OGH 6Ob557/95

OGH6Ob557/9524.8.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj.Nathalie-*****, geboren am 18.Februar 1985, in Obsorge der Mutter *****, infolge Revisionsrekurses des Vaters Miguel *****, Spanien, vertreten durch Dr.Christian Tschurtschenthaler, Rechtsanwalt in Klagenfurt, als bestellter Kurator gemäß § 121 Abs 2 ZPO, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 3. Juni 1994, AZ 1 R 142/94 (ON 41), womit der Rekurs des Vaters gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 23.Februar 1993, GZ 4 P 25/90-28, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird stattgegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und es wird dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs des Vaters unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung

Das am 18.Februar 1985 geborene außereheliche Kind beantragte ab 7.3.1990, vertreten durch seinen Unterhaltssachwalter, den Vater, einen spanischen Staatsangehörigen, am 1.5.1989 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 3.000 zu verpflichten.

Das Erstgericht versuchte im Rechtshilfeweg über das Bundesministerium für Justiz dem Vater diesen Antrag zuzustellen. Mehrfache Betreibungen des Rechtshilfeersuchens blieben erfolglos. Auch die Zustellung des Beschlusses des Erstgerichtes vom 22.1.1991, womit der Vater gemäß § 382 a EO zur Leistung eines vorläufigen Unterhalts von S 1.300 monatlich verpflichtet wurde (ON 14), konnte nicht erreicht werden. Urgenzen sowohl des Bundesministeriums für Justiz als auch der österreichischen Botschaft in Madrid bei den zuständigen spanischen Behörden blieben ohne Erfolg.

Mit Beschluß vom 23.2.1993 gab das Erstgericht dem Unterhaltsbestimmungsantrag des Kindes statt (ON 28) und verfügte die Zustellung des Beschlusses an den Vater sowohl im Wege der internationalen Postzustellung als auch im Wege der Rechtshilfe über das Bundesministerium für Justiz. Dieses übermittelte dem Erstgericht einen Zustellnachweis. Der Zustellschein (GeoForm 34) weist eine Datumsstampiglie "14.Jun.1993" sowie eine unleserliche Unterschrift auf (zu ON 28). Ob der Vater diese Unterschrift geleistet hat und Zustellempfänger am 14.6.1993 war kann nach der Aktenlage nicht beurteilt werden.

Am 30.11.1993 berichtete die österreichische Botschaft dem Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten über seine erfolglosen Urgenzen der Zustellersuchen und vertrat die Auffassung, daß mit einer positiven Erledigung durch die spanischen Justizbehörden realistischerweise nicht mehr gerechnet werden könne. Die Botschaft regte an, dem erkennenden Gericht anheimzustellen, nach § 121 ZPO vorzugehen (zu ON 32).

Am 11.2.1994 erließ das Erstgericht ein Edikt, in dem es den mangelnden Nachweis der Zustellung des Beschlusses ON 28 an den Vater sowie den Umstand der offenkundigen Verweigerung der Rechtshilfe durch die ausländischen Behörden bekanntgab und für den Vater den Rechtsanwalt Dr.Christian ***** zum Kurator bestellte (ON 34). Das Edikt wurde dem Kurator und der Mutter des Kindes (durch Hinterlegung am 13.4.1994, RS zu ON 37) zugestellt, an der Gerichtstafel angeschlagen und vom Magistrat der Stadt ***** in ortsüblicher Weise veröffentlicht. Gegen die Kuratorbestellung wurde kein Rechtsmittel ergriffen. Sie erwuchs in Rechtskraft.

Der Unterhaltsfestsetzungsbeschluß (ON 28) wurde dem Kurator am 1.4.1994 zugestellt.

Das Rekursgericht wies den vom Kurator gegen die Unterhaltsfestsetzung erhobenen Rekurs (PA 15.4.1994) zurück. Wohl liege die Voraussetzung für eine Kuratorbestellung nach § 121 Abs 2 ZPO vor, daß das Zustellersuchen wegen offensichtlicher Verweigerung der Rechtshilfe durch die spanische Behörde keinen Erfolg verspreche. Es fehle aber an der zweiten Voraussetzung, nämlich einem Antrag des Kindes. Die Kuratorbestellung könne nicht von Amts wegen erfolgen. Die Kuratorbestellung nach § 121 Abs 2 ZPO entspreche einer solchen nach § 116 ZPO. Ein mit einem Kurator durchgeführtes Verfahren sei nichtig, wenn die Voraussetzungen für die Bestellung eines Kurators nicht gegeben gewesen seien. An der Nichtigkeit ändere auch der Umstand nichts, daß der Bestellungsbeschluß in Rechtskraft erwachsen sei. Mangels der Voraussetzungen für die Bestellung eines Kurators sei die Zustellung des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses ON 28 an den Kurator nichtig. Der gesetzwidrig bestellte Kurator könne den Antragsgegner nicht rechtswirksam vertreten.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der (ordentliche) Rekurs an den Obersten Gerichtshof gemäß § 14 Abs 1 AußStrG zulässig sei.

