OGH 6Ob658/94

OGH6Ob658/9413.7.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bauunternehmung Dipl.Ing.Walter F***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Josef-Michael Danler, Rechtsanwalt in Innsbruck, und ihrer Nebenintervenientin Johann S***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Karl Th.Mayer und Dr.Hans Georg Mayer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei S***** H*****handelsgesellschaft mbH, *****vertreten durch Dr.Philipp Gruber und Dr.Bruno Pedevilla, Rechtsanwälte in Lienz, wegen 203.400 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 23. November 1993, AZ 3a R 552/93 (ON 53), womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Lienz vom 22.Juni 1993, GZ 2 C 501/92b-46, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 10.665 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.777,50 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das klagende Bauunternehmen als Werkunternehmer mißachtete bei Fundamentierungsarbeiten - gegen Verrechnung nach tatsächlichem Aufwand ("in Regie") - für eine weitläufige Rundholzsortieranlage im Auftrag der beklagten Bestellerin, eines Holzhandelsunternehmens, deren Weisung über eine Änderung der Kotenhöhen. Weder der Geschäftsführer der beklagten Partei noch sein Sohn hatten eine Bauaufsicht bei den Fundamentierungsarbeiten inne. Die von der beklagten Partei beauftragte Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei, ein Stahlbau- bzw Montageunternehmen, das in keinen vertraglichen Beziehungen zur klagenden Partei stand, montierte auf den Fundamenten Stahlstützen (für die Maschinen), ohne vor Montagebeginn die Fundamenthöhen zu überprüfen, obwohl dies in der Stahlbau- und Sägewerksbranche durch die Stahlbau- bzw Montagefirma üblich ist und sich nach der ÖNORM A 2060, Punkt 2.10.1.5 der Auftragnehmer vor Inangriffnahme seiner Leistungen vom ordnungsgemäßen Zustand etwa bereits fertiggestellter Leistungen unter Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt zu überzeugen hat. Bei Anlagen der vorliegenden Art ist es üblich, daß zwischen Vertretern des Bau- und des Montageunternehmens eine Art Kollaudierung stattfindet und die Montage erst dann begonnen wird, wenn die Betonierungsarbeit als ordnungsgemäß ausgeführt befunden wurde. Sollte vom Montageunternehmen kein Beauftragter des Bauunternehmens angefordert werden, obliegt die Kontrolle der Fundamente und eine allfällige Bemängelung allein dem Montageunternehmen.

Nach Inbetriebnahme der Rundholzsortieranlage traten Funktionsstörungen auf, deren Ursache der Niveauunterschied von 15 cm zweier Maschinen ("Längsförderer" zur Entrindungsmaschine) war. Dabei belasten speziell Langhölzer die Messer des Entrindungsrotors einseitig und verkürzen die Lebensdauer der Maschine radikal. Die Ursache des Niveauunterschieds liegt in der Errichtung der Betonsockeloberkante dreier Anlageteile auf dem Niveau von - 15 cm unter der vom Geschäftsführer der beklagten Partei neu vorgegebenen ideellen Höhe von + - 0,00, wodurch die montierten und auf Basis der neuen Kotenhöhe angefertigten Stahlstützen im Verhältnis zur Entrindungsmaschine um 15 cm zu niedrig sind. Zur Behebung der Funktionsstörungen ist es erforderlich, Maschinen ("Längsförderer", "Stammgeber" und "Vereinzelner") mittels Brennschneider abzutrennen, die Stahlstützen mit einzuschweißenden Formrohrstücken mit Schweißnahtvorbereitung zu verlängern, sodann den "Längsförderer" aufzusetzen, einzurichten und zu verschweißen sowie "Vereinzelner" und "Stammgeber" neu einzuschweißen. Dies erfordert inklusive Material, einer abschließenden Funktionskontrolle und Abnahme einen Kostenaufwand von 228.000 S (inclusive USt). Wären nach den Fundamentierungsarbeiten und Montage der Stahlstützen die Niveauunterschiede erkannt worden, hätten sich Mängelbehebungskosten von nur 33.000 S (exclusive USt) ergeben. Da die Kürzung der Stahlstützen der Maschine "Kappförderer", deren Niveauunterschied rechtzeitig erkannt wurde, einen Kostenaufwand von 8.400 S (inklusive USt) erforderte, beträgt der gesamte Mängelbehebungsaufwand 236.400

S.

