OGH 8Ob513/95

OGH8Ob513/9522.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Langer, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Bozo L*****, vertreten durch Dr.Werner Hetsch, Dr.Werner Paulinz, Rechtsanwälte in Tulln, wider die Antragsgegnerin Cvijeta L*****, vertreten durch Dr.Bernd Brunner, Rechtsanwalt in Tulln, wegen Benützungsregelung, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten als Rekursgericht vom 14.Dezember 1994, GZ R 848/94-17, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Tulln vom 21.September 1994, GZ 1 Nc 81/94-13, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der Antrag auf gerichtliche Benützungsregelung abgewiesen wird.

Die Parteien haben ihre Verfahrenskosten jeweils selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Parteien waren miteinander verheiratet. Sie bewohnten eine vom Dienstgeber des Antragstellers zur Verfügung gestellte Wohnung, in der der Antragsteller nach Scheidung der Ehe allein verblieb. Während aufrechter Ehe mieteten die Parteien mit Vertrag vom 23.6.1992 gemeinsam ein Haus in einer anderen Ortschaft, das zwei Wohneinheiten unterschiedlicher Größe umfaßte. Anläßlich der Anmietung wurde vereinbart, daß der Sohn der Antragsgegnerin die größere der beiden Wohnungen und der Sohn des Antragstellers die kleinere Wohnung zur Benützung erhalten sollte. Nach Renovierung des Hauses zog der Sohn der Antragsgegnerin im September 1992 mit seiner Gattin in die größere Wohnung. Er bezahlt der Antragsgegnerin monatlich S 1.500,-- an Miete. Die kleinere Wohnung wurde vorübergehend an Dritte vermietet, da der Sohn des Antragstellers in Jugoslawien seinen Militärdienst leistete und daher in dieser Zeit keinen Bedarf an der Unterkunft hatte. Nachdem diese Wohnung im Mai 1993 wieder freigeworden war, zog die Antragsgegnerin mit ihrer 13jährigen Tochter dort ein.

Die Ehe der Streitteile wurde Mitte des Jahres 1993 geschieden. Anläßlich der Scheidung trafen die Parteien eine Vereinbarung über die Aufteilung des Ehevermögens, in deren Punkt 6 festgehalten wurde:

"... daß hiermit die Teilung unseres Vermögens gänzlich erfolgt ist und daß keine gegenseitigen Ansprüche mehr gestellt werden können, da dies unsere unwiderrufliche Erklärung ist." Hinsichtlich des gemeinsam gemieteten Hauses ist in dieser Vereinbarung keine Regelung enthalten. Es gab auch keine mündliche Absprache, weil zwischen den Parteien weiterhin galt, daß jeder ihrer Söhne eine Wohnung haben sollte.

Der Sohn des Antragstellers hat derzeit großes Interesse, die für ihn im angemieteten Haus vorgesehene Wohnung zu erhalten, da er die derzeit benützte Wohnung bald verlieren wird. Nur für den Fall, daß sein Sohn nicht in diese Wohnung zieht, würde dies der Antragsteller selbst tun.

Mit seinem am 26.4.1994 beim Erstgericht eingelangten Antrag auf gerichtliche Benützungsregelung eines Bestandobjektes brachte der Antragsteller vor, daß er in der Zeit vom 3.1.1983 bis 1.7.1993 mit der Antragsgegnerin verheiratet gewesen sei. Das während aufrechter Ehe von den Parteien gemeinsam für die Dauer von 10 Jahren angemietete Haus bestehe aus zwei völlig getrennten Wohnobjekten. Derzeit benütze die Antragsgegnerin das gesamte Bestandobjekt und schließe den Antragsteller von einer Benützung aus. Sie habe ohne Zustimmung des Antragstellers die von ihr selbst nicht bewohnte Wohnung ihrem Sohn überlassen. Da keine Einigung über die Benützung des gemeinsamen Bestandobjektes erzielt werden könne, werde der Antrag gestellt, eine gerichtliche Benützungsregelung in der Form vorzunehmen, daß jedem der Bestandnehmer eine Wohnung zur ausschließlichen Benützung übergeben und der Benützer der größeren Wohnung verpflichtet werde, dem Benützer der kleineren Wohnung die Nutzwertdifferenz in Geld auszugleichen, in eventu, die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller ein angemessenes Benützungsentgelt für die ausschließliche Nutzung zu bezahlen.

