OGH 8Ob519/95(8Ob520/95)

OGH8Ob519/95(8Ob520/95)18.8.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Langer, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1. Silke L*****, 2. Olaf L*****, 3. Gunnar L*****, alle ***** 4. Udo H*****, 5. Magdalena H*****, beide ***** 6. Herbert M*****, 7. Renate M*****, beide ***** sämtliche vertreten durch Dr.Gottfried Reif, Rechtsanwalt in Judenburg, wider die beklagten Parteien 1. Johann B*****, 2. Marianne B*****, beide ***** vertreten durch Dr.Friedrich Frizberg, Rechtsanwalt in Leoben, wegen Duldung, Wiederherstellung und Unterlassung (Gesamtstreitwert S 96.000,--), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Berufungsgericht vom 12.Juli 1994, GZ R 293, 294/94-50, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Judenburg vom 29. Dezember 1993, GZ 2 C 1405/91-45, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.

Text

Begründung

Die Erst- bis Drittkläger sind je zu einem Drittel Eigentümer des Grundstückes 168/7, zu welchem eine annähernd in West-Ost-Richtung verlaufende asphaltierte Zufahrtsstraße führt, die auf dem Weggrundstück 168/1 liegt. Diese Straße endet in Form einer Sackgasse vor dem Grundstück der Erst- bis Drittkläger. Die Viert- bis Siebentkläger sind je zu einem Viertel Eigentümer des Grundstückes 168/8, welches westlich des Grundstückes der Erst- bis Drittkläger an dieses anschließt und nördlich der Zufahrtsstraße liegt. Die Beklagten sind je zur Hälfte Eigentümer des Grundstückes 168/9, das wiederum westlich an das Grundstück der Viert- bis Siebentkläger grenzt und ebenfalls nördlich der Zufahrtsstraße liegt. Mit Kaufvertrag vom 26.9.1989 erwarben die Beklagten je zur Hälfte aus dem Gutsbestand des sich südlich ihrer Parzelle verbreiternden Weggrundstückes 168/1 ein Trennstück im Ausmaß von 171 m2, das in ihr Grundstück einbezogen wurde. Gemäß Punkt VII. des Kaufvertrages nahmen die Beklagten als Käufer zur Kenntnis, daß das Vertragsgrundstück durch zahlreiche, nur zum Teil grundbücherlich sichergestellte Dienstbarkeiten belastet ist, deren Verlauf zum Teil nicht genau feststehe. Soweit das Trennstück tatsächlich von diesen Dienstbarkeiten betroffen sei, werden diese von den Beklagten unentgeltlich und wie schon bisher geübt derart zur weiteren Duldung übernommen, daß der Verkäufer diesfalls vollkommen schad- und klaglos gehalten werde. Ob dem Grundstück 168/1 ist und war zum Zeitpunkt des Erwerbes des Trennstückes durch die Beklagten unter anderem zugunsten der Eigentümer der Grundstücke 168/7 und 168/8 die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit Fahrzeugen aller Art einverleibt. Die Beklagten errichteten in der Folge im Bereich des neu erworbenen Teilstückes einen Zaun, einen Abfallkübelstandplatz, pflanzten Sträucher und legten einen Stein ab.

Mit ihren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen begehrten die Kläger, die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, die Nutzung des aufgrund des Kaufvertrages vom 26.9.1989 und des Teilungsplanes vom 22.9.1989 vom Flurstück 168/1 abgeschriebenen und dem Flurstück 168/9 zugeschriebenen Trennstückes im Ausmaß von 171 m2 zum Zwecke des Gehens und Fahrens mit Fahrzeugen aller Art für die Grundstücke 168/7 und 168/8 zu dulden und dieses Servitutsrecht anzuerkennen. Die Beklagten seien weiters zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, den unter Punkt 1. des Klagebegehrens näher bezeichneten und in der der Klage beigeschlossenen Skizze grün schraffierten Servitutsbereich durch Entfernen der dort aufgestellten Hindernisse wie Zaun mit Tor, Postkasten, Aufstellplatz für Abfallkübel, Kette und Stein sowie Betonsteinfliesen in seinem ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Die Beklagten seien weiters zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, jedwede künftige Störung der den Klägern im Servitutsbereich eingeräumten Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit Fahrzeugen aller Art für die Grundstücke 168/7 und 168/8 zu unterlassen. Trotz der offenkundigen und im Grundbuch einverleibten Dienstbarkeit der Kläger auf dem von den Beklagten erworbenen Teilgrundstück hätten die Beklagten im Sommer 1989 dort einen Zaun mit Tor und verschiedene andere Hindernisse geschaffen, welche die Kläger in der Ausübung ihres Servitutsrechtes hinderten und einschränkten. Auf mehrmalige Aufforderungsschreiben der Kläger hätten die Beklagten nur insoweit reagiert, als sie den Zaun etwas zurückversetzt hätten. Er befinde sich aber nach wie vor im Servitutsbereich und behindere und erschwere den Klägern die Ausübung ihres Wegerechtes. Die Beklagten hätten zwar selbst anerkannt, daß der Servitutsbereich sich zumindest bis zu einer Wiesenböschung erstrecke. Entgegen ihren Behauptungen seien der Zaun sowie die übrigen Hindernisse jedoch ca. 4 m südlich der Wiesenböschung auf dem Servitutsbereich errichtet.

