OGH 3Ob549/95

OGH3Ob549/9512.7.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Thomas S*****, und 2. Markus G*****, beide vertreten durch Dr.Egbert Schmid, Dr.Michael Kutis, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Berta W*****, vertreten durch Dr.Heinrich Nesvabda, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 19. Jänner 1994, GZ 41 R 923/93-16, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 15.7.1993, GZ 49 C 32/92f-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur neuerlichen, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällenden Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Die Beklagte ist Eigentümerin der Liegenschaft mit dem Haus G*****gasse 1a in 1040 Wien. Mit der Verwaltung des Hauses hat die Beklagte Ing.Rudolf Z***** betraut. Da die Beklagte die Vermietung der in diesem Gebäude befindlichen Büroräumlichkeiten top Nr 6 und 7 beabsichtigte, betraute sie Silvia D*****, die für die "r***** GmbH tätig war, mit der Vermittlung eines Mietvertrages hinsichtlich der genannten Objekte und überließ ihr auch die Schlüssel, damit Interessenten das Objekt besichtigen können. Auf ein Zeitungsinserat meldeten sich die beiden Kläger, welche Geschäftsführer (Erstkläger) bzw Prokurist (Zweitkläger) der B***** GmbH sind, bei der Maklerin. Am 18.10.1991 fand in Anwesenheit der Kläger und der Silvia D***** eine Besichtigung der Räumlichkeiten statt. Im Zuge der damals unter Beteiligung der Beklagten in deren Wohnung geführten Gespräche wurde von Silvia D***** ein Vordruck, überschrieben mit "Kaufanbot", in ein "Mietanbot" (Beilage A) modifiziert, das von den Streitteilen unterfertigt wurde und neben anderem Inhalt, wie Konkretisierung des Bestandobjekts und Festlegung des Bestandzinses zuzüglich Betriebskosten und Umsatzsteuer einen von der Maklerin beigefügten handschriftlichen Vermerk, lautend: "Das Recht der Untervermietung wird unten angef. Mietern eingeräumt.", enthält. In der Urkunde heißt es außerdem noch: "Übergabetermin bei Vertragsabschluß" und "Gesamtprovision bei Vertragsabschluß zu bezahlen" sowie "Bei Vertragsabschluß ist eine Kaution von 3 Bruttomonatsmieten zu erlegen".

Die Kläger begehren gegenüber der Beklagten die Feststellung, daß zwischen ihr und ihnen über die angeführten Bestandräumlichkeiten ein Mietverhältnis auf unbestimmte Dauer, beginnend mit dem 18.10.1991, zu den näher angeführten Modalitäten, insbesondere mit dem Recht auf Untervermietung, zustande gekommen und noch aufrecht sei, in eventu, daß die Beklagte schuldig sei, mit den Klägern binnen 14 Tagen einen Mietvertrag mit dem genannten Inhalt abzuschließen, in eventu, einen Mietvertrag mit den Klägern unter Beschränkung des Rechts der Untervermietung nur an die B***** GmbH, in eventu einen Mietvertrag mit der Beschränkung des Rechts der Untervermietung an alle "Firmen", an denen die beiden Kläger beteiligt sind, abzuschließen. Sie brachten hiezu vor, daß ihnen bereits am 18.10.1991 ein uneingeschränktes Untervermietungsrecht eingeräumt worden wäre. Vom Hausverwalter sei jedoch in weiterer Folge ein Mietvertrag errichtet worden, der das Untervermietungsrecht auf die B***** GmbH beschränkt habe. Obwohl sie sich letztlich nach mehreren Versuchen, eine Umformulierung des Mietvertrages in diesem Punkt zu erreichen, mit einer Einschränkung des Untervermietungsrechts einverstanden gezeigt hätten, hätte die Beklagte, die dieselben Räume neuerlich in einer Tageszeitung zur Vermietung angeboten hätte, jeglichen Kontakt zu den Klägern abgelehnt.