Die Antragsgegnerin brachte demgegenüber vor, daß die Benützung der größeren Wohnung durch ihren Sohn im Einvernehmen mit dem Antragsteller erfolge. Es sei zwischen den Parteien eine Benützungsregelung getroffen und das Haus gerade zu dem Zweck angemietet worden, eine Wohnung für den Sohn der Antragsgegnerin und später auch eine solche für die gemeinsame Tochter zu haben. Im Zusammenhang mit dem Auseinanderbrechen der Ehe sei der Antragsteller in der Dienstwohnung verblieben, während die Antragsgegnerin mit Einverständnis des Antragstellers in die freie Wohnung im angemieteten Haus eingezogen sei. Die Nichterwähnung des Hauses im Scheidungsvergleich über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens sei nicht versehentlich erfolgt, sondern deshalb, weil zum damaligen Zeitpunkt die Parteien über die Benützung des Hauses in vollem Einvernehmen gewesen seien. Da das Haus entsprechend der einvernehmlich getroffenen Benützungsregelung bewohnt und benützt werde, werde die Abweisung des Antrages begehrt.

Das Erstgericht wies mit seinem nach Beweisaufnahme gefaßten Beschluß dem Antragsteller die kleinere der beiden Wohnungen zu und trug ihm auf, die Miet- und Betriebskosten entsprechend dem Verhältnis der Wohnflächen beider Wohneinheiten anteilig zu tragen. Es traf die eingangs zusammengefaßt wiedergegebenen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß das den Parteien gemeinsam zustehende Mietrecht in sinngemäßer Anwendung der für eine eigentumsrechtliche Gemeinschaft geltenden Grundsätze zu regeln sei. Aus dem von den Parteien anläßlich der Scheidung getroffenen Übereinkommen ergebe sich, daß hinsichtlich des Bestandobjektes deshalb eine Regelung unterblieben sei, weil zwischen den Parteien Einvernehmen dahin bestanden habe, daß das Mietobjekt ihren beiden Kindern überlassen werden sollte. Schon anläßlich der Anmietung sei eine grundsätzliche Regelung getroffen worden, wie der Mietgegenstand zu nutzen sei. Diese Vereinbarung sei anläßlich der Ehescheidung nicht geändert worden, sodaß es nur recht und billig sei, wenn der Antragsteller (endlich) eine seinen Rechten aus dem gemeinsamen Vertrag entsprechende Nutzung erhalte.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs der Antragsgegnerin nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Ausgehend von den erstgerichtlichen Feststellungen folgerte es rechtlich, daß die Ehescheidungsvereinbarung die gemeinsame Mieterposition im Innenverhältnis nicht berührt habe, sei es, weil die Parteien die Mietrechte gar nicht als Bestandteil des Ehevermögens angesehen haben, sei es, daß sie die anläßlich der Anmietung getroffene Vereinbarung beibehalten wollten. Der in der Vereinbarung enthaltene Verzicht auf gegenseitige Ansprüche könne nicht als Anspruchsverzicht hinsichtlich der Zuteilung einer Wohnung im Bestandobjekt gewertet werden, weil das Begehren nur der räumlichen Konkretisierung der Anteilsrechte diene, die anläßlich der Ehescheidung unangetastet geblieben seien. Die Benützung im Rahmen eines Gesamtmietverhältnisses (Mitmiete) sei - mangels Benützungsvereinbarung - vom Außerstreitrichter in sinngemäßer Anwendung des § 835 ABGB zu regeln. Voraussetzung sei allerdings die rechtliche Verfügbarkeit der in Betracht kommenden Liegenschaftsteile. Eine solche fehle, wenn eine bindende Benützungsvereinbarung zwischen den Miteigentümern bzw. -mietern bestehe. Allerdings schließe nicht jede Vereinbarung eine Benützungsregelung aus und entspreche es der neueren Lehre und Rechtsprechung, daß sich jede Benützungsvereinbarung als Dauerrechtsverhältnis darstelle und als solches aus wichtigen Gründen formlos zur Auflösung gebracht werden könne. Selbst für den Fall der Annahme des Vorliegens einer bindenden Benützungsvereinbarung wäre dann wegen einer wesentlichen Änderung der Umstände eine Neuregelung durch den Außerstreitrichter möglich. Im vorliegenden Fall bestehe zwar eine Vereinbarung der Streitteile über die Benützung des Objektes, doch fehle dieser Vereinbarung insoweit die bindende Kraft, als nicht klargestellt sei, aufgrund welchen Rechtstitels und unter welchen Modalitäten die Söhne die Wohnungen übertragen erhalten sollten. Eine Benützungsregelung könne daher erfolgen, wobei kein Anlaß bestehe, von der grundsätzlichen Aufteilung der Interessensphären abzugehen, die die Parteien anläßlich der Anmietung vorgenommen und im Zuge der Ehescheidung beibehalten haben. Die von der Rekurswerberin angestellten Überlegungen, daß eine Interessenabwägung zu ihren Gunsten vorzunehmen sei, könne keine Berücksichtigung finden, weil die Parteien ihre Vereinbarung über die Benützung auch angesichts der Scheidungssituation aufrecht erhalten haben. Nach dieser Vereinbarung wäre jedoch der Rekurswerberin selbst nie eine Wohnung zur Verfügung gestanden, während hingegen das große Interesse des Sohnes des Antragstellers an der kleineren Wohnung ausdrücklich festgestellt worden sei.

