OGH 12Os91/95(12Os96/95)

OGH12Os91/95(12Os96/95)3.8.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.August 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Tschugguel als Schriftführer, in der bei dem Landesgericht Wels zum AZ 14 Vr 558/95 anhängigen Strafsache gegen Werner F***** wegen des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter achtzehn Jahren nach § 209 StGB über die Grundrechtsbeschwerden des Angeklagten gegen die Beschlüsse

1. des Landesgerichtes Wels vom 16.Juni 1995, GZ 14 Vr 558/95-32, sowie

2. des Oberlandesgerichtes Linz vom 19.Juni 1995, AZ 7 Bs 208/95 (GZ 14 Vr 558/95-34 des Landesgerichtes Wels)

nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung

I. den

Beschluß

gefaßt:

Die Beschwerde gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels vom 16. Juni 1995 (ON 32) wird zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Durch den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 19.Juni 1995, AZ 7 Bs 208/95, wurde Werner F***** in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit - zufolge Nichtigkeitsbeschwerde nicht rechtskräftigem - Urteil des Landesgerichtes Wels als Schöffengericht vom 27.Juni 1995 (ON 39), wurde der am 2.Oktober 1963 geborene Werner F***** des Verbrechens nach § 209 StGB schuldig erkannt und zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, weil er in zwei Angriffen am 7. und 8.Jänner 1995 in Neumarkt im Hausruck nach Vollendung des neunzehnten Lebensjahres mit dem am 21.März 1977 geborenen, sohin siebzehnjährigen Christian S***** gleichgeschlechtliche Unzucht trieb.

Werner F***** befindet sich seit 12.Mai 1995 in Haft (S 107). An diesem Tag verhängte der Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Wels über ihn die Untersuchungshaft wegen Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 2, Z 3 lit b sowie lit c StPO (ON 9). Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Linz am 24.Mai 1995 (ON 22) nicht Folge. Eine gegen diese Beschwerdeentscheidung ergriffene Grundrechtsbeschwerde blieb ohne Erfolg (12 Os 87/95).

In der Haftverhandlung vom 18.Mai 1995 wurde die Fortsetzung der Untersuchungshaft (nur noch) aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b und lit c StPO beschlossen und die Wirksamkeit dieses Beschlusses bis 18.Juni 1995 deklariert (ON 21).

Da der Wahlverteidiger nicht erschienen war wurde die (kurzfristig anberaumte) nächste Haftverhandlung am 16.Juni 1995 in seiner Abwesenheit, jedoch in Anwesenheit des nunmehrigen Angeklagten und einer ihm gemäß § 42 Abs 4 StPO als Verteidigerin beigegebenen Richterin des Landesgerichtes mit dem Ergebnis durchgeführt, daß mit dem unter I. angeführten Beschluß die Fortsetzung der Untersuchungshaft angeordnet und eine Haftfrist bis 16.August 1995 ausgelöst wurde. Gegen diesen Beschluß beschwerte sich Werner F***** weder in der Haftverhandlung noch in der dreitägigen Rechtsmittelfrist.

Mit dem unter II. angeführten Beschluß vom 19.Juni 1995 (ON 34) sprach das Oberlandesgericht Linz anläßlich der Entscheidung über den Anklageeinspruch (§ 214 Abs 2 StPO) aus, daß die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr fortzusetzen und der Haftbeschluß bis längstens Montag 21.August 1995 wirksam ist (§ 181 Abs 3 StPO).

Rechtliche Beurteilung

Gegen die Beschlüsse (I.) des Landesgerichtes Wels vom 16.Juni 1995 und (II.) des Oberlandesgerichtes Linz vom 19.Juni 1995 richten sich die Grundrechtsbeschwerden des Angeklagten.

I. Zur Grundrechtsbeschwerde gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels vom 16.Juni 1995:

Die Beschwerde ist unzulässig

Nach § 1 Abs 1 GRBG steht dem Betroffenen die Grundrechtsbeschwerde nur nach Erschöpfung des Instanzenzuges offen. Vorliegend hat weder Werner F***** noch die ihm beigegebene Verteidigerin, noch sein Wahlverteidiger - dem die am 13.Juni 1995 abgefertigte Ladung zur Haftverhandlung nach seinen Angaben erst am Nachmittag des 16.Juni 1995 zugekommen war, der ab diesem Zeitpunkt aber das Resultat der Verhandlung von seinem Mandanten unschwer erfragen konnte - von der in § 182 Abs 4 StPO vorgesehenen Beschwerdemöglichkeit Gebrauch gemacht. Da es mithin an einer der Grundvoraussetzungen zur Erhebung der Grundrechtsbeschwerde mangelt, war diese zurückzuweisen.

II. Zur Grundrechtsbeschwerde gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 19.Juni 1995:

Der Behauptung, der Gerichtshof zweiter Instanz hätte am 19.Juni 1995 die Haftfrist nicht mehr gemäß § 181 Abs 3 StPO verlängern dürfen, diese sei bereits am Tag davor abgelaufen, weil die Haftverhandlung vom 16.Juni 1995 im Hinblick darauf, daß dem Wahlverteidiger die Ladung erst danach zugestellt wurde, unwirksam wäre, ist zu erwidern, daß die im Zeitpunkt der Verhandlung nicht ausgewiesene Zustellung der Ladung an den ausgewiesenen Verteidiger die Durchführung der Verhandlung nicht hinderte und durch die Anwesenheit einer für den Beschwerdeführer bestellten Verteidigerin aus dem Richterstande die formellen Voraussetzungen - einschließlich der Wahrung des Parteiengehörs - für die Beschlußfassung nach § 181 Abs 2 StPO gegeben waren.

Darüberhinaus war dieser formelle Einwand gegen die - nicht angefochtene - Entscheidung des Untersuchungsrichters vom 16.Juni 1995 nicht Gegenstand der gemäß § 214 Abs 2 StPO vorgenommenen Haftprüfung durch den Gerichtshof zweiter Instanz und kann die unterbliebene Anfechtung auch nicht im Wege einer Grundrechtsbeschwerde gegen die aus anderen Gründen ergangene Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz nachgeholt werden.

Aus den dargelegten Erwägungen scheitert aber auch der mit dem erörterten Einwand verbundene Vorwurf unmenschlicher und erniedrigender Behandlung (Art 3 EMRK), der sich zudem über den Anwendungsbereich des auf den Schutz des Grundrechts auf persönliche Freiheit beschränkten Grundrechtsbeschwerdegesetzes hinwegsetzt.

Soweit der Beschwerdeführer neuerlich - mit gleichlautender Begründung wie in seiner Grundrechtsbeschwerde gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 24.Mai 1995 - die Unverhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft und eine unrichtige Beurteilung "der Haftgründe" releviert, ist er auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 29.Juni 1995 (AZ 12 Os 87/95) zu verweisen, deren Entscheidungsgrundlage durch die mittlerweile erfolgte Verurteilung in erster Instanz keine für ihn günstige Veränderung erfuhr.

Die beiden Beschwerden ziehen wegen ihrer Erfolglosigkeit keinen Kostenausspruch nach sich (§ 8 GRBG).

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