Die beklagte Partei wendete gegen die Klagsforderung von zuletzt 254.250,54 S sA - als Werklohn für Fundamenierungsarbeiten, Kaufpreis einer im Revisionsverfahren nicht mehr relevanten Bohrmaschine und unter Abzug für eine Gegenlieferung - unter anderem compensando bis zur Höhe des Klagsbetrags als Mängelfolgeschaden den Sanierungsaufwand von mindestens 240.000 S ein.

Die Vorinstanzen erachteten die Klagsforderung mit 252.139,55 S bzw 254.244,55 S und die Gegenforderung mit 236.400 S als zu Recht bestehend, verhielten demgemäß die beklagte Partei zur Zahlung von 15.739,55 S bzw 17.844,55 S sA (zweite Instanz) und wiesen das Mehrbegehren von 238.510,99 S bzw 236.405,99 S ab.

Die klagende Partei bekämpft das Urteil zweiter Instanz, soweit die Gegenforderung der beklagten Partei mit 236.400 S statt nur mit 33.000 S als zu Recht erkannt worden sei und ihr statt 221.244,56 S nur 17.844,55 S zugesprochen worden seien; die Klagsabweisung von 33.005,99 S bleibt unbekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision kommt keine Berechtigung zu.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist eine Gegenforderung der beklagten Partei für Mängelfolgeschäden, erkennbar aus dem Titel des Schadenersatzes, und die Frage, ob sich der Besteller die Warnpflichtverletzung des zweiten Werkunternehmers nach § 1304 ABGB zurechnen lassen muß und ob die beiden Werkunternehmer, die beide Ursachen für das Mißlingen des Werks setzten, dem Besteller nach § 1302 ABGB solidarisch haften.

Daß die beklagte Bestellerin durch die Funktionsstörung ihrer Rundholzsortierungsanlage einen Mängelfolgeschaden erlitt, der seine Ursache (zumindest auch) in dem - aus der schuldhaften Nichtbeachtung einer Weisung der Bestellerin durch den klagenden Werkunternehmer resultierenden - Niveauunterschied der Fundamenthöhen erlitt, ist unbestritten. Auf den fehlerhaften Fundamenten errichtete ein weiterer, in keinen vertraglichen Beziehungen zur klagenden Partei stehender, von der Bestellerin beauftragter Werkunternehmer (Nebenintervenientin) unter schuldhafter Vernachlässigung der ihn nach § 1168a ABGB treffenden Warnpflicht die Anlage. Gemäß § 1168a dritter Satz ABGB ist der Unternehmer für den Schaden verantwortlich, wenn das Werk infolge offenbarer Untauglichkeit des vom Besteller gegebenen Stoffes oder offenbar unrichtiger Anweisungen des Bestellers mißlingt und er den Besteller nicht gewarnt hat. Stoff iS dieser Gesetzesstelle ist alles, aus dem oder mit dessen Hilfe ein Werk herzustellen ist, wozu auch Vorarbeiten eines anderen Unternehmers zählen, auf denen der Werkunternehmer aufbauen muß (Krejci in Rummel2, Rz 18 zu § 1168a ABGB mwN). Ungeachtet der Tatsache, daß diese Aufklärungs- und Prüfpflichten nicht überspannt werden dürfen, hat die Nebenintervenientin diese Pflicht verletzt.

