OGH 6Ob26/95

OGH6Ob26/9522.8.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing.Helmut L*****, vertreten durch Dr.Achim Maurer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Mag.Dr.Lore K*****, vertreten durch Dr.Josef Unterweger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Gesamtstreitwert: 99.000 S; Revisionsinteresse: 33.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 29.März 1995, AZ 14 R 69/94 (ON 61), womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 29.Dezember 1993, GZ 14 Cg 39/91-55, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Parteien haben die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof gemäß § 508 a Abs 1 ZPO nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision gegen sein abänderndes Urteil liegen die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO hier nicht vor:

Das Berufungsgericht hat im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (zuletzt etwa MR 1995, 16 - Sauerei und 97 - Rößlwirtin, jeweils mwN) den Unterschied zwischen "Tatsachen" im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB und reinen Werturteilen dargetan. Danach können auch wertende Äußerungen unter § 1330 Abs 2 ABGB fallen, wenn sie als sogenannte "konkludente" Tatsachenbehauptungen auf entsprechende Tatsachen schließen lassen (Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 12 zu § 1330; Koziol, Haftpflichtrecht2 II 175; Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht 27; stRsp, zuletzt etwa MR 1995, 16 - Sauerei und 97 - Rößlwirtin, jeweils mwN).

Bei der Beurteilung der Frage, ob "Tatsachen" verbreitet wurden oder bloß eine wertende Meinungsäußerung vorliegt, kommt es stets auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerung(en) an; das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers oder -hörers, nicht aber der subjektive Wille des Erklärenden ist maßgebend. Das gleiche gilt für den Sinngehalt (Bedeutungsinhalt) der Äußerung(en) (stRsp, zuletzt etwa MR 1995, 16 - Sauerei und 97 - Rößlwirtin; ecolex 1995, 407, jeweils mwN). Die Lösung dieser Fragen nach dem Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers in bezug auf Äußerungen, die - wie hier - im Rahmen eines in einer periodischen Druckschrift erschienenen Artikels wiedergegeben werden, ist demnach stets eine Frage des Einzelfalles, hängt sie doch ausschließlich von den jeweiligen konkreten Formulierungen sowie von der Gesamtaufmachung, Gliederung etc des Artikels ab (4 Ob 82/94); dabei kann im Rahmen des Artikels insbesondere auch dem näheren Umfeld, innerhalb dessen die beanstandete Äußerung erfolgte, eine besondere Bedeutung zukommen. Die Beurteilung dieser Frage durch das Berufungsgericht und deren Ergebnis, wonach der noch in Rede stehende Vorwurf 1 von den angesprochenen Verkehrskreisen als kritischer Tatsachenvorwurf dahin aufgefaßt wurde, die "L*****-Arbeit" enthalte kaum Zahlen über die Ergebisse der Bodenproben des Prof.W*****, welchen die "Ü*****" seit 1987 nachgelaufen sei, ohne sie in Erfahrung bringen zu können, die aber einige Monate nach dem Erscheinen der Studie des Klägers dem Umwelt-Stadtrat entlockt werden konnten, hält sich jedenfalls im Rahmen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und kann die Rechtssicherheit schon deshalb nicht beeinträchtigen, weil die beanstandete Äußerung der Beklagten im Artikel tatsächlich in diesem Zusammenhang aufscheint.

Der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die vom Publikum so verstandene Aussage der beanstandeten Äußerung der Beklagten wahr sei, kann aber schon deshalb nicht entgegengetreten werden, weil der Wahrheitsbeweis nach ständiger Rechtsprechung schon dann als erbracht anzusehen ist, wenn er den Inhalt der Mitteilung im wesentlichen bestätigt (Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2 115; ÖBl 1990, 18 - Mafiaprint; ÖBl 1991, 87 - Wiener Partie; ÖBl 1992, 71 - Game Boy und 133 - fragwürdige Geschäftspraktiken; 4 Ob 82/94).

Diese Erwägungen führen bereits zur Zurückweisung der Revision (§ 510 Abs 3, letzter Satz, ZPO).

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO. Das gilt auch für die Revisionsbeantwortung der Beklagten, welche auf den vorliegenden Zurückweisungsgrund nicht hingewiesen hat, sodaß ihre Rechtsmittelgegenschrift zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht notwendig war.

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