Die Beklagten bestritten das Klagebegehren und beantragten dessen Abweisung. Das von ihnen erworbene Trennstück im Ausmaß von 171 m2 stelle sich in der Natur so dar, daß es unmittelbar an die asphaltierte Fahrbahn anschließe, dann einen Bankettstreifen mit einer Breite von ca. 6 m aufweise und schließlich in eine Wiesenböschung übergehe. Die Dienstbarkeit könne sich daher lediglich auf die asphaltierte Fahrbahn und das angrenzende Bankett erstrecken, keinesfalls mehr aber auf die Wiesenböschung. Die Beklagten hätten am klagsgegenständlichen Grundstück den Zaun so weit zurückversetzt, daß zwischen asphaltierter Straße und Beginn des Zaunes ein freier Bankettstreifen von 6 m Breite existiere. Dadurch sei den Klägern das Ausüben ihrer Wegdienstbarkeit weder vereitelt noch erschwert. Es könne wohl aus vernünftigen Gründen nicht angenommen werden, daß die Kläger dieses Servitutsrecht auch auf der in der Natur vorhandenen Wiesenböschung ausüben wollten.

Das Erstgericht wies im ersten Rechtsgang das Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen fest, daß im Jahre 1983, als die Sechst- und Siebentkläger das Grundstück 168/8 erwarben, der Servitutsbereich bis zum Anstieg der Böschung zum Fahren und Wenden sämtlicher Fahrzeuge benützt worden sei, ohne daß dort irgendwelche Hindernisse vorhanden gewesen wären. Die Beklagten hätten in der Folge an der Südgrenze ihres Grundstückes einen Zaun errichtet, der nördlich der asphaltierten Fahrbahn im Osten 2,9 m und im Westen 4 m von dieser entfernt verlaufe. Weiters hätten die Beklagten an der Südgrenze ihres Grundstückes Sträucher gepflanzt und einen Abfallkübelstandplatz errichtet. Im Winter werde nur die asphaltierte Fahrbahn mittels Schneepflug vom Schnee geräumt und werde der Schnee auf dem nördlich daran angrenzenden Streifen aufgehäuft. Im Hinblick auf das Grundstück der Beklagten bestünden keine Probleme für die Durchführung des Winterdienstes. Der Servitutsbereich stehe zum Rangieren der Schneeräumfahrzeuge zur Verfügung. Auch für die Müllabfuhr bestehe keine Behinderung. Aus den Lichtbildern Beilage 1 sei erkennbar, daß die Beklagten den Zaun erst am Anstieg der Böschung errichtet hätten. Da sich der Zaun somit erst am Beginn der Böschung befinde und der Servitutsbereich bis dahin zum Fahren und Wenden der Fahrzeuge benutzbar sei, könne von einer ernstlichen Erschwernis oder Gefährdung des Servitutsrechtes der Kläger nicht gesprochen werden.