Der erkennende Senat hat in seiner - auch von der zweiten Instanz und in den Rechtsmittelschriften rezipierten - Entscheidung 6 Ob 624/92 = JBl 1993, 521 mit Anm von Iro in einem Rechtsfall, in dem die Planung beim Besteller lag, dargelegt, die Schadenstragungsregel des § 1168a ABGB sei eine Nachteilszuweisung, die vorrangig auf den typischerweise dem Besteller einerseits und dem Werkunternehmer andererseits beherrschbaren Sphären beruhe. Aus diesem speziell in den Regelungen über die Gefahrtragung beim Werkvertrag zum Ausdruck gebrachten Zuordnungsprinzip der jeweils beherrschbaren Sphäre folge auch eine teleologische Reduktion der scheinbar uneingeschränkt oder gar nicht angeordneten Werkunternehmerhaftung gemäß § 1168a ABGB iS einer analogen Anwendung des § 1304 ABGB im Fall einer nicht auf mangelndem Fachwissen beruhenden Fehlanweisung des Bestellers. Die in der österr. Literatur unter dem Schlagwort Gehilfenmitverschulden seit kurzem lebhaft diskutierten Fragen träten völlig in den Hintergrund, weil die (teilweise) Selbsttragung des Schadens durch den im Wege der gesetzlich normierten Warnpflicht des Werkunternehmers geschützten Besteller nicht auf dessen "Mitverschulden", sondern auf dessen Risikosphäre zu gründen sei. Stünden einander aber nur Planungsfehler und Unterlassen des Hinweises auf diesen als Zurechnungskriterien gegenüber, erscheine eine Schadensteilung im Verhältnis 1 : 1 gerechtfertigt.

Der vorliegende Fall ist damit nicht vergleichbar, weil hier eine Schadenersatz(gegen)forderung eines Bestellers, der zwei Werkunternehmer, von denen der zweite sein Werk auf dem des ersten Werkunternehmers aufzubauen hatte, beauftragt hatte, zu beurteilen ist. Anders als bei der Vorentscheidung war hier der Bauauftrag mängelfrei, nicht mit einem Planungsfehler belastet und ohne Rücksicht auf nachfolgendes Verhalten "Dritter" auszuführen. Die Zurechnung des Fehlverhaltens eines Dritten zum Werkbesteller nach den Grundsätzen der Sphärentheorie oder denen des Schadenersatzrechtes richtet sich jedenfalls nach Schadenersatzrecht, wenn ein derartiger Anspruch geprüft werden muß.

Hat nicht bloß der Schädiger, sondern auch der Geschädigte sorglos eine Bedingung für den Schadenseintritt gesetzt, so gebührt kein voller Ersatz; der Geschädigte muß einen Teil des Schadens selbst tragen (§ 1304 ABGB). Ein aus eigenen Handlungen oder Unterlassungen resultierendes Mitverschulden der beklagten Partei ist beim hier zu beurteilenden Bauvorhaben zu verneinen. Die beklagte Partei übte keine Bauaufsicht aus. Jedenfalls bei einer relativ einfachen und wenig komplexen Regiearbeit wie hier kann sich der Besteller in aller Regel darauf verlassen, daß nach seinen Plänen und Anweisungen fachgerecht und fehlerfrei betoniert wird. Mit der unterlassenen Kontrolle der unterschiedlichen, aber nicht ins Auge springenden Fundamenthöhen hat der Geschädigte nicht sorglos eine Bedingung für den Schadenseintritt gesetzt, zumal eine formelle Übernahme der Fundamente an die beklagte Partei nach dem Akteninhalt nicht erfolgte. Auch eine gefährliche Situation, in der es der Bestellerin oblegen wäre, aufsichtsführend einzugreifen, bestand nicht. Beim vorliegenden Bauvorhaben könnte der beklagten Partei auch keine Verletzung einer Koordinierungspflicht zum Vorwurf gemacht werden, weil von der Nebenintervenientin auf die von der klagenden Parei hergestellten Fundamente Stahlstützen für die Maschinen aufzusetzen waren.

