OGH 6Ob594/95

OGH6Ob594/9513.7.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj.Johannes F*****, geboren am 16.September 1977, Anton Christoph F*****, geboren am 28.Dezember 1978, Bettina F*****, geboren am 20. März 1980, Bernhard F*****, geboren am 18.Dezember 1984, alle in Obsorge der Mutter Berta F*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Anton F*****, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 30.März 1995, AZ 18 R 70/95 (ON 97), womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Rohrbach vom 4. Jänner 1995, GZ P 8/93-94, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs des Vaters wird teilweise stattgegeben.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes in ihrem Punkt 1 wiederhergestellt wird.

Insoweit der Revisionsrekurs die Herabsetzung der Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem mj.Anton Christoph auf S 1.000,-- monatlich ab 1.8.1994 anstrebt, wird der Revisionsrekurs zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern der Kinder wurde 1991 geschieden. Die Kinder befinden sich in Obsorge der Mutter. Der Vater ist seit 1.4.1990 zu monatlichen Unterhaltsleistungen von S 1.800,-- je Kind verpflichtet (ON 8). Am 21.1.1994 stellte die Mutter den Antrag, diese Unterhaltsverpflichtung wegen gestiegener Bedürfnisse der Kinder ab 1.1.1994 auf monatlich S 2.000,-- je Kind zu erhöhen (ON 63). Der Vater sprach sich gegen diesen Antrag aus (ON 66). Er beantragte am 2.9.1994, die Unterhaltsverpflichtung für den mj.Anton Christoph ab 1.8.1994 auf S 1.000,-- monatlich herabzusetzen. Der Minderjährige beziehe als Tischlerlehrling eine monatliche Lehrlingsentschädigung von S 4.000,-- (ON 71).

Für den mj.Anton Fuchs beantragte die Mutter am 6.12.1994 die Verpflichtung des Vaters zur Bezahlung der Kosten einer angeschafften Brille in der Höhe von S 6.359,-- (ON 87).

Der Vater ist Eigentümer einer Landwirtschaft im Ausmaß von ca. 21 ha, die Hälfte davon besteht aus Wald. Die ehemals landwirtschaftlich genutzten Grundstücke werden nicht mehr bewirtschaftet. Der Antragsgegner erhält für seinen Anbauverzicht Prämien. Aus der Landwirtschaft erzielte der Vater in den letzten Jahren keinen Gewinn, 1993 ergab sich ein Verlust von rund S 13.500,--. Der Vater betreibt neben der Landwirtschaft (auch die brach liegenden Grundstücke müssen bearbeitet werden) ein selbständiges Baggerunternehmen. Aus diesem erzielte er 1993 ein durchschnitttliches Monatseinkommen von S 10.700,--.

1992 verkaufte der Vater ein als Bauland gewidmetes Grundstück im Ausmaß von 4243 m2 um S 1,272.900,--. Der Kaufpreis ist in Raten zu entrichten. Derzeit haftet noch ein restlicher, pfandrechtlich sichergestellter Kaufpreisrest von S 522.900,-- aus. Notwendige Gebäudeinstandhaltungsarbeiten würden einen Aufwand von S 679.000,-- erfordern.

Der mj.Anton Christoph ist seit 1.8.1994 als Tischlerlehrling beschäftigt. Er bezieht eine monatliche Lehrlingsentschädigung von S 3.711,-- (14mal jährlich).