Das Gericht zweiter Instanz hob das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es erklärte, die im Kaufvertrag gewählte Formulierung sei so auszulegen, daß auch Müllabfuhr und Schneeräumung ungehindert möglich sein müßten. Der Umstand, daß sich die Beklagten beim Erwerb des Trennstückes verpflichtet hätten, alle Dienstbarkeiten, soweit das Trennstück davon betroffen sei, wie schon bisher geübt zu übernehmen, bedinge eine Ergänzung des Verfahrens. Es sei zu klären, aufgrund welchen Rechtsstitels auch dem Erstkläger eine Dienstbarkeit am Grundstück 168/1 zustehe und sodann sei der Umfang des Servitutsrechtes zu erheben und konkret festzustellen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Ortsaugenscheins und der vorgelegten Lichtbilder seien Feststellungen über den Verlauf des von den Beklagten errichteten Zaunes im Verhältnis zum Böschungsfuß zu treffen und werde sich das Erstgericht mit der Frage auseinanderzusetzen haben, welchen Einfluß das Aufstellen des Zaunes auf die Durchführung der Müllabfuhr und der Schneeräumung habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren im zweiten Rechtsgang abermals ab. Es stellte "in Ergänzung des Urteiles vom 17.Jänner 1992 ON 21" fest, daß auch den Rechtsvorgängern der Erstkläger das Recht des Gehens und Fahrens mit Fahrzeugen aller Art unter anderem über das Grundstück 168/1 eingeräumt worden sei. Der streitgegenständliche Zaun befinde sich mit seiner Südostecke 94 cm südlich der Nordgrenze des von den Beklagten hinzugekauften Teiles des Grundstückes 168/1. Diese Stelle befinde sich 2 m südlich des Böschungsfußes. Der Böschungsfuß befinde sich auf dem Grundstück 168/9 der Beklagten. An der Süd-West-Ecke sei der Zaun 2,5 m nach Süden hin vom Böschungsfuß entfernt. Sowohl Böschungsfuß als auch Zaun dehnten sich geradling in West-Ost-Richtung aus. Die Fahrzeuge der Müllabfuhr, der Schneeräumung und des Streudienstes führten ihre Arbeit vor der Errichtung des streitgegenständlichen Zaunes in gleicher Weise durch als nach der Errichtung desselben und stelle die Errichtung des Zaunes für die Ausführung dieser Dienste keine Behinderung dar. Auf der Fläche nördlich der asphaltierten Fahrbahn werde kein Schnee gelagert, bei größeren Schneemengen werde eine Fräse eingesetzt, auch mit diesem Gerät werde der Schnee in das Gelände südlich der asphaltierten Fahrbahn geblasen. Die Erstkläger hätten keine Probleme, ihre Fahrzeuge vor ihrem Grundstück zu parken, das streitgegenständliche Grundstück diene als Parkplatz für Bau-LKW und Besuche. Die Parkstellung der abgestellten Autos sei parallel zur Asphaltfahrbahn. Auch die durchgeführte Beweisergänzung habe an der im ersten Rechtsgang getroffenen rechtlichen Beurteilung nichts geändert.

Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil gab das Gericht zweiter Instanz der Berufung der Kläger Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es die Beklagten zur ungeteilen Hand schuldig erkannte, die Nutzung ihres aufgrund des Kaufvertrages vom 26.9.1989 erworbenen und im Teilungsplan vom 2.9.1989 mit der Zahl 1 bezeichneten Trennstückes im Ausmaß von 171 m2, das vom Flurstück 168/1 abgeschrieben und in das Flurstück 168/9 einbezogen wurde, zum Zwecke des Gehens und des Fahrens mit Fahrzeugen aller Art für die Grundstücke 168/7 und 168/8 zu dulden und dieses Servitutsrecht anzuerkennen. Die Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, den unter Punkt 1. des Spruches näher bezeichneten und in der der Klage beigeschlossenen Skizze grün schraffierten Servitutsbereich durch Entfernen der dort aufgestellten Hindernisse (Zaun mit Tor, Postkasten, Aufstellplatz für Abfallkübel, Kette, Stein und Betonsteinfliesen) im ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Die Beklagten seien weiters zur ungeteilten Hand schuldig, ab sofort jedwede Störung der den Klägern im Servitutsbereich eingeräumten Dienstbarkeit des Gehens und des Fahrens mit Fahrzeugen aller Art für die Grundstücke 168/7 und 168/8 zu unterlassen. Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteige in jedem der beiden miteinander verbundenen Verfahren S 50.000,--. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig.

