Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Franz W***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 1, 86 StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er am 18. August 1994
1. in S***** Charlotte B***** durch drei gegen den linken und den mittleren Brustbereich geführte wuchtige Stiche mit einem 15 cm Klingenlänge aufweisenden Fleischmesser vorsätzlich getötet;
2. in S***** Lore W***** durch Erfassen an der Kehle mit beiden Händen und kräftiges Zupressen vorsätzlich am Körper verletzt, wobei die Tat den Tod der Genannten zur Folge hatte.
Die Geschworenen bejahten die auf Mord an Charlotte B***** gerichtete Hauptfrage I stimmeneinhellig, wobei sie die für den Fall deren Verneinung in Richtung Totschlag gestellte Eventualfrage 1 im Einklang mit der ihnen erteilten Rechtsbelehrung unbeantwortet ließen. Hingegen verneinten sie die auf Mord an Lore W***** gerichtete Hauptfrage II stimmeneinhellig, beantworteten die auf Totschlag lautende Eventualfrage 2 im Stimmenverhältnis 4 : 4 und bejahten schließlich die auf Körperverletzung mit tödlichem Ausgang gerichtete Eventualfrage 3 stimmenmehrheitlich.
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte bekämpft lediglich den Schuldspruch wegen des Verbrechens des Mordes mit einer auf die Z 5, 6, 9, 10 a und 12 sowie den Strafausspruch mit einer auf den Nichtigkeitsgrund der Z 13 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Die Verfahrensrüge (Z 5) richtet sich gegen die Abweisung zweier in der Hauptverhandlung gestellter Beweisanträge. Nachdem die neuropsychiatrischen Sachverständigen Univ.Prof. Dr. M***** und Univ.Prof. Dr. Q***** in der Hauptverhandlung gehört worden waren, ohne daß der Beschwerdeführer an sie Fragen dahin gestellt hatte, ob er an einem paranoiden Syndrom leide, beantragte er die Einvernahme des Univ.Prof. Dr. L***** als Zeugen zum Beweis dafür, daß dieser im Rahmen einer eigenen Untersuchung im November 1994 ein solches Syndrom festgestellt habe. Dieses müsse bereits zum Tatzeitpunkt vorhanden gewesen sein und habe die Kontrollmöglichkeit über das eigene Handeln noch erheblicher vermindert, sodaß die Handlungsfähigkeit bzw Zurechnungsfähigkeit noch wesentlich mehr eingeschränkt als von den Sachverständigen angenommen bzw überhaupt nicht mehr vorhanden gewesen sei (235/III). Der Beweisantrag zielte somit der Sache nach auf die Erschütterung der Gutachten der vom Gericht bestellten Sachverständigen und auf die Einführung gutächtlicher Äußerungen Dris. L***** in das Verfahren ab, weil es sich bei der Konstatierung eines paranoiden Syndroms um eine Diagnose und damit um das Ergebnis einer gutachterlichen Tätigkeit handelt. Die Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen wiesen aber keine solchen Widersprüche oder Mängel auf, die Anlaß für die Einholung eines weiteren Gutachtens geboten hätten (§ 126 Abs 1 und Abs 2 StPO iVm §§ 248 Abs 1, 308 Abs 1 StPO). Daß aber die befundmäßige Grundlage der Sachverständigengutachten - zu deren Erweiterung Univ.Prof. Dr. L***** durch Wiedergabe seiner eigenen Wahrnehmungen als Zeuge allenfalls hätte beitragen können - mangelhaft wäre, hat der Beschwerdeführer in seinem Beweisantrag gar nicht vorgebracht. Die Rechte der Verteidigung wurden somit durch die Abweisung dieses nicht entsprechend substantiierten Beweisantrages nicht verletzt.
Gleiches gilt für die Abweisung des Antrages auf Vernehmung der Zeugin Christine H***** zum Beweis für die eheliche Situation zwischen dem Angeklagten und Lore W*****, insbesondere den Umstand, daß seine Frau schon seit längerer Zeit mehrere außereheliche Verhältnisse unterhalten und sich ihm gegenüber sehr lieblos verhalten habe (121 ff/III). Zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Beweisantrag lagen nämlich bereits die schriftlichen - anschließend eingehend erörterten - Gutachten der neuropsychiatrischen Sachverständigen vor, denen zufolge der Angeklagte an quälender Eifersucht in bezug auf seine Gattin gelitten hatte (105, 451/II). Weiters hatte Rudolf P***** bei seiner Einvernahme durch die Bundespolizeidirektion Salzburg ausdrücklich zugegeben, mit Lore W***** eine intime Freundschaft unterhalten zu haben (115/I); die Niederschrift über dessen Vernehmung wurde durch Verlesung gleichfalls in die Hauptverhandlung eingebracht (239/III). Die in der Beschwerdeschrift aufgestellte Behauptung, es dürfe ernsthaft bezweifelt werden, daß der - insbesondere die Eheprobleme des Angeklagten betreffende - Akteninhalt den Geschworenen ausreichend zur Kenntnis gelangt sei, erweist sich daher als haltlos.