Nach herrschender Auffassung muß sich der Geschädigte nicht nur sein eigenes Verhalten, sondern auch jenes seiner Gehilfen zurechnen lassen (SZ 58/47 = JBl 1985, 748 = RdW 1986, 40; Reischauer in Rummel2, Rz 7 zu § 1304 ABGB; Mayrhofer in Ehrenzweig, Schuldrecht AT3 309; Wolff in Klang2 VI 66; Koziol, Haftpflichtrecht2 I 248 ff; Koziol-Welser, Grundriß I10 463). Mangels anderer Vorschrift kommt für die Frage, wer Gehilfe ist, im Zusammenhang mit Schuldverhältnissen - ohne auf die hier nicht relevante "Repräsentantenhaftung" des Werkbestellers iS der Auffassung Iros (vgl dazu ÖJZ 1983, 510 ff) eingehen zu müssen - nur die Bestimmung des § 1313a ABGB in Frage (vgl zuletzt JBl 1992, 523 mit Besprechung von Grassl-Palten in JBl 1992, 501 ff = VR 1992/285 = RdW 1992, 176 = ecolex 1992, 89 mit Anm von Kletecka, freilich zur Frage der Gehilfenzurechnung auf Geschädigtenseite im Deliktsbereich; SZ 58/47 ua; Reischauer aaO Rz 7 zu § 1304 ABGB; vgl auch Koziol aaO 249). Die unterschiedlichen Auffassungen in der Lehre zum Mitverschulden für Gehilfen (zuletzt Karollus, Gleichbehandlung von Schädiger und Geschädigtem bei der Zurechnung von Gehilfenverhalten in JBl 1994, 257 ff mwN) kommen hier nicht zum Tragen. Voraussetzung für eine Erfüllungsgehilfenhaftung nach § 1313a ABGB wäre jedenfalls eine unmittelbare, hier fehlende Verhaltenspflicht der beklagten Partei. Ein Fehlverhalten der Nebenintervenientin muß sich die beklagte Partei daher nicht iS eines Mitverschuldens nach § 1304 ABGB anrechnen lassen.

Nach § 1301 ABGB können für einen widerrechtlich zugefügten Schaden mehrere Personen schon dann verantwortlich gemacht werden, wenn sie auch nur durch Unterlassung der besonderen Verbindlichkeit, das Übel zu verhindern, dazu beigetragen haben. Nach ständiger Rechtsprechung erfordert gemeinschaftliches Handeln iS des § 1301 ABGB weder vorsätzliches Handeln noch bewußtes Zusammenwirken, das bei fahrlässiger Schädigung in der Regel fehlt. Es genügt vielmehr eine bloße Beteiligung an der Kausalkette, das Vorliegen einer Nebentäterschaft, bei der die Täter völlig unabhängig voneinander handeln (SZ 60/91 = BankArch 1987/61; JBl 1986, 579 = EvBl 1986/118;

SZ 55/68 ua; Reischauer aaO Rz 2 zu § 1302 ABGB; Koziol aaO I 297;

Wolff aaO 55). Gemäß § 1302 ABGB haften auch dann alle für einen und einer für alle, wenn die Anteile der Einzelnen an der Beschädigung sich nicht bestimmen lassen. Diese Solidarhaftung greift auch dann Platz, wenn die Beschädigung nur in einem Versehen gegründet ist und sich die Anteile der einzelnen an der Beschädigung nicht bestimmen lassen (Reischauer aaO Rz 3 zu § 1302 ABGB; Mayrhofer aaO 330 f;

Koziol-Welser aaO 462). Dies ist hier der Fall. Die Anteile der klagenden Partei und ihrer Nebenintervenientin am Mängelfolgeschaden (Verbesserungsaufwand), der sich erst nach Fertigstellung der Anlage herausstellte, stehen entgegen dem Revisionsvorbringen nicht fest. Der von der klagenden Partei akzeptierte Mängelbehebungsaufwand von 33.000 S (im übrigen ohne USt) geht von der rein fiktiven Annahme aus, nach den Fundamentierungsarbeiten und nach Montage der Stahlstützen - somit nach Abschluß der Arbeiten beider Werkunternehmer - wären die unrichtigen Fundamenthöhen erkannt worden. Damit steht aber nicht fest, die klagende Partei oder die Nebenintervenientin hätten als Schädiger in zurechenbarer Weise nur einen bestimmten Teil des Gesamtschadens verursacht. Die klagende Partei und ihre Nebenintervenientin haften demnach als Schädiger nach § 1302 ABGB solidarisch, weil sich ihre Anteile am Gesamtschaden nicht exakt abgrenzen lassen. Über den Regreß der beiden Haftpflichtigen (§ 1302 letzter Satz ABGB; vgl dazu Koziol-Welser aaO

462) ist hier nicht zu entscheiden.

Der Revision ist nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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