OGH 5Ob187/70

OGH5Ob187/709.9.1970

SZ 43/149

Normen

Mietengesetz §2
Mietengesetz §12 Abs3
Mietengesetz §2
Mietengesetz §12 Abs3

 

Spruch:

Kanalisierungsgebühren sind Betriebskosten i S des § 2 Abs 2 Z 8 MG, die gemäß § 12 Abs 3 MG auf fünf Jahre aufzuteilen sind. Kanaleinmundungsgebühren dagegen sind nicht Betriebskosten nach § 2 Abs 2 Z 8 MG, sondern nach Z 1 oder 6 dieser Gesetzesstelle; sie sind zufolge § 12 Abs 3 MG am Ersten eines jeden Kalendermonats zu entrichten, wenn dem Mieter die Höhe unter Vorlage der Rechnungsbelege nachgewiesen wird

OGH 9. September 1970, 5 Ob 187/70 (KG Wr Neustadt R 142/70; BG Baden Msch 2/70)

Text

Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin des Hauses in T, L-Straße 15, die Antragstellerin ist Mieterin der im I. Stock dieses Hauses gelegenen, aus 3 Zimmern, Küche und Nebenräumen bestehenden Wohnung.

Auf Grund eines Bescheides der Stadtgemeinde T vom 25. November 1968 mußte die Antragsgegnerin hinsichtlich ihrer Liegenschaft den Kanalanschluß durchführen. Mit Abgabenbescheid vom 22. Mai 1969 wurde ihr daraufhin eine Kanaleinmundungsgebühr von 12.000 S vorgeschrieben. Hievon entfallen auf die Antragstellerin 4845.60 S welcher Betrag ihr im September 1969 zur Gänze zur Bezahlung vorgeschrieben wurde.

Auf Antrag der Mieterin stellte das Erstgericht fest, daß hiedurch das gesetzlich zulässige Ausmaß des monatlichen Mietzinses überschritten wurde. Das Erstgericht begrundete diese Entscheidung wie folgt:

Kanalanschlußgebühren sind Betriebskosten nach § 2 Abs 2 Z 8 MG, die gem § 12 Abs 3 MG, aufgeteilt auf fünf Jahre, in gleichen, zu den einzelnen Zinsterminen fälligen Raten auf die Mieter überwälzt werden können. Durch die Vorschreibung des Gesamtbetrages wurde daher das gesetzliche zulässige Zinsausmaß überschritten.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß der Antrag der Mieterin abgewiesen wurde. Es wurde ausgesprochen, daß eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliege. Das Rekursgericht führte folgendes aus:

Nach § 2 Abs 1 MG bestehe der Mietzins aus dem Hauptmietzins, einem Anteil an den Betriebskosten und einem Anteil an den von der Liegenschaft zu entrichtenden laufenden öffentlichen Abgaben. § 12 Abs 3 MG regle die Fälligkeit der Betriebskosten- und Abgabenanteile, falls - wie im vorliegenden Fall - keine diesbezügliche Vereinbarung nach Abs 2 dieser Gesetzesstelle getroffen wurde, dahin, daß zu entrichten seien: a) der Anteil an der Erhaltung der Wasserversorgung aus einem Hausbrunnen oder einer nichtöffentlichen Wasserleitung, sofern auf den Mieter ein die Hälfte des von ihm zum gleichen Zinstermin zu entrichtenden Hauptmietzinses übersteigender Betrag entfällt, binnen einem Jahr,

b) der Anteil an den in § 2 Abs 2 Z 8 bezeichneten Betriebskosten binnen drei Jahren, soweit sich solche Betriebskosten jedoch auf die Kanalisierung beziehen, binnen fünf Jahren in gleichen, an den einzelnen Zinsterminen fällig werdenden Raten, c) alle übrigen Anteile an Betriebskosten und öffentlichen Abgaben am 1. eines jeden Kalendermonats, wenn dem Mieter deren Höhe vorher unter Vorlage der Rechnungsbelege nachgewiesen wird.