Gestützt auf den Nichtigkeitsgrund der Z 6 des § 345 Abs 1 StPO rügt der Beschwerdeführer die Formulierung der auf Mord an Charlotte B***** gerichteten Hauptfrage I, welche nach seinem Vorbringen durch die Worte "ohne daß er sich hiezu durch eine allgemein begreifliche heftige Gemütsbewegung hat hinreißen lassen" zu ergänzen gewesen wäre. Er läßt hiebei außer Acht, daß nach § 312 Abs 1 zweiter Satz StPO in die Hauptfrage nur die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung aufzunehmen und die besonderen Umstände der Tat nach Ort, Zeit, Gegenstand usw soweit beizufügen sind, als es zur deutlichen Bezeichnung der Tat (Individualisierung) oder für die Entscheidung über die Entschädigungsansprüche notwendig ist (SSt 58/26). Damit hat sich die Hauptfrage an der gesetzlichen Tatbestandsumschreibung zu orientieren, wogegen Umstände, die in der gesetzlichen Definition des Deliktes nicht enthalten sind, in die Frage nicht aufzunehmen sind (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 312 ENr 19). Die Erläuterung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung und damit auch die Unterscheidung der Delikte, nach welchen Schuldfragen gestellt wurden - vorliegend des Verbrechens des Mordes vom Verbrechen des Totschlages -, sind hingegen nicht Gegenstand der Fragestellung, sondern der Rechtsbelehrung, welche abstrakt in einer schriftlichen (§ 321 StPO) und fallbezogen konkret in einer mündlichen Belehrung (§ 323 Abs 2 StPO) zu erfolgen hat (13 Os 133/92). Die vom Schwurgerichtshof gewählte Formulierung der Hauptfrage I entsprach daher dem Gesetz.
Unter Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes des § 345 Abs 1 Z 9 StPO bringt der Beschwerdeführer vor, daß die Antwort der Geschworenen auf die gestellten Fragen undeutlich und unvollständig sei, wobei er aus der Niederschrift der Geschworenen abzuleiten sucht, daß diese sich nicht darüber im klaren gewesen seien, "wann die Voraussetzungen des § 76 StPO vorliegen". Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund kann aber ausschließlich aus dem Wahrspruch selbst, nicht aber aus der gemäß § 331 Abs 3 StPO zu verfassenden Niederschrift abgeleitet werden (Mayerhofer/Rieder aaO § 345 Z 9 ENr 7). Die stimmeneinhellige und uneingeschränkte Bejahung der Hauptfrage I läßt jedoch nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig, während die Unterlassung der Beantwortung der Eventualfrage 1 - infolge vorheriger Bejahung der Hauptfrage - der im Verfahren vor dem Geschworenengericht zu beachtenden Vorgangsweise entspricht und somit keine Unvollständigkeit der Antwort der Geschworenen darstellt. Im übrigen vermag ein Irrtum der Geschworenen Nichtigkeit des Urteils nach der Z 9 des § 345 Abs 1 StPO nicht zu begründen.
Mit der Tatsachenrüge (Z 10 a) wendet sich der Beschwerdeführer gegen den Umstand, daß die Geschworenen durch die Bejahung der Hauptfrage I die Feststellung abgelehnt haben, daß er sich zur Tat in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung hinreißen lassen habe, vermag aber mit seinen weitwendigen Ausführungen keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Nach den vorliegenden neuropsychiatrischen Gutachten handelte der Angeklagte nämlich bei der Tötung der Charlotte B***** - im Gegensatz zu seinem Gemütszustand bei der Tötung seiner Ehefrau Lore W***** - bloß in einem mittelgradigen Affekt (111, 117/II, 205, 217/III), weswegen sich solche Bedenken gegen den Schluß der Geschworenen, daß sich der Beschwerdeführer zur Tötung der Charlotte B***** nicht in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung hinreißen lassen hatte, nicht erheben.
Mit der Subsumtionsrüge (Z 12) strebt der Beschwerdeführer einen Schuldspruch bloß wegen des Verbrechens des Totschlages nach § 76 StGB an, weil die Bejahung der Hauptfrage I nicht die Annahme einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung bei der Tatbegehung ausschließe. Er läßt hiebei den Umstand außer Acht, daß die Geschworenen durch die Bejahung der auf Mord gerichteten Hauptfrage implizit die Feststellung des Vorliegens eines nach § 76 StGB tatbestandsmäßigen Gemütszutandes abgelehnt haben. Da die Rüge somit nicht vom gesamten im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten Tatsachensubstrat ausgeht, erweist sie sich als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt.