Wie sich aus dem Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes ergebe, komme der tatsächlichen Ausübung der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens (einschließlich Parken und Umkehren von Fahrzeugen) entscheidende Bedeutung zu. Das Erstgericht habe seine Feststellungen ausdrücklich "in Ergänzung" des Urteiles aus dem ersten Rechtsgang getroffen. Dies bedeute, daß es seiner Entscheidung unter anderem auch die - sogar von den Beklagten in der Berufungsbeantwortung zugestandene - Feststellung zugrundelege, der Servitutsbereich sei "bis zum Anstieg der Böschung zum Fahren und Wenden sämtlicher Fahrzeuge benutzt" worden. Diese Feststellung sei im übrigen völlig unbedenklich. Nach dem durchgeführten Beweisverfahren stelle die Errichtung des Zaunes für die Müllabfuhr und die Schneeräumung keinerlei Behinderung dar. Die Kläger könnten daher ihr Begehren nicht wirksam darauf stützen, daß diese Dienste nun auf andere Weise vorgenommen werden als früher. Die beiden erstinstanzlichen Urteile stünden allerdings hinsichtlich der Feststellung, auf welcher Seite der Schnee abgelagert werde, in unlösbarem Widerspruch. Diese Frage berühre jedoch den Gegenstand dieses Verfahrens nicht, sondern sei von den Grundeigentümern mit den für die Schneeräumung zuständigen Stellen zu klären. Ausgehend von den vom Erstgericht seiner Entscheidung zugrundegelegten Feststellungen sei in rechtlicher Hinsicht darauf zu verweisen, daß der Dienstbarkeitsberechtigte zwar sein Recht nach Belieben ausüben, es aber gleichzeitig auf Natur und Zweck der Bestellung einschränken müsse. Dies bedeute, daß der Umfang des Rechtes vom Inhalt der Vereinbarung abhänge, sowie von Natur und Zweck der Dienstbarkeit und von der Kulturgattung und der Betriebsform, wobei es jeweils auf die Zeit der Bestellung der Dienstbarkeit ankomme, obwohl grundsätzlich eine Anpassung an geänderte Verhältnisse möglich sei. In diesem Rahmen seien die Interessen der Parteien in ein billiges Verhältnis zu setzen. Im vorliegenden Fall diene die Dienstbarkeit in erster Linie zum Erreichen der Grundstücke der Berechtigten zu Fuß und mit Fahrzeugen aller Art. Der Umfang des Fahrrechtes sei entsprechend der von den Beklagten im Kaufvertrag vom 28.9.1989 übernommenen Pflicht nach der Art der tatsächlichen Ausübung (einschließlich des Parkens und Umdrehens der Fahrzeuge) zu beurteilen. Dies stimme auch hier mit dem Zweck der Dienstbarkeit überein, weil damit das Zufahren zu den Grundstücken der Berechtigten das Abstellen der Fahrzeuge und das Wegfahren von diesen Grundstücken gewährleistet werden solle. Aus den Feststellungen im erstgerichtlichen Urteil könne geschlossen werden, daß sich der Böschungsfuß auf dem "alten" Grundstück 168/9 befinde, während der Zaun und die übrigen Hindernisse zumindest teilweise auf dem "neuen" Grundstück 168/1 (Teilfläche) stehe. Wenn nun aber feststehe, daß die Dienstbarkeit in der Vergangenheit bis zum Böschungsfuß ausgeübt wurde, somit auch noch auf dem "alten" Grundstück 168/9 der Beklagten, so bedeute dies selbstverständlich nicht, daß die Beklagten einen Teil des ursprünglichen Grundstückes 168/9 den Dienstbarkeitsberechtigten zur Verfügung stellen müssen. Wohl aber seien Zaun und Hindernisse, wie sie sich auf dem von den Beklagten erworbenen Trennstück des Grundstückes 168/1 befinden, zu entfernen, weil es den Klägern nicht zugemutet werden könne, auf einen Teil der von ihnen und ihren Rechtsvorgängern benützten Grundfläche zu verzichten und weil die Dienstbarkeit auch nicht in der Weise eingeschränkt werden dürfe, daß sie später in einem Anlaßfall nicht mehr ausgeübt werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhobene Revision der Beklagten ist zulässig und im Sinne der Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen berechtigt.

Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß das Ausmaß der Dienstbarkeit und der Umfang der dem Berechtigten zustehenden Befugnisse sich nach dem Inhalt des Titels richtet, bei dessen Auslegung insbesondere Natur und Zweck der Dienstbarkeit zur Zeit ihrer Einräumung zu beachten sind. Die Art der Ausübung ist zwar nach § 484 ABGB in das Belieben des Berechtigten gestellt, Dienstbarkeiten müssen aber, soweit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestattet, eingeschränkt werden. Dieser scheinbare Widerspruch findet darin seine Lösung, daß die Interessen des Berechtigten und die des Belasteten zueinander in ein billiges Verhältnis zu setzen sind (SZ 43/149; RZ 1985/27; JBl 1990, 584; 1 Ob 13/93).

