OGH 8Ob32/94

OGH8Ob32/9429.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Langer, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Raiffeisenkasse G*****, vertreten durch Dr.Longin Josef Kempf, Rechtsanwalt in Peuerbach, wider die beklagte Partei E***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Armin Dallmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 723.131,55 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 13.Juli 1994, GZ 2 R 125/94-39, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 1.April 1994, GZ 20 Cg 54/93p-34, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

21.996 (einschließlich S 3.666 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei führte für die W***** GmbH, die schließlich am 14.10.1991 in Konkurs verfiel, verschiedene Arbeiten durch. Über ihre Werklohnforderungen stellte sie am 29.5. und 28.6.1991 Rechnungen über zusammen S 1,047.384 aus. Die spätere Gemeinschuldnerin akzeptierte vereinbarungsgemäß zwei von der beklagten Partei über diese Rechnungsbeträge ausgestellte Eigenwechsel, die die beklagte Partei bei der klagenden Bank diskontierte.

Im August 1991 vereinbarte die bereits in Zahlungsschwierigkeiten befindliche spätere Gemeinschuldnerin mit der klagenden Partei, ihrer Bank, die Abtretung von künftigen Forderungen gegenüber ihren Kunden. Davon wurde die beklagte Partei am 14.8.1991 verständigt. Diese schuldete der späteren Gemeinschuldnerin für Warenlieferungen im Zeitpunkt der Eröffnung des Konkurses insgesamt S 723.131,55, und zwar aufgrund von Rechnungen, die in der Zeit vom 30.8. bis 10.10.1991 ausgestellt worden waren.

Am 15.11.1991 forderte die klagende Bank von der beklagten Partei als Ausstellerin der Wechsel die Zahlung der Wechselsummen sA, worauf diese S 1,070.970,12 zahlte.

Mit der vorliegende Klage begehrt die klagende Bank, gestützt auf die oben erwähnten Zessionen, von der beklagten Partei die Zahlung von S 723.131,55 sA.

Die beklagte Partei wendete ua ein, sie habe zulässigerweise mit ihrer gegen die Akzeptantin (die spätere Gemeinschuldnerin) aus der Wechseleinlösung stammenden Regreßforderung die niedrigere Klagsforderung durch außergerichtliche Aufrechnung in vollem Umfang getilgt.

Die klagende Bank berief sich auf die angebliche Unzulässigkeit einer derartigen Aufrechnung und bestritt auch das Vorliegen einer Aufrechnungserklärung.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung und ließ die Revision an den Obersten Gerichtshof mit der Begründung zu, daß seine Entscheidung auf einer durch höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht vollständig abgesicherter Rechtsauffassung beruhe.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Klagsstattgebung; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zwar im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zulässig, aber nicht berechtigt.

Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß der Aussteller (hier die beklagte Partei), der den Wechsel als Rückgriffsschuldner eingelöst hat - wobei im vorliegenden Fall infolge Konkurses des Akzeptanten ein Wechselprotest nicht erforderlich war - gemäß Art 47 Abs 3 WG nicht als Rechtsnachfolger des bezahlten Gläubigers (hier der klagenden Partei) an dessen Stelle tritt, sondern in seine alte Rechtstellung wieder eintritt (SZ 41/183). Die Erlangung der alten Rechtstellung bezieht sich jedenfalls auf den Zeitpunkt, in dem die beklagte Partei durch die Weitergabe der von ihr ausgestellten Wechsel an die klagende Partei Mitschuldnerin der Akzeptantin wurde. Deshalb kann sie auch auf die mit der Ausstellung der Rechnungen vom 29.5. und 28.6.1991 fällig gestellten Werklohnforderungen, zu deren Deckung die Wechselakzepte zahlungshalber gegeben wurden, zurückgreifen und diese geltend machen, und zwar auch in Form einer Aufrechnungserklärung.

Gemäß § 19 Abs 2 KO wird die Aufrechnung dadurch, daß die Forderung des Gläubigers (hier der beklagten Partei) oder des Gemeinschuldners zur Zeit der Konkurseröffnung noch bedingt war, nicht ausgeschlossen. Auch gesetzlich bedingte Forderungen - dazu gehört der Einlösungsrückgriff des Wechselausstellers gegen den Wechselakzeptanten, mit dem er zur ungeteilten Hand haftet, - sind bedingte Forderungen iSd § 19 Abs 2 KO, sofern das den Rückgriff begründende Rechtsgeschäft schon vor Konkurseröffnung bestanden hat (EvBl 1978/4). Dies gilt auch dann, wenn die Zahlung durch den Mitverpflichteten, zu der dieser aufgrund seiner Stellung als Wechselaussteller verpflichtet war, erst nach der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Hauptschuldners (Akzeptanten) erfolgt ist, sofern er im Zeitpunkt des Eingehens der Verpflichtung von der Zahlungsunfähigkeit (bzw der hier gemäß § 67 Abs 2 KO maßgeblichen Überschuldung) keine Kenntnis iSd § 20 Abs 2 KO hatte oder haben mußte (SZ 49/137; JBl 1960/230). Zwar ergibt sich aus den Feststellungen des Erstgerichtes nur ausdrücklich, daß die beklagte Partei jedenfalls im Zeitpunkt des Entstehens ihrer Werklohnforderungen von einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der späteren Gemeinschuldnerin keine Kenntnis hatte oder haben konnte. Darauf, daß der beklagten Partei diese Umstände im Zeitpunkt der Wechselausstellung oder Wechselbegebung bekannt waren oder bekannt hätten sein müssen, beruft sich die hiefür beweispflichtige klagende Partei - trotz ihrer sonst weitwendigen unzulässigen Neuerungen und der im Rahmen der Rechtsrüge behaupteten Feststellungsmängel - auch im gesamten Berufungs- und Revisionsverfahren nicht, sodaß dies als unstrittig der weiteren Entscheidung zugrunde gelegt werden kann.

