European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:E30411
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Wolfgang G* des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 5. Jänner 1992 in Bruck an der Leitha Bettina G* durch Versetzen von zumindest zwei sehr wuchtigen Schlägen gegen die rechte Schläfenregion sowie von drei wuchtigen Schlägen gegen die linke Stirnregion und durch kräftiges Würgen des Halses vorsäzlich getötet.
Die Geschworenen hatten die anklagekonforme Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes stimmeneinhellig bejaht und demgemäß die Eventualfrage nach dem Verbrechen des Totschlages (§ 76 StGB) unbeantwortet gelassen. Weitere Fragen waren ihnen nicht gestellt worden.
Das Urteil bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die auf die Gründe der Z 6, 8, 12 und 13 des § 345 Abs 1 StPO gestützt wird; den Strafausspruch ficht er (überdies) mit Berufung an.
Rechtliche Beurteilung
Als Verletzung von Vorschriften über die Fragestellung (Z 6) macht der Beschwerdeführer geltend, angesichts der Frage, ob ihm Mord oder Totschlag anzulasten wäre, sei rechtserheblich, ob er mit vorgefaßtem Tötungsvorsatz vorgegangen sei oder nicht. Indem die Formulierung der Hauptfrage diesbezügliche Überlegungen vermissen lasse, habe der Schwurgerichtshof die Bestimmung des § 312 StPO verletzt.
Dem ist zu erwidern, daß gemäß dem § 312 Abs 1 StPO die Hauptfrage darauf zu richten ist, ob der Angeklagte schuldig ist, die der Anklage zugrunde liegende strafbare Handlung begangen zu haben. Dabei sind alle gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung in die Frage aufzunehmen und die besonderen Umstände der Tat nach Ort, Zeit, Gegenstand usw. so weit beizufügen, als es zur deutlichen Bezeichnung der Tat oder für die Entscheidung über die Entschädigungsansprüche notwendig ist. Da ein bereits vorgefaßter Tötungsvorsatz nicht zu den Merkmalen des Tatbestandes des Mordes nach dem § 75 StGB zählt und dieser Umstand nach Lage des Falles für die Tatindividualisierung gleichfalls unbeachtlich ist, hat der Schwurgerichtshof zu Recht die Frage eines solchen vorgefaßten Tötungsvorsatzes nicht in die Hauptfrage aufgenommen. Dieses Postulat der Nichtigkeitsbeschwerde wäre vielmehr geeignet, die Geschworenen bei der Beurteilung, ob Mord oder Totschlag gegeben sei, zu verwirren. Die für die Unterscheidung dieser Delikte erforderlichen, für die richtige Anwendung der Gesetzesbestimmungen rechtlichen Aspekte sind nämlich nicht Gegenstand der Fragestellung, sondern der Rechtsbelehrung, wobei sie abstrakt in der schriftlichen (§ 321 SPO), fallbezogen konkrekt aber in der mündlichen Belehrung (§ 323 Abs 2 StPO) zu erörtern sind. Da die Abfassung der vorliegenden Hauptfrage der Voraussetzung des § 312 Abs 1 StPO vollauf gerecht wird, liegt diese behauptete Nichtigkeit nicht vor.
Sofern der Beschwerdeführer in dem Zusammenhang durch den oben angeführten behaupteten Verstoß gegen die Fragestellung das Vorliegen eines Feststellungsmangels dahin behauptet, daß die "Konkretisierung der Fragen" und die "Angabe der subsumierten Tatsachen" mangelhaft seien, bringt er den relevierten Nichtigkeitsgrund der Z 12 nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung. Denn die gesetzmäßige Ausführung dieses Nichtigkeitsgrundes setzt einen Vergleich der im Wahrspruch der Geschworenen enthaltenen und damit festgestellten Tatsachen (siehe § 351, zweiter Satz, StPO) mit dem darauf angewendeten Strafgesetz voraus. Der Angeklagte behauptet aber gar nicht, daß die Feststellungen im Wahrspruch durch unrichtige Gesetzesauslegung einem Strafgesetz unterzogen wurde, das darauf nicht anzuwenden ist.
Dem Beschwerdevorbringen zur Z 8 zuwider erweist sich die den Geschworenen erteilte Rechtsbelehrung als nicht unvollständig. Der Beschwerdeführer vermißt zum Tatbestand des Verbrechens des Totschlages "mehr als pauschale Hinweise", unter welchen Umständen eine Gemütsbewegung allgemein begreiflich ist; die Rechtsbelehrung: "die Gemütsbewegung dürfe nicht im Charakter des Täters, nicht in seinen allenfalls vorhandenen verwerflichen Leidenschaften oder Neigungen liegen, sondern müsse vielmehr in äußeren Umständen begründet sein", sowie der Hinweis, daß "dem Täter kein sittlicher Vorwurf gemacht werden darf, daß er in den psychischen Ausnahmezustand geriet", sei zu wenig. Dabei übergeht der Angeklagte aber die Passage auf Seite 4 der schriftlichen Rechtsbelehrung: "Allgemein begreiflich ist eine Gemütsbewegung dann, wenn sich auch der Durchschnittsmensch vorstellen kann, auch er wäre unter den gegebenen Umständen des Einzelfalles in eine solche Gemütsverfassung geraten". Der solcherart definierte Gesetzesausdruck: "allgemein begreiflich" in der Bedeutung des § 76 StGB entspricht der herrschenden Lehre (Kienapfel, BT I3, § 76 Rz 26, Leukauf‑Steininger, Komm3, § 76 RN 11) und Rechtsprechung (SSt 46/49, JBl 1986/261).