Nach § 2 Abs 2 Z 8 MG seien Betriebskosten, die mit der Durchführung einer kraft öffentlich-rechtlicher Verpflichtung vorgenommenen Neueinführung, wie Anschluß an eine Wasserleitung, Kanalisierung und dergleichen verbundenen notwendigen Kosten, soweit sie nicht als öffentliche Abgaben anzusehen seien, samt gewissen Zinsen und Kosten. Darunter seien also die Kosten der jeweiligen Neueinführung mit Ausnahme der öffentlichen Abgaben zu verstehen, im Falle eines Anschlusses an die Kanalisierung mit Ausnahme der den Hauseigentümer über die an die Gemeinde an entrichtende Kanalanschluß- oder - einmundungsgebühr hinaus treffenden Kosten für die Herstellung des Anschlusses. Die Kanalanschluß- und -einmundungsgebühren fielen zwar nicht unter § 2 Abs 1 lit c MG, weil es sich nicht um laufende öffentliche Abgaben von der Liegenschaft handle, sie seien aber Betriebskosten i S des § 2 Abs 2 Z 6 oder 1 MG. Die Fälligkeit der unter diesen Bestimmungen angeführten Gebühren werde durch den Inhalt des Bescheides der Verwaltungsbehörde bestimmt; sie könnten somit mit dem Tag ihrer Fälligkeit als Betriebskosten verrechnet werden.

Daß die hier vorgeschriebene Kanaleinmundungsgebühr eine öffentliche Abgabe sei, ergebe sich aus den §§ 1 und 2 des nö Kanalgesetzes und den §§ 1 und 243 Z 3 der nö Abgabenordnung.

Die Vorschreibung des gesamten auf die Antragstellerin entfallenden Anteils an der Kanaleinmundungsgebühr zur Zahlung mit dem September-Zins 1969, entspreche daher dem Gesetz. Die Antragstellerin habe nicht behauptet, daß die Betriebskosten nicht fällig gewesen oder daß ihr deren Höhe nicht wenigstens drei Tage vorher unter Vorlage der Belege nachgewiesen worden seien. Überdies ergebe sich die Erfüllung dieser Voraussetzungen aus dem Akt 3 C 904/69 des Erstgerichtes.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Antragstellerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der im Revisionsrekurs vertretenen Ansicht, die strittige Kanaleinmundungsgebühr stelle die Gegenleistung für bestimmte Leistungen der Gemeinde dar und sei daher keine Abgabe, welche nur dann vorliege, wenn sie ohne konkrete Gegenleistungen zu erbringen sei, kann nicht gefolgt werden. Die Begriffe "Abgaben" und "Gebühren" sind weder in der nö Abgabenordnung noch im sonstigen Abgabenrecht definiert. In der Abgrenzung dieser Begriffe bestehen seit jeher gewisse Meinungsverschiedenheiten zwischen der Finanzgesetzgebung und der Finanzwissenschaft. Nach Wittschieben (Die allgemeinen Grundlagen des österr Finanzwesens, 1926, 8 f) sind "Abgaben" nach der Terminologie des österr Finanzrechtes kein feststehender, sondern ein schwankender Begriff; die Theorie versteht darunter sowohl die Steuern wie die Gebühren. Nach Reeger - Stoll (Komm z Bundesabgabenordnung, 1966, 6) sind unter dem Begriff "öffentliche Abgaben" i S der Finanzverfassung, der enger ist als der von der Finanzwissenschaft verwendete gleiche Ausdruck, alle einmaligen oder laufenden Geldleistungen zu verstehen, die kraft öffentlichen Rechtes (auf Grund einer generellen Norm) zwecks Erzielung von Einnahmen der Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden) zur Bestreitung eines Aufwandes im öffentlichen Interesse allen auferlegt werden, die die objektiven Tatbestände der materiellen Abgabengesetze erfüllen, wobei die die Leistung begrundenden Tatbestände nach Grund und Höhe bestimmt sein müssen. Es sind also darunter sowohl rein fiskalischen Charakters (Steuern, Zölle) als auch Abgaben zu verstehen, die aus Anlaß der Erbringung einer Leistung der Gebietskörperschaft (mehr oder weniger als Gegenleistung) gefordert werden (z B Gebühren).