Der Aufrechnungseinwand steht dem Schuldner (hier der beklagten Partei) auch gegen den Zessionar (die klagende Partei), dem die Forderungen vom Gemeinschuldner abgetreten wurden, zu, weil gemäß § 1394 ABGB durch die Zession die Rechtstellung des Schuldners nicht verschlechtert werden darf (RdW 1987, 328 mwN). Es kann gegenüber den abgetretenen künftigen Forderungen mit allen Gegenforderungen des Schuldners (der beklagten Partei) gegenüber dem Zedenten (der Gemeinschuldnerin) aufgerechnet werden, die bis zum Zeitpunkt der Entstehung der abgetretenen Forderungen begründet worden sind (RdW 1987, 288).

Hieraus folgt, daß die Vorinstanzen zu Recht davon ausgegangen sind, daß die von der beklagten Partei nach der Wechseleinlösung erklärte Aufrechnung auch im Konkurs der Gemeinschuldnerin gemäß §§ 19 und 20 KO zulässig und wirksam war, sodaß die auf die Zessionen gestützte niedrigere Klagsforderung durch außergerichtliche Aufrechnung im vollen Umfang getilgt ist.

Den weitwendigen Revisionsausführungen ist noch zu erwidern, daß sie großteils unzulässige Neuerungen enthalten: Auch soweit die klagende Partei nunmehr erstmals darzulegen versucht, es handle sich bei den beiden Wechseln zwar "wechselmäßig" um Warenwechsel, wirtschaftlich betrachtet aber um "Akzeptantenwechsel", sodaß rechtlich von einem Erlöschen der ursprünglichen Warenlieferungsforderung des Wechselausstellers als Lieferanten gegen den Bezogenen und Akzeptanten als Warenempfänger auszugehen sei, betrifft dies solche unzulässige Neuerungen, auf die nicht einzugehen ist; bisher hatte sich die klagende Partei stets auf die nicht erwiesene Behauptung berufen, die Wechsel seien nicht zahlungshalber, sondern an Zahlungs Statt gegeben worden, und wollte daraus den Schluß ziehen, daß die Forderungen aus dem Grundgeschäft bereits im Zeitpunkt der Hingabe der Wechsel endgültig erloschen seien.

Der Oberste Gerichtshof sieht sich im übrigen - wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt - durch die Revisionsausführungen nicht veranlaßt, von seiner ständigen Rechtsprechung (JBl 1960, 230; SZ 49/137; EvBl 1978/4 ua) abzugehen, daß die gesetzlichen Regreßansprüche von Bürgen, Pfandbestellern, Mitschuldnern sowie Wechsel- und Scheckverpflichteten bereits bei Eingehen der entsprechenden Verpflichtung aufschiebend bedingt entstehen und Gegenstand der Aufrechnung im Konkurs sind, sofern nur - wie im vorliegenden Fall - das den Rückgriff begründende Rechtsgeschäft vor der Konkurseröffnung bestanden hat.

Das Verfahren ist auch nicht mangelhaft geblieben, weil das Erstgericht keine ausreichenden Feststellungen über die Schreiben der beklagten Partei vom 8.5.1992, Beilage ./8, und vom 24.6.1992, Beilage ./9, getroffen hat, gesteht doch die klagende Partei die Echtheit und den Erhalt dieser Schreiben zu, sodaß es nur um deren Auslegung geht. Aus ihnen ergibt sich unzweifelhaft, daß die beklagte Partei die Aufrechnung erklärt hat. Daß die beklagte Partei mit diesen Schreiben (vgl insbesondere Beilage ./9) nur mit Ansprüchen aus der Einlösung der beiden Wechsel aufrechnen und sich nicht auch auf die ursprünglichen Werklohnforderungen stützen wollte, kann ein verständiger und redlicher Erklärungsempfänger aus ihnen nicht ableiten; im übrigen kommt es darauf nach den obigen Ausführungen nicht an, weil die gesetzlichen Rückgriffsansprüche aus den Wechseln jedenfalls schon vor Konkurseröffnung entstanden waren und der beklagten Partei keine Schlechtgläubigkeit zu diesem Zeitpunkt vorgeworfen wird.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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