Mit seinem namens des Vaters erhobenen Revisionsrekurs strebt der Kurator die Abänderung der Rekursenscheidung dahin an, daß dem Rekurs des Vaters gegen die Unterhaltsfestsetzung stattgegeben (und der Unterhaltsfestsetzungsantrag des Kindes abgewiesen) werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und im Sinne einer Aufhebung der Entscheidung des Rekursgerichtes zur neuerlichen Entscheidung unter Abstandnahme vom angenommenen Zurückweisungsgrund berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß die von den Vorinstanzen gegen den aktenkundigen Zustellnachweis über die Zustellung des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses an den Vater am 14.6.1993 gehegten Bedenken berechtigt sind, weil die auf dem Zustellschein aufscheinende Paraphe über die Identität des tatsächlichen Zustellempfängers keinerlei Auskunft gibt und ein Zustellbericht des ausländischen Zustellers nicht aktenkundig ist. Sämtliche in spanischer Sprache verfaßten Schriftstücke, wie sie unjournalisiert zu ON 28 im Akt einliegen, datieren vor dem genannten Zustelltag, sodaß auch eine Übersetzung dieser Schriftstücke über den tatsächlichen Zustellvorgang keine Aufklärung bringen könnte. Es liegt daher nicht der Fall vor, daß die Rechtsmittelbefugnis des Kurators deshalb zu verneinen wäre, weil dem Kuranden schon wirksam zugestellt worden wäre und dieser kein Rechtsmittel ergriffen hätte (5 Ob 611/79).

Die Voraussetzungen für eine Kuratorbestellung nach § 121 Abs 2 ZPO (mit Ausnahme der fehlenden Antragstellung des Kindes) lagen vor. Im Hinblick auf die zahlreichen vergeblichen Urgenzen zur Bewirkung der Zustellung des Unterhaltsfestsetzungsantrags im Wege der Rechtshilfe durch die ausländischen Behörden war zum Zeitpunkt der Unterhaltsfestsetzung von einer offenkundigen Verweigerung der Rechtshilfe auszugehen. Die mangelhafte Durchführung des Rechtshilfeersuchens hinsichtlich der Zustellung des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses verstärkt nur diese Annahme.

Die Bestimmungen über die Zustellung in der Zivilprozeßordnung sind auch im außerstreitigen Verfahren anzuwenden (§ 6 AußStrG; RZ 1955, 60). Es ist dem Rekursgericht zuzustimmen, daß eine Kuratorbestellung nach § 121 Abs 2 ZPO einen Antrag der betreibenden Partei - hier also des Kindes - voraussetzt. Nicht geteilt kann allerdings die Ansicht werden, daß infolge der fehlenden Antragstellung die von Amts wegen vorgenommene Kuratorbestellung als nichtig zu beurteilen und demgemäß der Kurator als zur Erhebung eines Rechtsmittels für den Kuranden nicht legitimiert anzusehen wäre. Das Rekursgericht kann sich zur Stützung seiner Rechtsansicht nicht auf die Judikatur stützen, wonach ein mit einem (auch rechtskräftig bestellten) Kurator durchgeführtes Verfahren nichtig ist, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Kuratorbestellung nicht vorlagen (MGA ZPO14 § 115/14; JBl 1980, 267; SZ 27/102). Die Nichtigkeit des Verfahrens hat dort ihren Grund in der Verletzung des Parteiengehörs. Der vom Kurator vertretenen, fälschlich als abwesend angesehenen Partei wird durch die gesetzwidrige Kuratorbestellung das rechtliche Gehör entzogen. Im vorliegenden Fall ist aber nicht die Abwesenheit des Vaters des antragstellenden Kindes (also die Unbekanntheit seines Aufenthalts) der Grund für die Bestellung eines Kurators, sondern die mangelnde Zustellmöglichkeit. Davon ist nach der Aktenlage das Rekursgericht zutreffend auch ausgegangen. Mit der Kuratorbestellung trotz Fehlens der vom Gesetz vorgesehenen Antragstellung der betreibenden Partei wurde daher nicht der Grundsatz des Parteiengehörs verletzt. Es wurde dem Kind lediglich ein nicht beantragtes Recht eingeräumt. Die Bestellung des Kurators ist rechtskräftig. Die mangelnde Rekurslegitimation des Kurators gegen den Unterhaltsfestsetzungsbeschluß kann daher nicht auf eine Nichtigkeit des Verfahrens wegen fehlender Antragstellung auf Bestellung eines Kurators nach § 121 Abs 2 ZPO gestützt werden. Es braucht daher gar nicht mehr untersucht werden, ob - wie der rekurierende Kurator meint - der Mangel der fehlenden Antragstellung schon dadurch geheilt wäre, daß das Kind (vertreten durch seine Mutter) gegen die Kuratorbestellung kein Rechtsmittel erhoben und dadurch die Bestellung genehmigt (den Antrag nach § 121 Abs 2 ZPO nachgeholt) hat.

Dem Rekurs des Kurators war stattzugeben. Das Rekursgericht wird unter Abstandnahme vom angenommenen Zurückweisungsgrund über den Rekurs des Kurators meritorisch zu entscheiden haben.

Stichworte