Allerdings fehlt es hier zur zielführenden Anwendung dieser Rechtssätze an entsprechenden Sachverhaltsfeststellungen, wie das Berufungsgericht in seinem Aufhebungsbeschluß im ersten Rechtsgang zutreffend erkannt hat. Abgesehen davon, daß sich für die im zweiten Rechtsgang getroffene Feststellung, der Böschungsfuß befinde sich auf dem Grundstück 168/9 der Beklagten, keine nachvollziehbare Begründung finden läßt, und derartiges nicht einmal von den Beklagten behauptet wurde (vgl AS 13), mangelt es zumindest für den südwestlichen Bereich des strittigen Bereiches an jedem Anhaltspunkt dafür, wie der Böschungsfuß im Verhältnis zu der ursprünglich bestandenen Grenze zwischen dem Grundstück 168/9 und dem zugekauften Teilstück liegt. Erst dann könnte aufgrund der vom Erstgericht im zweiten Rechtsgang getroffenen Entfernungsangaben verläßlich festgestellt werden, ob der Zaun zur Gänze im Servitutsbereich liegt oder zumindest teilweise - etwa weil der Böschungsfuß so weit innerhalb des Grundstückes 168/9 situiert ist - außerhalb desselben. Diese Unsicherheit war offenkundig auch dem Berufungsgericht bewußt, da es auf AS 309 ausführt, daß aufgrund der zitierten Feststellung des Erstgerichtes geschlossen werden könne, der Zaun und die übrigen Hindernisse befänden sich "zumindest teilweise auf dem 'neuen' Grundstück 168/1 (Teilfläche)". Damit fehlt es aber an einer entscheidungswesentlichen Feststellungsgrundlage, da sich das Klagebegehren ausdrücklich nur auf die Freihaltung der von den Beklagten später angekauften Teilfläche bezieht.

Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren zweckdienlicherweise unter Zuziehung eines Sachverständigen aus dem Gebiet des Vermessungswesens die Lage des Böschungsfußes im Verhältnis zur Nordgrenze des hinzugekauften Teilgrundstückes sowie die Position der einzelnen klagsgegenständlichen Hindernisse exakt festzustellen haben. Hiebei wird vorerst durch entsprechende Befragung der Parteien zu klären sein, ob die örtlichen Gegebenheiten, insbesondere die Situierung des Böschungsfußes in der Zeit nach dem Zukauf des Teilstückes durch die Beklagten verändert wurde. Maßgebend für die Beurteilung kann nur jener Zustand sein, wie er sich für die Beklagten bei Abschluß des Kaufvertrages vom 26.9.1989 dargestellt hat. Falls erforderlich, werden die Parteien anzuleiten sein, entsprechendes Vorbringen zur Rekonstruktion der Lage des Böschungsfußes in diesem relevanten Zeitpunkt zu erstatten. Erst wenn der ursprüngliche Nutzungsbereich und die Position der nunmehr errichteten Hindernisse zu diesem in der Natur rekonstruiert ist, wird abschließend beurteilt werden können, ob die Beklagten in ein Dienstbarkeitsrecht der Kläger eingegriffen haben. Zu der eingangs dargestellten Interessenabwägung kann allerdings schon jetzt gesagt werden, daß bisher aus dem Akt keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen waren, daß das Interesse der Beklagten an der Errichtung eines Zaunes im strittigen Bereich jenes der Kläger am möglichst ungehindertem Zufahren und Wenden überwiegen könnte. In diesem Zusammenhang ist auch die bisher vom Erstgericht widersprüchlich gelöste Frage der Schneeablagerung von Bedeutung, da bei einer Verringerung der Ablagerungsfläche der für das Wenden verbleibende Raum ebenfalls geschmälert werden könnte. Daß vom Dienstbarkeitsrecht zumindest auch das Wenden der Fahrzeuge umfaßt war, ergibt sich entgegen der Annahme der Revisionswerber aus den vom Erstgericht im ersten Rechtsgang getroffenen Feststellungen, welche im zweiten Rechtsgang von beiden Vorinstanzen übernommen wurden. Auch ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß es mangels bisher erwiesenen berücksichtigungswürdigen Interesses der Beklagten nicht auf die den Klägern sonst zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, sondern nur darauf ankommt, wie die Dienstbarkeit im Zeitpunkt des mehrfach genannten Vertragsabschlusses ausgeübt wurde.

Es war daher der Revision Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 Abs.1 ZPO.

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