Der Umstand, daß der von der Stadtgemeinde T bescheidmäßig vorgeschriebene Betrag für die Kanaleinmundung im nö Kanalgesetz, LGBl f NÖ 1954/6 als "Gebühr" bezeichnet wird, nimmt ihm daher ebensowenig den Charakter einer öffentlichen Abgabe, wie die Tatsache, daß ihm eine konkrete Gegenleistung der Gemeinde gegenübersteht.

Mit Recht verweist das Rekursgericht auch darauf, daß die nö Kanaleinmundungsgebühr unter den Begriff der öffentlichen Abgaben nach § 1 der nö Landesabgabenordnung, LGBl f NÖ 1963/143, fällt, da § 243 Z 3 dieses Gesetzes bestimmte Verfahrensvorschriften des nö Kanalgesetzes als durch die Abgabenordnung überholt aufgehoben hat.

Auch der weitere Einwand der Rekurswerberin, es würde der ratio des § 12 Abs 3 MG zuwiderlaufen, wenn zwar die Kosten der Erhaltung der Wasserversorgung aus einem Hausbrunnen oder einer nichtöffentlichen Wasserversorgung sowie die Kosten des Anschlusses an die öffentliche Wasserleitung oder Kanalisierung auf ein, drei und fünf Jahre aufgeteilt würden, während die Kanaleinmundungsgebühr auf einmal zu entrichten sei, ist nicht überzeugend. Zunächst wird die Kanaleinmundungsgebühr auch für den Hauseigentümer durch die verwaltungsbehördliche Vorschreibung sofort zur Gänze fällig; es kann ihm daher nicht zugemutet werden, diese Gebühr sofort aus seinem Vermögen zu bezahlen und sie erst in mehreren Jahren ratenweise von den Mietern hereinzubekommen. Davon abgesehen aber hat der ganze Fragenkomplex der Betriebskosten eine ins Detail gehende gesetzliche Regelung erfahren. Nach dieser sind eben die mit dem Anschluß an eine Kanalisierung verbundenen notwendigen Kosten nur soweit Betriebskosten i S des § 2 Abs 2 Z 8 MG als sie nicht als öffentliche Abgaben anzusehen sind. Es sind also zwar Kanalisierungsgebühren Betriebskosten i S der Z 8, die gem § 12 Abs 3 MG auf fünf Jahre aufzuteilen sind (vgl 278 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des NR VI. GP);

Kanaleinmundungsgebühren hingegen sind nicht Betriebskosten nach § 2 Abs 2 Z 8 MG, sondern nach Z 1 oder 6 dieser Gesetzesstelle und sind zufolge § 12 Abs 3 MG am Ersten eines jeden Kalendermonats zu entrichten, wenn dem Mieter die Höhe unter Vorlage der Rechnungsbelege nachgewiesen wird. Angesichts dieser eindeutigen gesetzlichen Regelung ist für eine anderweitige Bestimmung der Fälligkeit der Kanaleinmundungsgebühr kein Raum (so schon mit ausführlicher Begründung MietSlg 7954 = Bd XII 2. Teil Nr 23).

Der Rekurswerberin kann aber auch darin nicht gefolgt werden, daß die sofortige Fälligkeit nach § 12 Abs 3 MG deshalb nicht eintrete, weil diese Bestimmung zufolge des Klammerzitates "(§ 2 Abs 1 lit b und c)" nur auf laufende öffentliche Abgaben Anwendung finde, zu welchen die Kanaleinmundungsgebühr nicht zähle. Für diese Gebühr gelten - wie schon ausgeführt - die Bestimmungen des § 2 Abs 2 Z 1 bzw § 2 Abs 2 Z 1 bz w 6 MG als Sonderbestimmung, wonach sie zu den Betriebskosten, allerdings nicht nach Z 8, zu rechnen ist.

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