Die Beklagte wendete ein, das "Mietanbot" vom 18.10.1991 lediglich zur Dokumentation der Provisionszahlungsverpflichtung der Kläger an die Maklerin unterfertigt zu haben, das Zustandekommen des Mietvertrages selbst sei einem späteren Zeitpunkt vor dem Hausverwalter vorbehalten gewesen. Im übrigen sei schon damals immer nur von einem Untervermietungsrecht an die B***** GmbH gesprochen worden. Die Mietvertragsverhandlungen seien allein deshalb gescheitert, weil die Kläger abredewidrig auf einem uneingeschränkten Untervermietungsrecht bestanden und hinsichtlich der B***** GmbH keinen Firmenbuchauszug vorgelegt hätten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren und die gestellten Eventualbegehren ab. Es stellte über den eingangs dargelegten Sachverhalt hinaus fest, daß die Beklagte, die auf Anraten ihrer Hausverwaltung nicht bereit gewesen sei, an eine Gesellschaft zu vermieten, mit einer Anmietung des Objekts durch die Kläger und einer Untervermietung an die B***** GmbH einverstanden gewesen sei, am 18.10.1991 aber gleichzeitig auch erklärt habe, daß den Mietvertrag der Hausverwalter abschließen solle. Die Maklerin habe der Beklagten erklärt, sie solle das "Mietanbot" auch unterschreiben, denn sie sei Zeugin, daß die Kläger sich zur Provisionszahlung verpflichtet hätten. Die Beklagte habe daraufhin ihren Hausverwalter unterrichtet, daß ein Mietvertrag abzuschließen sei. Die Kläger seien dann aufgefordert worden, einen Firmenbuchauszug hinsichtlich der B*****-GmbH vorzulegen, damit diese als berechtigte Untermieterin im Vertrag eingetragen werden könne. Am 25.10.1991 hätten die Kläger die Unterzeichnung des Mietvertrages deshalb verweigert, weil sie auf der Einräumung eines uneingeschränkten Untervermietungsrechts beharrt hätten. Nachdem die Mitarbeiter der Hausverwaltungskanzlei nach telefonischer Rücksprache mit der Beklagten, die sich noch einmal dezidiert gegen eine Untervermietung an andere Firmen ausgesprochen hätte, dieses Ansinnen zurückgewiesen hätten, hätten die Kläger ohne Einigung die Büroräumlichkeiten der Hausverwaltung verlassen, womit die Vertragsanbahnung der Kläger mit der Beklagten gescheitert sei. Von Seiten der Kläger seien neue Vorschläge, insbesondere das Untervermietungsrecht betreffend, gekommen, die Beklagte hätte sich jedoch für eine Neuausschreibung zur Vermietung entschieden und habe auch bald einen Mieter gefunden.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß zu keinem Zeitpunkt ein Mietvertrag zwischen den Streitteilen zustande gekommen sei, weil die Beklagte am 18.10.1991 keinen Abschlußwillen gehabt und den Abschluß des Mietvertrages von der Unterfertigung des schriftlichen durch den Hausverwalter zu errichtenden Vertrages abhängig machte, und weiters, weil die in Aussicht genommenen Vertragsbestimmungen von den Klägern in einem wesentlichen Punkt nicht angenommen wurden, weil sie sich nicht mit dem zuerst gewünschten Untervermietungsrecht an die B*****-GmbH begnügen wollten. Auch die Eventualbegehren gingen fehl, weil eben ein Vorvertrag nicht vorgelegen sei noch die Beklagte sich zu irgendeinem Zeitpunkt verpflichtet habe, einen Mietvertrag mit solch bestimmten Inhalten abzuschließen. Eine Haftung der Beklagten wegen Verschuldens im Rahmen ihrer vorvertraglichen Pflichten scheide aus, weil die Kläger selbst das Scheitern des Vertragsabschlusses bewirkt hätten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger Folge und änderte das angefochtene Urteil im Sinne des gestellten Hauptbegehrens ab.