Der gegen den rekursgerichtlichen Beschluß erhobene Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Mitmieter einer Bestandsache stehen in Ansehung der Mietrechte in einer Gemeinschaft, auf die die Bestimmungen der §§ 825 ff ABGB analog anzuwenden sind (Gamerith in Rummel2 § 825 Rdz 9; SZ 23/371; SZ 34/25; SZ 56/132). Die Regelung der Benützung des Bestandgegenstandes im außerstreitigen Verfahren ist daher möglich (MietSlg 29.085).

Eine Benützungsregelung unter Miteigentümern oder Mitmietern ist die Zuweisung der gemeinschaftlichen Sache oder ihrer körperlich begrenzten Teile zur ausschließlichen oder gemeinsamen, auf Dauer oder mindestens auf längere Zeit gedachten Benützung an die Teilhaber und die allfällige Festsetzung einer Entgeltleistung für eine ihren Anteil übersteigende Benützung. Die Benützungsregelung setzt allerdings die rechtliche Verfügbarkeit der in Betracht kommenden Liegenschaftsteile (Räume) voraus. Eine solche fehlt insbesondere, wenn eine bindende Benützungsvereinbarung vorliegt (Gamerith aaO Rdz 5 zu § 835; MietSlg 39.056; SZ 41/30; SZ 51/5; 8 Ob 575/87). Bei Prüfung der Frage, ob eine Benützungsregelung im Verfahren außer Streitsachen erfolgen kann, ist stets von den Behauptungen des Antragstellers auszugehen, nicht jedoch von den Einwendungen des Antragsgegners. Verlangt der Antragsteller eine rechtsgestaltende Regelung der Benützung der gemeinsamen Sache, dann hat der Außerstreitrichter zu entscheiden; verlangt er hingegen die Zuhaltung einer Vereinbarung oder die Beseitigung einer eigenmächtigen widerrechtlichen Maßnahme des anderen Miteigentümers, dann muß er diesen Anspruch mit Klage im streitigen Verfahren geltend machen (MietSlg 36.720). Ergibt sich im Verfahren, daß entgegen dem Vorbringen des Antragstellers eine bindende Benützungsregelung getroffen wurde, die auch weiterhin wirksam ist, ist der Antrag nicht wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen, sondern abzuweisen (Gamerith aaO Rdz 11 zu § 835; 1 Ob 556, 557/93). Der Entscheidung des Außerstreitrichters steht nur eine bestehende Benützungsvereinbarung entgegen, nicht jedoch eine faktische Gebrauchsregelung (4 Ob 547/89). Nach nunmehr herrschender Rechtsprechung begründet eine Benützungsregelung ein Dauerrechtsverhältnis, das aus wichtigen Gründen jederzeit formlos gelöst werden kann. Im Zweifel ist schon im Antrag an den Außerstreitrichter auf Benützungsregelung eine außerordentliche Kündigung der allenfalls bestandenen Benützungsvereinbarung zu erblicken (SZ 53/24; 1 Ob 556, 557/93). Bei Beurteilung der Frage des Vorliegens einer derartigen Aufkündigung ist der Wortlaut des Begehrens und der zu seiner Begründung vorgebrachte Sachverhalt maßgebend. Hat der Antragsteller eine wesentliche Änderung der Verhältnisse behauptet, kann die Feststellung neu eingetretener Umstände eine Benützungsregelung im Außerstreitverfahren rechtfertigen (MietSlg 39.055).

