OGH 9ObA95/95(9ObA96/95)

OGH9ObA95/95(9ObA96/95)12.7.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Erich Deutsch und Mag.Michael Zawodsky als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der Klägerinnen 1. Sonja K*****, Arbeiterin, 2. Erika K*****, Arbeiterin, beide ***** beide vertreten durch Dr.Hanns Forcher-Mayr, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei ***** J***** & Sch***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Josef Klaunzer und Dr.Alfons Klaunzer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 1. S 111.332,41 brutto und 2. S 111.332,91 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21.Februar 1995, GZ 5 Ra 8,9/95-23, womit infolge Berufung der Klägerinnen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 20. Oktober 1994, GZ 46 Cga 140,141/94b-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den Klägerinnen die mit S 12.573 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 2.095,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die "Replik" der beklagten Partei zur Revisionsbeantwortung der Klägerinnen wird zurückgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Da die Ergänzung einer Rechtsmittelschrift durch eine Replik mangels Vorliegens eines fehlerhaften Rechtsmittels wegen seiner Einmaligkeit unzulässig war, ist die "Replik" der beklagten Partei zur Revisionsbeantwortung der Klägerinnen zurückzuweisen (Gitschthaler in Rechberger, ZPO Kommentar Rz 12 zu § 85).

Der Revisionsgrund der Nichtigkeit des Berufungsverfahrens liegt schon deshalb nicht vor, weil ein angeblicher Verstoß gegen die Bestimmung des § 405 ZPO nach ständiger Rechtsprechung nur einen Verfahrensmangel begründet (Rechberger in Rechberger aaO Rz 6 zu § 406 mwN). Auch wenn die unrichtige Bezeichnung des Revisionsgrundes nicht schadet, so liegt auch kein Verfahrensmangel vor, weil unschwer aus Spruch und Begründung ableitbar ist, daß die Abänderung des erstgerichtlichen Urteiles durch das Berufungsgericht unter Mitberücksichtigung des bereits vom Erstgericht zugesprochenen Betrages, sohin kein neuerlicher Zuspruch unter Verletzung der Rechtskraft, erfolgt ist.

Im übrigen haben die Vorinstanzen die Frage, ob die Klägerinnen gemäß § 82a lit d GewO 1859 berechtigt ausgetreten sind, zutreffend bejaht. Es reicht daher insofern aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin lediglich folgendes entgegenzuhalten:

Es ist davon auszugehen, daß die von der hiezu verpflichteten Betriebsinhaberin nicht im Betrieb kundgemachte Betriebsvereinbarung keine normative Wirkung zeitigte (Cerny in Cerny/Haas-Laßnigg/Schwarz, ArbVG Band 2, 127; DRdA 1992/16 [Apathy], 9 ObA 39/90). Da die Klägerinnen nach den Feststellungen vor diesem Prozeß von der Betriebsvereinbarung keine Kenntnis hatten, konnte auch kein konkludentes Verhalten der Klägerinnen entsprechend der getroffenen Betriebsvereinbarung die Arbeitsverträge der Klägerinnen ergänzen (DRdA 1992/16 [Apathy]). Bloßes Schweigen allein hätte ohnehin keinen Erklärungswert (Rummel in Rummel ABGB2 Rz 15 zu § 863 mwN).

Die Klägerinnen waren daher berechtigt, die Beklagte zur Zahlung der schon fälligen Löhne unter Androhung des Austrittes und Nachfristsetzung aufzufordern. Mit welchen Worten (hier Anweisung) die Klägerinnen die Zahlung auf ihr Gehaltskonto verlangten, ist nicht von Bedeutung, weil aus ihrem Mahnschreiben eindeutig hervorging, daß der rückständige Lohn noch nicht angewiesen war und die Anweisung bis zum 20.4.1994 begehrt wurde. Daraus war aber unmißverständlich und objektiv erkennbar, daß der rückständige Lohn so auszuzahlen war, daß die Klägerinnen am letzten Tag der Nachfrist darüber (auf ihrem Konto) verfügen konnten (Arb 10.726).

Es ist unstrittig, daß die Löhne auf die Gehaltskonten der Klägerinnen einzuzahlen waren. Ist bargeldlose Lohnzahlung vereinbart, muß nach Lehre und Rechtsprechung der überwiesene Betrag dem Arbeitnehmer am Fälligkeitstag auf seinem Konto gutgeschrieben sein. Der Dienstgeber muß daher die Überweisung so rechtzeitig vornehmen, daß entsprechend allfälliger Bankbedingungen oder der üblichen ordnungsgemäßen Erledigung von Überweisungsaufträgen durch die Banken die Gutschrift rechtzeitig erfolgt (RdW 1985, 150; WBl 1993, 325; 9 Ob A 1025,1026/93).

Es mag sein, daß die Klägerinnen die Voraussetzungen für den Austritt bewußt ausgenützt und durch qualifizierte Beratung vorbereitet haben. Von Sittenwidrigkeit des Austrittes wegen mißbräuchlicher Rechtsausübung (Krejci in Rummel ABGB Rz 138 zu § 879) kann deshalb keine Rede sein, weil zur Zeit des Austrittes der Lohnrückstand tatsächlich noch nicht in der Verfügungsgewalt der Klägerinnen war. Daß zur Zeit des Versuches einer weiteren Mahnung und Nachfristsetzung durch die Klägerinnen am 21.4.1994 die Beklagte bereits vor Ablauf der ersten Nachfrist die Überweisung der rückständigen Löhne veranlaßt hat, entband den Geschäftsführer in Kenntnis des Umstandes, daß es sonst bei dringenden Lohnauszahlungen betriebsüblich war, das Geld direkt bei der kontoführenden Bank einzuzahlen, zur Vermeidung eines Austrittes nicht davon, die Klägerinnen unter gleichzeitigem Inaussichtstellen der baldigen Gutschrift um eine entsprechende Erstreckung der von ihnen ohnehin neuerlich angebotenen Nachfrist zu ersuchen (9 ObA 202/93 = infas 1994 A 38), zumal dem Geschäftsführer bewußt war, daß mit Verzögerungen bei Gutbuchungen zu rechnen war. Das Inkaufnehmen der Verzögerung kann somit nicht zu Lasten der Klägerinnen gehen.

Der Austritt durch Einstellen der Arbeit nach Ablauf der Schicht vom 21.4.1994 war daher berechtigt. Ob in den Schreiben vom 20.4.1994 die Erklärung des sofortigen Austrittes enthalten ist und die Klägerinnen dennoch bis Schichtende weiter arbeiteten, ist deshalb ohne Bedeutung, weil der Geschäftsführer die Annahme dieser Schreiben verweigert und damit diese Austrittserklärung dem Dienstgeber weder zugegangen war noch den Machtbereich der Klägerinnen verlassen hat, weil es nur beim "Übergebenwollen" dieses Schreibens geblieben ist. Wirksam ist die Austrittserklärung erst dann, wenn sie den Machtbereich des Arbeitnehmers verläßt (siehe für die Kündigung 8 ObA 299/94 = ecolex 1995, 282).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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