In rechtlicher Hinsicht ging das Berufungsgericht davon aus, daß der von den Streitteilen unterfertigte schriftliche Aufsatz Beilage A einen für das Zustandekommen des konkreten Bestandvertrages notwendigen Inhalt aufweise und keinen Hinweis auf eine Unvollständigkeit der Parteienvereinbarung enthalte. Der Vorbehalt der Beklagten, erst durch eine spätere Vertragserrichtung gebunden sein zu wollen, sei unbeachtlich, weil der Erklärungswert des schriftlichen Aufsatzes Beilage A am Empfängerhorizont der Kläger zu messen sei und unter diesem Blickwinkel das darin enthaltene Recht zur Untervermietung nur als unbeschränkt aufzufassen sei. Es sprach weiters aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil zur Frage des Zustandekommens eines Bestandvertrages gesicherte höchstgerichtliche Judikatur vorliege, von der es nicht abgewichen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei ist zulässig und mit ihrem Aufhebungsantrag berechtigt.

Vorweg war zu prüfen, ob das für den Erfolg der Klage erforderliche Feststellungsinteresse besteht, weil dessen Mangel von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens und daher auch im Rechtsmittelverfahren wahrzunehmen ist (ÖBA 1994, 404; SZ 55/87; Miet Bd 38/25; SZ 53/171 ua). Das Feststellungsinteresse ist jedoch unabhängig davon zu bejahen, ob den Klägern auch eine Leistungsklage offensteht, weil es auch um die Feststellung des Inhalts des Bestandvertrages geht, dessen Zustandekommen sie behaupten, und weil daher durch einen - auch bei Doppelvermietung denkbaren (vgl RZ 1991/41, SpR 48 neu = SZ 30/33 ua) - Leistungsanspruch der Feststellungsanspruch nicht ausgeschöpft würde (vgl SZ 58/175 mwN).

In der Sache ist dem Berufungsgericht zwar darin beizupflichten, daß es bei der Beurteilung der Bedeutung von Erklärungen auf den objektiven Erklärungswert ankommt, also darauf, wie ein redlicher Empfänger der Erklärung diese unter Berücksichtigung aller Umstände verstehen mußte (ÖBA 1992, 745; ÖBA 1990, 843; Miet 42.110, 40.107 mwN; 3 Ob 135/93). Unter diesem Gesichtspunkt wird der Inhalt einer Urkunde durch deren Unterfertigung nur dann zum Inhalt der Willenserklärung des Unterfertigenden, wenn der andere Teil aus den Umständen nicht etwas anderes entnehmen mußte. Dabei hat das Berufungsgericht aber nicht darauf Bedacht genommen, daß die Beklagte nach den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes die von der Angestellten des Immobilienmaklers aufgesetzte Urkunde auf deren Ersuchen unterschrieben hat, um die Verpflichtung der Kläger zur Zahlung der Provision zu beurkunden, wobei nicht hervorgekommen ist, daß dies den Klägern nicht bekannt war. Geht man von dieser - vom Berufungsgericht nach Erledigung der Beweisrüge übernommenen und daher bindenden - Tatsachenfeststellung aus, so kann nicht gesagt werden, daß ein redlicher Erklärungsempfänger aus dem Verhalten der Beklagten ableiten durfte, sie wolle durch ihre Unterschrift einen (schriftlichen) Vertrag oder auch nur eine Punktation im Sinn des § 885 ABGB errichten, zumal in der Urkunde im Zusammenhang mit der Übergabe, der Provision und der Kaution noch auf einen - offensichtlich späteren - "Vertragsabschluß" Bezug genommen wird. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung RdA 1985, 415 die Auffassung vertreten, die für eine Vereinbarung erforderliche Willensübereinstimmung (§ 861 ABGB) sei nicht zustandegekommen, wenn der Arbeitgeber das Schreiben eines Arbeitnehmers, in dem ein das gesetzliche Ausmaß übersteigender Abfertigungsanspruch vereinbart werden soll, nur deshalb unterschrieb, damit dieser allenfalls von "einem Fonds" (Insolvenz-Ausfallsgeldfonds) etwas erhält. Geht man von der angeführten Tatsachenfeststellung aus, so liegt hier ein vergleichbarer Fall vor. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß sich die Berechtigung des Klagebegehrens allein aufgrund der von der Beklagten unterschriebenen Urkunde ergebe, ist daher nicht zu billigen.

