OGH 9ObA120/95

OGH9ObA120/9513.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie durch die fachkundigen Laienrichter Ing.Peter Pata und Dr.Franz Zörner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Friedrich S*****, Tischler, ***** vertreten durch Dr.Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Firma Johann H*****, vertreten durch Dr.Klaus Herke, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 367.494,13 brutto sA (im Revisionsverfahren S 357.994,59 brutto sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9.Mai 1995, GZ 5 Ra 44/95-30, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 29.November 1994, GZ 45 Cga 104/94a-23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 16.020 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 2.670 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

In der Übernahme der Feststellungen des Erstgerichts durch das Berufungsgericht kann begrifflich ebensowenig eine durch das Berufungsgericht begangene Aktenwidrigkeit liegen wie in daraus gezogenen Schlußfolgerungen des Berufungsgerichtes im Rahmen der rechtlichen Beurteilung. Soweit die Revisionswerberin unter teilweisem Neuvorbringen andere Feststellungen wünscht, bekämpft sie in unzulässiger Weise lediglich die Beweiswürdigung der Vorinstanzen.

Im übrigen hat das Berufungsgericht die Frage, ob der Kläger von der Beklagten gerechtfertigt entlassen wurde, zutreffend verneint. Es reicht daher insofern aus, auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin, der Kläger habe sie durch das bewußt falsche Ausfüllen der Stundenkarte für den 22. und 23.12.1993 getäuscht, weil er in dieser Zeit der Arbeit ferngeblieben sei, so daß er vertrauensunwürdig geworden sei, entgegenzuhalten:

Richtig ist, daß es bereits vorher Probleme mit dem Kläger gegeben hat, die aber lediglich zu Verwarnungen unter Androhung der Kündigung geführt haben (Seite 325). Hinsichtlich des zur Entlassung führenden Vorfalls ist von Bedeutung, daß der Kläger, dem am 1.2.1979 Angestellteneigenschaft zugebilligt worden ist (Seite 311), die Stundenkarte für 22. und 23.12.1993 bereits im vorhinein ausgefüllt und für den 22.12.1993 9 Stunden "Baustelle Widum" sowie für den 23.12.1993 9 Stunden "Aufräumen" eingetragen hatte (Seite 333). Es konnte aber nicht festgestellt werden, daß der Kläger nach Arbeitsstunden abgerechnet wurde; die Aufzeichnungen sollten vielmehr der Zuordnung zu einzelnen Baustellen dienen (Seite 339).

Schon am 21.12.1993 war im Betrieb davon die Rede, daß in der Zimmerei am 23.12.1993 nicht gearbeitet werde. Der für die Personaleinteilung und Arbeitsvorbereitung zuständige Angestellte Dipl.Ing.B***** (Seite 61) meinte am 21.12.1993 gegenüber dem Kläger zwar noch, daß dies nicht ganz sicher sei; am Morgen des 22.12.1993 teilte er dem Kläger jedoch mit, daß am 23.12.1993 in der Zimmerei nicht gearbeitet werde und die Mitarbeiter "Urlaub" hätten (Seite 329). Diese Urlaubsregelung hatte Dipl.Ing.B***** mit dem zutändigen Abteilungsleiter getroffen. Die Arbeiten in der Zimmerei waren nämlich bereits am 22.12.1993 mit dem Putzen der Maschinen und dem Aufräumen abgeschlossen.

Die (einseitige) Urlaubsregelung wurde den Arbeitnehmern der Zimmerei am 22.12.1993 bekanntgegeben. Mit Ausnahme des Klägers waren alle Mitarbeiter in der Zimmerei mit dieser Anordnung einverstanden. Der Kläger erklärte, daß er am 23.12.1993 arbeiten wolle. Dipl.Ing.B***** erwiderte, daß die Arbeiten fertig seien und alle, so auch der Kläger Urlaub hätten.

Am Vormittag des 22.12.1993 gab es dem Kläger beim Putzen einer Maschine "einen Riß". Er verließ gegen 14 Uhr den Betrieb, ohne sich abzumelden, und suchte in der Folge seinen Arzt auf (Seite 331, Beilage A). Am 23.12.1993 erschien er nicht im Betrieb. Dipl.Ing.B***** korrigierte am Abend des 22.12.1993 die (im vorhinein erstellten) unrichtigen Eintragungen des Klägers in die Stundenkarte. Der Abteilungsleiter informierte den Firmenchef davon, daß der Kläger am 22.12.1993 den Betrieb vorzeitig verlassen habe. Weiters wurden die unrichtigen Eintragungen in der Stundenkarte besprochen und das Verhalten des Klägers in der Vergangenheit rekapituliert. Daraufhin veranlaßte der Firmenchef die Entlassung des Klägers (Seite 335 f).

Bei diesem Sachverhalt ist dem Berufungsgericht beizupflichten, daß die mangels nennenswerter Arbeit ohnehin nicht ins Gewicht fallende Abwesenheit des Klägers am Nachmittag des 22.12.1993 überdies durch den Arztbesuch (15 Uhr bis 17 Uhr) zufolge des "Risses" an der Hand gerechtfertig und damit nicht pflichtwidrig war (vgl Kuderna, Entlassungsrecht2, 102 ff, 105 mwH). Die Unterlassung der Krankmeldung oder der Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung rechtfertigte die Entlassung - ungeachtet der Ordnungswidrigkeit - schon deshalb nicht, weil dadurch ein an sich nicht pflichtwidriges Dienstversäumnis nicht in ein pflichtwidriges verwandelt werden kann; diese Unterlassung zieht nur den Verlust des Anspruches auf das dem Angestellten nach § 8 AngG zustehende Entgelt für die Zeit des Unterbleibens der Verständigung nach sich (vgl Kuderna aaO 106 f mwH). Ebenso kann das Fernbleiben des Klägers von der Arbeit (von welcher?) am 23.12.1993 keinen Entlassungsgrund bilden, weil der Kläger von der Beklagten einseitig "in den Urlaub geschickt" wurde. Die Beklagte hätte aus dem Fernbleiben des Klägers allenfalls nur den Schluß ziehen können, daß sich der Kläger der gemäß § 4 Abs 1 und 3 UrlG unzulässigen einseitigen Urlaubsanordnung gebeugt habe.

Der Kläger hat aber auch keine Handlung gesetzt, die ihn bei objektiver Betrachtung des dienstlichen Vertrauens der Beklagten unwürdig gemacht hätte (§ 27 Z 1 AngG, dritter Tatbestand). Der Kläger hatte seine Stundenkarte für den 22. und 23.12.1993 bereits im vorhinein ausgefüllt, als ihm die getroffene "Urlaubsregelung" noch nicht bekannt war. Er konnte daher nur die normale Arbeitsleistung und präsumtive Tätigkeiten eintragen, deren Richtigkeit durch die nachfolgenden Geschehnisse überholt wurde. Zu einer Korrektur der Eintragungen hatte der Kläger keine Gelegenheit mehr, weil Dipl.Ing.B***** die Stundenkarte schon am Abend des 22.12.1993 berichtigt hatte. Davon, daß der Kläger die Stundenkarte in Täuschungsabsicht bewußt falsch ausgefüllt hätte, um sich etwa das Gutschreiben des 23.12.1993 als Arbeitstag zu erschwindeln, kann schon aufgrund der durch § 1155 Abs 1 ABGB gegebenen Rechtslage keine Rede sein. Mit diesen und ähnlichen Ausführungen entfernt sich die Revisionswerberin vom festgestellten Sachverhalt.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO begründet.

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