Sofern der Beschwerdeführer aber die Niederschrift der Geschworenen zum Inhalt seines Beschwerdevorbringens macht, ist ihm zu erwidern, daß diese nicht zum Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde erhoben werden darf (EvBl 1966/468; 1980/170).
Letztlich versagt auch die Strafzumessungsrüge (Z 13), in deren Rahmen der Angeklagte zunächst mit der Behauptung einer unrichtigen Beurteilung von für die Strafbemessung maßgebenden entscheidenden Tatsachen die "fälschliche Annahme von Erschwerungsumständen und die Übergehung von Milderungsgründen" reklamiert. Denn er verkennt, daß unter dem Nichtigkeitsgrund des zweiten Anwendungsfalles der Z 13 des § 345 Abs 1 StPO nur die rechtsfehlerhafte Beurteilung von Strafzumessungstatsachen, nicht aber die Feststellung oder Nichtfeststellung des Strafzumessungssachverhaltes bekämpft werden kann (EvBl 1988/115; 1989/15, 53, 63). Demnach kann das vom Beschwerdeführer behauptete Übergehen weiterer Milderungsgründe, zu dem ein Tatsachensubstrat im Urteil nicht festgestellt wurde, nur mit Berufung bekämpft werden.
Nicht stichhältig ist weiters auch der Einwand, das Geschworenengericht habe deshalb in unvertretbarer Weise gegen Bestimmungen über die Strafbemessung verstoßen (Z 13, dritter Fall), weil es ungeachtet des berührenden Tatmotivs (Angst und Sorge um sein Kind) über den Angeklagten die zeitliche Höchststrafe verhängt habe. Bei dieser Nichtigkeit kommt es nämlich nicht darauf an, ob die verhängte Sanktion als solche unvertretbar ist, sondern vielmehr auf die Unvertretbarkeit der dabei herangezogenen Kriterien mit den nach dem Gesetz in concreto anzuwendenden Strafzumessungsvorschriften, die sich in einer Überschreitung des Ermessensspielraumes äußert (EvBl 1988/116; RZ 1989/65). Davon kann aber bei einem ‑ nur mit Berufung bekämpfbaren ‑ Abwägen der Strafzumessungsgründe keine Rede sein.
Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschworenengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 75 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwanzig Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend das besonders brutale Vorgehen, welches aus den verschiedenen Gewalteinwirkungen gegen das Opfer hervorgeht, als mildernd hingegen den bisher untadeligen Lebenswandel und das Zugeben der Tötungshandlung.
Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe. Auch diesem Rechtsmittel kommt Berechtigung nicht zu.
Zuzugeben ist dem Berufungswerber, daß das Versetzen von insgesamt zwei sehr wuchtigen und drei wuchtigen Schlägen gegen den Kopf des Opfers und das kräftige Würgen des Halses noch nicht als besonders brutales Vorgehen und demnach auch nicht als besonderer Erschwerungsgrund zu werten ist. Die geschilderte Art der Tatbegehung vermehrt aber doch das Gewicht des rechtsfehlerhaften Verhaltens des Täters. Ebenso schlägt das Verhalten des Berufungswerbers nach der Tat, der die Leiche seiner Gattin in Plastiksäcke verpackte, dann in die Donau warf und anschließend die Abgängigkeitsanzeige erstattete, bei der Gewichtung der Strafzumessungsschuld zu seinem Nachteil aus.
Bei Würdigung der letztlich doch des Tatsächlichen geständigen Verantwortung des Angeklagten ist aber zu berücksichtigen, daß er keineswegs von Anfang an ein Geständnis abgelegt hat, sondern auch nach Entdeckung der Leiche zunächst jede Täterschaft in Abrede stellte und nach dem Widerruf seines ersten Geständnisses die ihn vernehmenden Exekutivbeamten sogar verleumdete.
Weitere Milderungsgründe ‑ über die in erster Instanz herangezogenen hinaus ‑ kommen dem Berufungswerber allerdings nicht zugute. Von einer Provokation oder einem Mitverschulden des Opfers kann bei objektiver Beurteilung des Sachverhaltes nicht gesprochen werden. Daß der Angeklagte durch die Rechtsfolgen seiner Tat für lange Zeit von seinem Kind getrennt wird, stellt gleichfalls einen besonderen Milderungsgrund nicht dar. Aus den Gutachten der Sachverständigen Dr. Karafiat und Dr. Pfolz ergibt sich ‑ den Berufungsausführungen zuwider ‑ keineswegs, daß der Berufungswerber die Tat unter dem Einfluß eines abnormen Geisteszustandes begangen hat.
Grundlage für die Strafbemessung ist die Schuld des Täters (§ 32 Abs 1 StGB). Diese Schuld bestimmt sich sowohl nach dem Gewicht des rechtsfehlerhaften Verhaltens des Täters als auch nach der Schwere der von ihm verschuldeten Rechtsgutbeeinträchtigung (vgl Leukauf‑Steininger, Komm3, § 32 RN 6). Unter Abwägung der nur geringfügig korrigierten Strafzumessungsgründe und des Gewichtes des Verschuldens des Angeklagten sowie des Unrechtsgehaltes der von ihm begangenen Tat erweist sich die von den Tatrichtern ausgemessene zwanzigjährige Freiheitsstrafe nicht als überhöht. Sie entspricht vielmehr der schweren personalen Tatschuld. Damit kann aber auch dem Strafherabsetzungsbegehren des Berufungswerbers kein Erfolg zukommen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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