Aus dem Vorbringen der Kläger ist aber auch die Behauptung abzuleiten, daß es zwischen den Parteien schon vor der Unterfertigung der Urkunde zu einer Einigung über die Vermietung der Geschäftsräumlichkeiten gekommen ist. Sie berufen sich also auf einen mündlich zustandegekommenen Bestandvertrag. Da eine besondere Form weder im Gesetz festgelegt ist noch zwischen den Parteien festgelegt wurde, konnte ein Bestandvertrag auch mündlich geschlossen werden (§ 883 ABGB). Daß die Parteien die Errichtung einer schriftlichen Vertragsurkunde vorgesehen haben, besagt allein noch nicht, daß sie im Sinn des § 884 ABGB vor Errichtung der Vertragsausfertigung nicht gebunden sein wollten (Miet 34.180 mwN). Der Bestandvertrag kommt gemäß § 1094 ABGB schon durch die Willensübereinstimmung über den Bestandgegenstand und den Bestandzins zustande, es sei denn, daß sich die Vertragsparteien die Einigung über bestimmte, wenn auch unwesentliche Vertragspunkte vorbehalten haben (Miet 34.180, 34.178/12, 27.141 ua) oder wenn über einen solchen Vertragspunkt ein offener Dissens besteht (Miet 35.131; vgl auch Miet 35.132; JBl 1978, 424; EvBl 1960/4; für alles auch Binder in Schwimann Rz 7 zu § 1092; Würth in Rummel2 Rz 3 zu §§ 1092 bis 1094).

Nach den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes war die Beklagte damit einverstanden, daß die Kläger ein bestimmtes Bestandobjekt um einen Hauptmietzins von S 60 je m2 mieten und an die Firma B***** GmbH untervermieten, sie hat allerdings auch erklärt, daß "den Mietvertrag" der Hausverwalter abschließen solle. Demgegenüber machen die Kläger geltend, daß ihnen das Recht zur Untervermietung an eine beliebige Person eingeräumt worden sei. Im Rahmen der Beweiswürdigung führt das Erstgericht noch aus, es sei nicht glaubhaft, daß die Beklagte schon den Abschlußwillen gehabt und vor allem ein uneingeschränktes Untervermietungsrecht angeboten habe; auch diese Ausführungen sind als Tatsachenfeststellungen zu werten (vgl JUS Z 1513). Geht man von diesem Tatsachenfeststellungen aus, so wäre auch ein mündlicher Mietvertrag nicht zustandegekommen, weil der Beklagten der Abschlußwille fehlte und überdies die über einen Vertragspunkt, nämlich den Umfang des Untervermietungsrechtes, keine Einigung erzielt wurde. Die Kläger haben die angeführten Tatsachenfeststellungen in ihrer Berufung aber bekämpft, soweit sie Umstände betreffen, die dem mündlichen Zustandekommen eines Bestandvertrages entgegenstehen. Das Berufungsgericht hat sich, von einer unrichtigen Rechtsansicht ausgehend, mit diesen Ausführungen in der Berufung nicht auseinandergesetzt; dies wird es nachzuholen haben, zumal die Kläger auf den aus dem angeführten Umstand sich ergebenden Mangel des Berufungsverfahrens in der Revisionsbeantwortung dem Sinn nach hingewiesen und diesen Mangel damit geltend gemacht haben. In diesem Zusammenhang wird vor allem auch zu klären sein, ob die Beklagte mit ihrer Aussage, den Mietvertrag solle der Hausverwalter abschließen, zum Ausdruck bringen wollte, daß der Inhalt des Mietvertrages erst durch den Hausverwalter als ihrem Vertreter festgelegt werden sollte, und ob ein redlicher Erklärungsempfänger ihre Aussage in diesem Sinn verstehen mußte, oder ob die Aussage dahin gemeint und zu verstehen war, daß der Hausverwalter nur die schriftliche Ausfertigung des nach beiderseitigem Willen bereits mündlich verbindlich vereinbarten Bestandvertrages errichten sollte. Im ersten Fall wäre der Vertrag wegen Fehlens des Abschlußwillens auf Seiten der Beklagten auch mündlich nicht zustandegekommen, im zweiten Fall bestünde dieses Hindernis hingegen nicht.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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