Das Erstgericht wies die Anträge der Kinder auf Erhöhung der Unterhaltsverpflichtung des Vaters auf monatlich S 2.000,--, den Antrag des mj.Anton Fuchs auf Bezahlung der Kosten der angeschafften Brille und den Antrag des Vaters auf Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung für den mj.Anton Christoph auf monatlich S 1.000,-- ab. Bei den Brillenkosten handle es sich um keinen Individualbedarf, weil die notwendigen Auslagen von der Krankenkasse übernommen würden. Die durchschnittliche Lehrlingsentschädigung des mj.Anton Christoph in der Höhe von S 4.330,-- rechtfertige keine Herabsetzung der Unterhaltsverpflichtung des Vaters. Wegen dessen wirtschaftlicher Lage sei eine Erhöhung der Unterhaltsverpflichtung nicht möglich.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Kinder teilweise statt und erhöhte die Unterhaltsverpflichtung des Vaters auf monatlich S 2.000,-- je Kind ab 1.1.1994. Im übrigen bestätigte es die erstinstanzliche Entscheidung. Der Regelbedarf der Kinder liege zwischen monatlich S 3.470,-- und S 4.110,--. Eine monatliche Unterhaltsverpflichtung von S 2.000,-- übersteige nicht die Bedürfnisse der Kinder. Aus dem festgestellten Einkommen des Vaters von S 10.700,-- monatlich ließe sich eine Erhöhung der Unterhaltsverpflichtung im begehrten Ausmaß nicht ableiten. Es dürfe aber nicht das Vermögen des Vaters in Form des aushaftenden Kaufpreisrestes von rund S 500.000,-- außer Betracht bleiben. Er betreibe die Landwirtschaft "nicht wirklich". Die Landwirtschaft diene nicht der wirtschaftlichen Existenz des Unterhaltsschuldners, sondern der Vermögensbildung. Eine Vermögenshortung sei so lange unzulässig, als der Durchschnittsbedarf der Unterhaltsberechtigten nicht gedeckt sei. Es sei auch der Stamm des Vermögens für Unterhaltsleistungen heranzuziehen. Die Kosten einer Hausreparatur oder Hausrenovierung, die nicht existenznotwendig sei, seien nicht abzugsfähig. Die Unterhaltsverbindlichkeiten gingen den Renovierungskosten von rund S 670.000,-- für ein Haus, das nur den Wohnzwecken einer einzelnen Person diene, vor. Der offene Kaufpreisrest sei zur Abdeckung des nun erhöhten Unterhalts der Kinder zu verwenden.

Bei den Brillenkosten liege kein Sonderbedarf vor.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Mit seinem außerordentlichen Revisionsrekurs strebt der Vater erkennbar die Abweisung des Antrags der Kinder auf Unterhaltserhöhung sowie die Stattgebung seines Antrags, die Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem mj.Anton Christoph auf monatlich S 1.000,-- herabzusetzen, an.

Der Revisionsrekurs ist, weil das Rekursgericht zur Frage der Berücksichtigung eines Vermögens bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen ist, insoweit zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist auch teilweise berechtigt.

Aus § 140 Abs.1 ABGB ergibt sich, daß die Leistungsfähigkeit eines unterhaltspflichtigen Vaters auch nach seinen Vermögensverhältnissen zu beurteilen ist. Der Unterhaltspflichtige muß grundsätzlich im Rahmen des ihm Zumutbaren zwecks Erfüllung seiner Unterhaltspflicht auch sein Vermögen angreifen, soweit er die notwendigen Unterhaltsleistungen aus dem laufenden Einkommen nicht bestreiten kann (EFSlg 65.010; SZ 63/60; RZ 1991/70). Die Zumutbarkeit kann aber nur im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung an Hand der jeweiligen konkreten Verhältnisse des Einzelfalls beurteilt werden (6 Ob 653/93).