Mit der Strafzumessungsrüge (Z 13) sucht der Beschwerdeführer weitere Milderungsgründe geltend zu machen. Er verkennt, daß der erwähnte Nichtigkeitsgrund nur in der rechtsfehlerhaften Bewertung von festgestellten Strafbemessungstatsachen liegen kann, wogegen die mangelnde Berücksichtigung eines mildernden Umstandes bloß ein auf Überprüfung der Ermessensentscheidung der Strafzumessung gerichtetes Berufungsvorbringen darstellt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Aber auch die Berufungen sind unberechtigt.
Das Geschworenengericht wertete bei der Strafbemessung als erschwerend das Zusammentreffen zweier Verbrechen sowie die heimtückische und unter Ausnützung der Wehr- oder Hilflosigkeit des Opfers verübte Tatausführung betreffend Charlotte B*****, als mildernd nahm es hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten und das Geständnis zur Körperverletzung mit tödlichem Ausgang sowie die affektive Einengung des Angeklagten zu den Tatzeiten an. Davon ausgehend hielt es eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Jahren für tat- und schuldangemessen.
Der Angeklagte strebt mit seiner Berufung eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB, die Staatsanwaltschaft hingegen Straferhöhung an.
Allein dem Zusammentreffen von zwei so gravierenden Straftaten wie hier kommt ein derartiges Gewicht zu, daß von einem Überwiegen der Milderungsgründe keine Rede sein kann, schon gar nicht von einem beträchtlichen Überwiegen, wie dies § 41 Abs 1 StGB veraussetzt. Vom Geschworenengericht unberücksichtigt gelassene Milderungsgründe wurden vom Berufungswerber nicht aufgezeigt. Der objektiven Schilderung der Mordtat an Charlotte B***** mangelt das Erfordernis eines reumütigen Geständnisses in der Bedeutung der Z 17 des § 34 StGB; ein bloßes "Tatsachengeständnis", also das Zugeben bloßer Tatsachen, erfüllt die Anforderungen dieses Milderungsgrundes nicht (Leukauf-Steininger Komm3 § 34 RN 26). Selbst wenn man aber den Primäreinlassungen des Angeklagten die Eignung eines Geständnisses zuerkennen wollte, käme diesem in Anbetracht der seine Schuld in Abrede stellenden Verantwortung in der Hauptverhandlung kein besonderes Gewicht zu. Inwieweit der Umstand, daß der Angeklagte seine Frau "sicherlich nicht lange gewürgt" habe, einen Milderungsgrund darstellen soll, ist nicht ersichtlich. Schließlich war dem Angeklagten auch der reklamierte Milderungsgrund der Berauschung (§ 35 StGB) nicht zugute zu halten. Ein selbstverschuldeter, durch den Genuß berauschender Mittel hervorgerufener, die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließender Rauschzustand kann nur ausnahmsweise mildernd wirken, nämlich dann, wenn der Vorwurf, daß sich der Täter in einen solchen Rauschzustand versetzt hat, die durch den Rauschzustand bewirkte verminderte Zurechnungsfähigkeit nicht aufwiegt. Im vorliegenden Fall waren dem Angeklagten die Wirkungen des Alkohols bekannt, die durch den Genuß von Alkohol herabgesetzte Zurechnungsfähigkeit wurde daher durch das in seinem Verhalten gelegene mangelnde soziale Verantwortungsbewußtsein aufgewogen. Daß der Angeklagte im Zustand herabgesetzter Zurechnungsfähigkeit gehandelt hat, hat das Geschworenengericht ohnedies den Strafbemessungserwägungen mit zugrundegelegt. Die übrigen von der Berufung reklamierten Milderungsgründe finden in der Aktenlage keine Deckung. Zu einer Reduktion der über den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe bestand daher kein Anlaß.
Aber auch die Staatsanwaltschaft, die in ihrer Berufung lediglich die Gewichtung der Erschwerungsgründe kritisiert, ist mit diesem Argument nicht im Recht. Die demzufolge im wesentlichen richtig und vollständig berücksichtigten Strafzumessungsgründe hat das Geschworenengericht auch ihrem Gewicht entsprechend gewürdigt. Angesichts des hohen Schuld- und Unrechtsgehaltes der vorliegenden Straftaten wurde die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe nicht zu gering, aber auch keineswegs zu hoch ausgemessen.
Beiden Berufungen war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung basiert auf § 390 a StPO.
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