höhe der festgestellten Forderung der beklagten und widerklagenden Partei abzusprechen war (§ 411 Abs 1 letzter Satz ZPO).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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