Im gegenständlichen Verfahren hat der Antragsteller lediglich vorgebracht, daß zwischen den Parteien keine Einigung über die Benützung des gemeinsam angemieteten Bestandobjektes bestehe, was nur dahin verstanden werden kann, daß eine bindende vertragliche Benützungsregelung fehle. Damit ist aber aufgrund des allein maßgeblichen Inhaltes des Antrages der außerstreitige Rechtsweg zulässig. Die von der Rekurswerberin in ihrem Rechtsmittel behauptete Nichtigkeit liegt nicht vor.

Nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen haben die Parteien hingegen bei der Anmietung der Wohnung eine Vereinbarung über deren Nutzung geschlossen und sollte diese nach ihrem Willen auch nach Scheidung der Ehe weiter gelten. Der Ansicht des Rekursgerichtes, dieser Vereinbarung fehle die bindende Kraft, da nicht klargestellt sei, aufgrund welchen Rechtstitels und unter welchen Modalitäten die Söhne der Parteien die Wohnungen übertragen erhalten sollten, kann nicht gefolgt werden. Vielmehr liegt gegenständlich eine die Parteien bindende und hinsichtlich des Sohnes der Antragsgegnerin bereits in die Tat umgesetzte Regelung der Benützung des Bestandobjektes vor, wobei es unerheblich ist, wie die Parteien das Rechtsverhältnis zu ihren Söhnen zu gestalten beabsichtigten. Ausschlaggebend ist lediglich, daß die Streitteile in ihrer Beziehung zueinander die Nutzung des Hauses in verbindlicher und auf Dauer angelegter Form regelten. Daß nunmehr geänderte Umstände vorlägen, welche diese Benützungsregelung hinfällig machen könnten, ist im Verfahren nicht hervorgekommen, sondern vielmehr ausdrücklich festgestellt worden, daß der Sohn des Antragstellers am Bezug der ihm zugedachten Wohnung großes Interesse habe.

Wie bereits dargestellt, kann durch einen Antrag auf gerichtliche Benützungsregelung eine bestehende Vereinbarung aufgekündigt und damit eine Entscheidung im Außerstreitverfahren ermöglicht werden. Dem Vorbringen des Antragstellers im Verfahren kann jedoch nichts entnommen werden, was auf eine derartige Aufkündigung hindeuten könnte, zumal sein Antrag offenkundig zu dem Zwecke gestellt wurde, der festgestellten Vereinbarung zum Durchbruch zu verhelfen. Dafür ist aber das außerstreitige Verfahren nicht geeignet. Auch dem bei der meritorischen Erledigung beachtlichen Vorbringen der Antragsgegnerin kann nicht entnommen werden, daß sie die Vereinbarung aufkündigen wolle, hat sie doch gerade wegen des Vorliegens einer (allerdings anders lautenden) Benützungsvereinbarung die Abweisung des Antrages begehrt.

Da somit eine bindende Benützungsregelung vorliegt, ist für eine Entscheidung des Außerstreitrichters kein Raum, weshalb der Antrag abzuweisen war. Es bedurfte auch keiner weiteren Prüfung, ob unter Berücksichtigung der offenkundig gegebenen Auslandsbeziehung der Antrag als ein solcher nach §§ 81 ff EheG gewertet werden könnte, da selbst bejahendenfalls die festgestellte Vereinbarung als eine solche über eheliches Gebrauchsvermögen oder eheliche Ersparnisse zu beurteilen wäre, deren Zuhaltung nach nunmehr ständiger Rechtsprechung nur im Streitverfahren geltend gemacht werden kann (EFSlg 54.617; SZ 53/150; SZ 53/153).

Mangels einer anderslautenden gesetzlichen Regelung findet auch in dem außerstreitigen Benützungsregelungsverfahren kein Kostenersatz statt (EFSlg 39.564).

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