Der Vater hat eine Teilfläche seiner Landwirtschaft verkauft. Das Rekursgericht hat die Berechtigung der Verwendung des noch offenen Kaufpreisrestes zur Renovierung des Hausdachs verneint, weil die Landwirtschaft defizitär sei und nicht die wirtschaftliche Existenzgrundlage des Unterhaltspflichtigen bilde.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß das landwirtschaftliche Unternehmen, zu dem auch das Wohn- und Wirtschaftsgebäude gehört, zwar gegenwärtig nicht die Existenzgrundlage des Vaters darstellt, daß die Veräußerung von landwirtschaftlichen Grundstücken aber nach den erstinstanzlichen Feststellungen derzeit nicht möglich ist (S.2 in ON 94), nach dem eingeholten Sachverständigengutachten jedenfalls nur zu äußerst ungünstigen Konditionen (S.6 in ON 83). Die Zumutbarkeit eines Verkaufs der gesamten (nicht gewinntragenden) Landwirtschaft oder auch nur von Teilen derselben unter den gegebenen Bedingungen, die denjenigen eines Notverkaufs gleichkommen, ist daher derzeit zu verneinen. Das Verhalten eines geldunterhaltspflichtigen Vaters ist danach zu beurteilen, wie ein pflichtbewußter Familienvater in aufrechter Ehe bei gleicher Sachlage handeln würde (1 Ob 532/95 mwN). Es liegt auf der Hand, daß ein solcher die Landwirtschaft bei den gegebenen ungünstigen Verhältnissen nicht verkaufen und die dringend notwendigen Investitionen mit dem vorhandenen (bzw. in Kürze zur Verfügung stehenden) Kaufpreisrest vornehmen würde. Die Erhaltung des Wohn- und Wirtschaftsgebäudes dient nicht zuletzt der Erhaltung der Vermögenssubstanz, die (allenfalls) bei günstigeren wirtschaftlichen Verhältnissen und entsprechender Nachfrage am Markt ganz oder teilweise verkauft werden kann. Bei den Investitionen handelt es sich entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes nicht nur um die Sanierung der Dachhaut (Kostenaufwand S 199.357,20), sondern auch ua um diejenige des Dachstuhls (Beil.A im Gutachten ON 45: Kostenaufwand S 179.868,--). Nach dem Gutachten des Sachverständigen sind die Sanierungsarbeiten für den weiteren Bestand der Baulichkeit äußerst dringlich (S.11 in ON 45). Bei dieser Sachlage ist die Verwendung des festgestellten frei verfügbaren Barvermögens des unterhaltspflichtigen Vaters zum Zweck der Sanierung des Wohn- und Wirtschaftsgebäudes gerechtfertigt.

Der Unterhaltspflichtige ist auf das Wohngebäude zur Deckung seiner dringenden eigenen Wohnbedürfnisse angewiesen. Es wurde schon ausgesprochen, daß in einem solchen Fall die Veräußerung des Hauses nicht zumutbar ist (6 Ob 625/91). Aufwendungen zur Deckung existentieller Bedürfnisse sind außergewöhnliche Belastungen und rechtfertigen sogar eine bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigende Kreditaufnahme (EFSlg 65.439). Nichts anderes gilt, wenn der Unterhaltsschuldner - wie hier - in der Lage ist, die dringend notwendigen Reparaturen aus vorhandenem Barvermögen zu bezahlen. Es ist dem Vater nicht zumutbar, daß er sein renovierungsbedürftiges Haus zu einem ungünstigen Preis verkauft und dadurch genötigt wird, sich eine Mietwohnung zu suchen. Die Vornahme der Sanierung des Gebäudes ist gerechtfertigt, sie würde auch von einem pflichtbewußten Familienvater vorgenommen werden. Dazu kommt, daß mit der Sanierung des Gebäudes nicht nur das dringende Wohnbedürfnis des Vaters, sondern zumindest teilweise auch seine wirtschaftliche Existenz gesichert wird, weil nach der Aktenlage davon auszugehen ist, daß der Unterhaltspflichtige zumindest einen Teil des Wirtschaftsgebäudes zur Einstellung seiner Baggermaschinen, also für die Aufrechterhaltung seiner wirtschaftlichen Existenz, benötigt.

Aus den dargelegten Gründen kann eine Unterhaltserhöhung für die vier antragstellenden Kinder nicht auf die (derzeitigen) Vermögensverhältnisse des Vaters gestützt werden. An dieser Beurteilung vermag auch der vom Vater schon vereinnahmte Teil des Kaufpreises nichts zu ändern, weil diesbezüglich nach der Aktenlage davon auszugehen ist, daß ein Teil des Geldes zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz des Unterhaltsschuldners, der andere Teil aber ohnehin zur Bezahlung der Unterhaltsschulden verwendet wurde, was bei den festgestellten Einkommensverhältnissen (negative Betriebsergebnisse) zwingend notwendig war. Weder die Vermögensverhältnisse des Vaters noch die festgestellte Bemessungsgrundlage ermöglichen eine Erhöhung der Unterhaltsverpflichtung.

Insoweit der Vater die Abweisung seines Antrags auf Herabsetzung der Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem mj.Anton Christoph bekämpft und auf das Eigeneinkommen des Kindes von monatlich S 4.329,-- verweist, ist der Revisionsrekurs wegen eingetretener Teilrechtskraft unzulässig. Der Vater hat die Abweisung seines Herabsetzungsantrages (ON 71) durch das Erstgericht (P 3. in ON 94) nicht angefochten.

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