OGH 2Ob50/95

OGH2Ob50/9529.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Viktor S*****, und 2.) Viktor S***** GmbH, beide*****, vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei Dr.Wolfgang Grohmann, Dr.Helmut Paul Kommanditpartnerschaft in Krems, wider die beklagte Partei ***** Versicherungs AG, ***** vertreten durch Dr.Ferdinand Bruckner, Rechtsanwalt in Korneuburg, wegen Zahlung von S 480.000,- sA (erstklagende Partei), von S 558.567,- sA (zweitklagende Partei) und Feststellung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 31.März 1995, GZ 16 R 257/94-13, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 10.September 1994, GZ 1 Cg 36/93z-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Parteien wird, soweit sie sich gegen die Abweisung der auf Zahlung von S 480.000,- sA (erstklagende Partei) und S 558.567,- sA (zweitklagende) gerichteten Begehren richtet, nicht Folge gegeben und das angefochtene Urteil in diesem Umfang als Teilurteil bestätigt.

Im übrigen aber - hinsichtlich der Abweisung des Begehrens der

erstklagenden Partei auf Feststellung der Haftung der beklagten

Partei für alle Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 9.4.1990 sowie

hinsichtlich der Kostenentscheidung - wird der Revision der

erstklagenden Partei Folge gegeben und das angefochtene Urteil aufgehoben; zugleich wird auch das Urteil des Erstgerichtes in diesem Umfang aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 9.4.1990 verschuldete ein Versicherungsnehmer der beklagten Partei einen Verkehrsunfall, bei dem der Erstkläger als Lenker eines von der zweitklagenden Partei gehaltenen Pkws schwer verletzt und das Fahrzeug beschädigt wurde.

Mit der am 8.4.1993 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Erstkläger aus dem Titel des Schadenersatzes die Zahlung von S 480.000,- samt Zinsen, die zweitklagende Partei die Zahlung von S 1,755.567,- samt Zinsen. Der Erstkläger begehrte darüber hinaus die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für alle Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 9.4.1990 bis zur Höhe der Haftungssummen des Haftpflichtversicherungsvertrages.

Mit Beschluß vom 9.4.1993 trug das Erstgericht der beklagten Partei auf, die Klagebeantwortung binnen 3 Wochen zu erstatten. Dieser Beschluß wurde der beklagten Partei am 15.4.1993 zugestellt, sie erstattete keine Klagebeantwortung sondern legte lediglich mit Schriftsatz vom 3.8.1993 die Vollmacht des Beklagtenvertreters vor.

Am 30.5.1994 beantragten die klagenden Parteien die Erlassung eines Versäumungsurteiles. Diesem Begehren wurde am selben Tag vom Erstgericht stattgegeben.

Am 9.6.1994 langte der fristgerechte Widerspruch der beklagten Partei gegen das Versäumungsurteil ein, in welchem unter anderem die Verjährung der Ansprüche der klagenden Parteien eingewendet wurde.

In der mündlichen Streitverhandlung vom 6.7.1994 hob das Erstgericht das Versäumungsurteil auf, worauf die zweitklagende Partei das Klagebegehren auf Zahlung von S 558.567,- sA einschränkte.

Zum Einwand der Verjährung führten die klagenden Parteien aus, sie hätten den Antrag auf Fällung eines Versäumungsurteiles erst deshalb mehr als ein Jahr nach Ablauf der Klagebeantwortungsfrist gestellt, weil sie noch Verhandlungen mit ihrer Rechtsschutzversicherung führen mußten. Überdies sei erst Ende des Jahres 1991 festgestanden, daß der Erstkläger Dauerschäden erlitten habe.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klagebegehren ohne Aufnahme von Beweisen ab. Es vertrat in rechtlicher Hinsicht die Meinung, die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche seien verjährt, da die Klage zwar innerhalb der Verjährungsfrist eingebracht, in der Folge aber eine gehörige Fortsetzung des Verfahrens unterlassen worden sei.

Das von den klagenden Parteien angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Es schloß sich der Ansicht des Erstgerichtes, daß die Unterlassung des Antrages auf Fällung eines Versäumungsurteiles über mehr als 1 Jahr hindurch als nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens anzusehen sei, an. Die Kläger hätten eine ungewöhnliche Untätigkeit an den Tag gelegt und damit zum Ausdruck gebracht, daß ihnen an der Erreichung des Prozeßzieles nichts gelegen sei. Ruhe das Verfahren ohne das Vorliegen von im Verhältnis zwischen den Parteien gelegenen triftigen Gründen, werde die Unterbrechungswirkung der Klage beseitigt. Durch die Behauptung der klagenden Parteien, es hätten Verhandlung mit der Rechtsschutzversicherung geführt werden müssen, werde ein triftiger Grund zwischen den Parteien nicht behauptet, sondern lediglich ein Grund, der im Verhalten der klagenden Parteien selbst gelegen sei. Es wäre Aufgabe der klagenden Partei gewesen, beachtliche Gründe für die Untätigkeit vorzubringen und erforderlichenfalls zu beweisen.

Zu Recht habe das Erstgericht keine Feststellungen darüber getroffen, ob erst Ende des Jahres 1991 festgestanden sei, daß der Erstkläger Dauerschäden erlitten habe. Allein aus den Klagsbehauptungen ergebe sich nämlich, daß der Erstkläger durch den Unfall schwerste Verletzungen, unter anderem einen Schädelbasisbruch und darüber hinaus schwere innere Verletzungen erlitten habe, er seit dem Unfall an Kopfschmerzen leide und schlechter höre. Warum erst seit Ende des Jahres 1991 feststehen solle, daß der Erstkläger Dauerschäden erlitten habe, sei weder begründet noch seien diesbezügliche Beweisanbote gestellt worden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Parteien mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß in Stattgebung der Berufung die Entscheidung des Erstgerichtes aufgehoben werde.

Die beklagte Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, die Revision der klagenden Parteien nicht zuzulassen, in eventu sie zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Parteien ist zulässig, weil der Ansicht des Berufungsgerichtes, der Erstkläger hätte beweisen müssen, daß erst Ende des Jahres 1991 festgestanden seien, daß er Dauerschäden erlitten habe, nicht gefolgt werden kann. Die Revision ist zum Teil auch berechtigt.

Hinsichtlich des auf Zahlung gerichteten Begehrens machen die klagenden Parteien in ihrem Rechtsmittel geltend, die Unterlassung der Stellung eines Antrages auf Fällung eines Versäumungsurteiles habe kein Ruhen des Verfahrens bewirkt. Es liege daher kein Säumnistatbestand in der Form des Ruhens des Verfahrens vor und sei auch nicht die Unterbrechungswirkung der Klage beseitigt worden. Auf die Frage einer gehörigen Fortsetzung des Verfahrens sei daher gar nicht einzugehen gewesen.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden:

Wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, hat die

Klagsführung nur dann Unterbrechungswirkung, wenn das Verfahren

gehörig fortgesetzt wird. Beruft sich der Beklagte auf die Verjährung

wegen nicht gehöriger Fortsetzung, ist es Sache des Klägers,

beachtliche Gründe für die Untätigkeit nachzuweisen. Die Gründe für

die Untätigkeit müssen im Verhältnis zwischen den Parteien gelegen

sein; der Mangel an finanziellen Mitteln zur Weiterführung des

Prozesses rechtfertigt eine Untätigkeit nicht (Schubert in Rummel2,

Rz 10 zu § 1497 mwN). Als Unterlassung der gehöriger Fortsetzung

des Verfahrens ist - entgegen der Ansicht der klagenden Parteien -

nicht nur ein Ruhen des Verfahrens anzusehen, sondern auch ein

anderer faktischer Verfallsstillstand (3 Ob 508/82). Ein solcher ist

im vorliegenden Fall eingetreten, weil die klagenden Parteien über

ein Jahr keinen Antrag auf Fällung eines Versäumungsurteiles

stellten. Es kam dadurch zu einem dem Ruhen ähnlichen faktischen

Stillstand des Verfahrens (SZ 64/138). Vermag der Kläger beachtliche

und stichhaltige Gründe für die Unterlassung der zur Fortsetzung des

Verfahrens notwendigen Schritte nicht darzutun, so genügt, besonders

wenn die Verjährungsfrist bereits verstrichen wäre, der Ablauf einer

verhältnismäßig kurzen Zeit, so das Verstreichen von sieben oder gar

bloß viereinhalb Monaten (5 Ob 519/93 mwN). Zu Recht sind daher die

Vorinstanzen davon ausgegangen, daß mangels gehöriger Forsetzung die

mit der Klage verbundene Unterbrechungswirkung nicht eingetreten ist,

so daß die auf Zahlung von Schadenersatz gerichteten Ansprüche der

klagenden Parteien gemäß § 1489 ABGB verjährt sind.

Hinsichtlich des Feststellungsbegehrens wird in der Revision

allerdings zutreffend darauf hingewiesen, daß der Erstkläger im

Verfahren erster Instanz vorgebracht hat, es sei erst Ende des Jahres

1991 festgestanden, daß er Dauerschäden erlitten habe. Die ab

Kenntnis des Schadens und des Schädigers laufende dreijährige

Verjährungsfrist des § 1489 ABGB gilt nicht nur für Leistungs-,

sondern auch für Feststellungsbegehren (WoBl 1991, 250; JBl 1993,

191 ua). Für den Beginn der Verjährungsfrist ist der Beklagte

beweispflichtig (JBl 1988, 321; SZ 61/156; JBl 1993, 191). Geht

man nun im vorliegenden Fall von der Richtigkeit der Behauptung des

Erstklägers aus, daß erst Ende 1991 erkennbar war, daß Dauerschäden

wahrscheinlich seien, dann wäre der Standpunkt der beklagten Partei,

daß auch das Feststellungsbegehren verjährt sei, unrichtig. Es kann

die Frist für eine Klage auf Feststellung der Haftung für künftige

Schäden nicht zu laufen beginnen, bevor nicht feststeht oder

wahrscheinlich ist, daß unfallsbedingte Spätfolgen auftreten können.

Der Ansicht des Berufungsgerichtes, es ergebe sich schon aus der Schwere der vom Erstkläger behaupteten Verletzungen, daß zum Unfallszeitpunkt festgestanden sei, daß Spätfolgen möglich sind, kann nicht gefolgt werden. Trotz der Schwere der Verletzungen (Schädelbasisbruch und schwere innere Verletzungen), kann nicht ausgeschlossen werden, daß erst Ende 1991 erkennbar war, daß Dauerschäden für den Erstkläger wahrscheinlich seien, wobei darauf hinzuweisen ist, daß die beklagte Partei dafür beweispflichtig ist, daß die Verjährungsfrist bereits zu einem früheren Zeitpunkt zu laufen begonnen hat.

Die Entscheidung des Erstgerichtes leidet somit an einem Feststellungsmangel, den das Berufungsgericht zu Unrecht nicht wahrgenommen hat. Dies hat zur Folge, daß auch die Entscheidung des Berufungsgerichtes unrichtig ist, was mit Revision geltend gemacht werden konnte (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 3 zu § 503).

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf § 52 Abs 2 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte