OGH 6Ob24/94

OGH6Ob24/9422.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Firmenbuchsache der Bauunternehmung-B***** GesmbH mit dem Sitz in K*****, FN 74871 f, infolge Revisionsrekurses der Gesellschaft, vertreten durch Dr.Johann Pfeifer, öffentlicher Notar in Liezen, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz vom 22.Juli 1994, AZ 1 R 145/94 (ON 5), womit der Beschluß des Landes- als Handelsgerichtes Leoben vom 22. Juni 1994, GZ 24 Fr 1080/94k-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Firmenbuchsache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Nach dem Stand der Übertragung der Firmenbuchdaten in die Datenbank fiel nach Punkt 15. des Gesellschaftsvertrages das Geschäftsjahr mit dem Kalenderjahr zusammen. Anläßlich des Berichtigungsverfahrens gemäß Art XXIII FBG teilte die Gesellschaft dem Firmenbuchgericht unter anderem mit, daß der Bilanzstichtag nicht der 31.Dezember sondern der 28.Februar sei. Nach Belehrung durch das Firmenbuchgericht, daß - wenn Regelungen über das Geschäftsjahr im Gesellschaftsvertrag enthalten seien - eine Änderung des Bilanzstichtages auch einer Änderung des Gesellschaftsvertrages in Form eines notariell beurkundeten Gesellschafterbeschlusses bedürfe und zur Eintragung anzumelden sei, stellte die Gesellschaft am 22.6.1994 den Antrag, aufgrund des Generalversammlungsprotokolles vom 28.4.1994 als Stichtag für den Jahresabschluß den 28.Februar (seit 1988) im Firmenbuch einzutragen. Vorgelegt wurde das Generalversammlungsprotokoll vom 28.4.1994 wonach Punkt 15 des Gesellschaftsvertrages wie folgt geändert wurde:

"Die Dauer der Gesellschaft ist nicht auf eine bestimmte Zeit beschränkt. Die Gesellschaft hat, unbeschadet der abweichenden steuerlichen Regelung des § 8 Abs 3 des Strukturverbesserungsgesetzes mit dem Tag ihrer Eintragung in das Handelsregister begonnen.

Das erste Gesellschaftsjahr der Gesellschaft hat mit dem Tag ihrer Eintragung in das Handelsregister (2.Jänner 1980) begonnen und endete mit 31.Dezember dieses Jahres. Steuerlich lief das erste Geschäftsjahr der Gesellschaft jedoch gemäß § 8 Abs 3 des Strukturverbesserungsgesetzes vom 1.Jänner 1979 bis 31.Dezember 1979. Die folgenden Geschäftsjahre fielen mit den Kalenderjahren zusammen. Das am 1.Jänner 1988 begonnene Geschäftsjahr endete am 28.Februar 1988. Das folgende Geschäftsjahr begann mit 1.März 1988 und endete mit dem Monatsletzten des Februars des Folgejahres. Die folgenden Geschäftsjahre begannen bzw beginnen jeweils mit 1.März und enden mit dem Letzten des Monates Februar des Folgejahres."

Weiters wurde ein Bescheid des Finanzamtes Liezen vom 26.5.1987 vorgelegt, mit welchem dem Antrag der Gesellschaft vom 23.4.1987 auf Zustimmung zum Übergang von regelmäßigen Abschlüssen auf den 31.12. zu regelmäßigen Abschlüssen auf den 28.2. im Sinne des § 2 Abs 4 EStG 1972 stattgegeben und als erster geänderter Bilanzstichtag der 28.2.1988 angeführt wurde.

Das Erstgericht wies das Eintragungsbegehren mit der Begründung ab, die Umstellung des Geschäftsjahres auf ein abweichendes Wirtschaftsjahr erfordere eine Änderung des Gesellschaftsvertrages. Nach § 49 Abs 2 GmbHG habe die Abänderung des Gesellschaftsvertrages keine rechtliche Wirkung, bevor sie in das Firmenbuch eingetragen werde. Die Eintragung habe konstitutiven Charakter und müsse daher vor Ablauf des dadurch entstandenen Rumpfgeschäftsjahres zum Firmenbuch angemeldet werden. Vorliegend habe das Rumpfgeschäftsjahr vom 1.1. bis 28.2.1988 gedauert. Eine rückwirkende Änderung des Geschäftsjahres könne nicht eingetragen werden, weil damit eine mögliche Gefährdung der Gläubiger, der Ablauf gesetzlicher oder satzungsmäßiger Fristen für den Rechnungsabschluß, eine Nichtübereinstimmung mit den tatsächlichen Verhältnissen aber auch Gewinnansprüche der Gesellschafter gegeben sein könnte.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Gesellschaft keine Folge. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, eine rückwirkende Satzungsänderung sei, soweit Interessen von Dritten berührt würden, ausgeschlossen. Nach überwiegender Lehre sei eine rückwirkende Änderung des Geschäftsjahres nur dann zulässig, wenn der Änderungsbeschluß vor Ablauf des (neugebildeten) Rumpfgeschäftsjahres gefaßt und auch der Eintragungsantrag vor diesem Zeitpunkt bei Gericht eingelangt sei. Da der Gesellschafterbeschluß nach Ablauf des Rumpfgeschäftsjahres gefaßt und die Anmeldung der Änderung ebenfalls danach erfolgt sei, müsse die Eintragung abgelehnt werden.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Wirksamkeit eines nach Ablauf des neugebildeten Rumpfgeschäftsjahres eingebrachten Eintragungsantrages fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist im Sinne einer Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen auch berechtigt.

§ 49 Abs 2 GmbHG bestimmt ausdrücklich, daß eine Änderung des Gesellschaftsvertrages keine rechtliche Wirkung hat, bevor sie in das Firmenbuch eingetragen ist. Der Eintragung kommt daher konstitutive Bedeutung zu. Die Lehre sowie die Rechtsprechung der Gerichtshöfe zweiter Instanz vertreten überwiegend den Standpunkt, daß eine rückwirkende Änderung des Geschäftsjahres durch eine entsprechende Abänderung des Gesellschaftsvertrages zu einem Zeitpunkt, zu dem das dadurch entstehende Rumpfgeschäftsjahr bereits abgelaufen ist, unzulässig sei (Koppensteiner GmbHG Rz zu § 49; Kostner-Umfahrer GmbH4, 560; Novotny in Straube HGB Rz 12 zu § 193; NZ 1991, 133; 1989, 270; 1989, 73). Nach Reich-Rohrwig GmbH Recht, 443 sei es strittig, ob die Gesellschafter durch eine besondere Bestimmung Satzungsänderungsbeschlüssen rückwirkende Kraft verleihen könnten. Die Frage werde seiner Ansicht nach im Einzelfall zu bejahen sein, wenn nicht zwingendes Recht entgegenstehe; wäre auch die rückwirkende Änderung des Geschäftsjahres mit Zustimmung der Finanzbehörde möglich, wenn die GmbH die Durchführung der Inventur für den zurückliegenden neuen Bilanzstichtag nachweise.

Es mag durchaus sein, daß im Einzelfall Gläubigerinteressen durch eine rückwirkende Änderung des Geschäftsjahres nicht beeinträchtigt sind, die Zustimmung der Finanzbehörde ist nur für den fiskalischen Bereich von Bedeutung, einer rückwirkenden Eintragung im Firmenbuch steht aber die klare Bestimmung des § 49 Abs 2 GmbHG entgegen. Die Gesellschafter sind zwar nicht gehindert, im Innenverhältnis im allseitigen Einvernehmen die Satzungsänderungen schon für Zeiten vor ihrem Wirksamwerden zu beachten und sich untereinander entsprechend ihren nicht formell in der Generalversammlung gefaßten Beschlüssen zu verhalten, im Verhältnis zu Dritten aber ist eine Rückwirkung der Satzungsänderung auf einen vor der Eintragung gelegenen Zeitpunkt ausgeschlossen (vgl auch Ulmer in Hachenburg GmbHG8 Rz 25 zu § 53 und Gördeler, Müller aaO Rz 18 zu § 29). Das Firmenbuchgericht muß daher die Eintragung einer rückwirkenden Satzungsänderung ablehnen.

Es entspricht aber der ständigen jüngeren Rechtsprechung des erkennenden Senates (RdW 1994, 175 = ecolex 1994, 236 = WBl 1994, 169; zuletzt 6 Ob 30/94), daß zwar grundsätzlich von der Einheit eines Eintragungsbegehrens auszugehen ist und eine aus den Eintragungsgrundlagen hervorleuchtende Bedingtheit eines an sich selbständig denkbaren Vorganges von einem anderen eine Junktimierung indiziert, es aber mangels einer ausdrücklichen Erklärung in der Anmeldung auch nach Prüfung der Eintragungsgrundlagen objektiv zweifelhaft bleiben kann, ob im Falle eines Eintragungshindernisses, das nur einen Teil des Antrages umfaßt, eine teilweise Eintragung anstrebt wird. In einer solchen Lage ist ein Mangelbehebungsverfahren im Sinne des § 17 FBG einzuleiten und nur im Falle der hierauf erklärten Junktimierung mit Gesamtabweisung, andernfalls aber nur mit Teilabweisung vorzugehen. Ein solches Verbesserungsverfahren durch Einholung einer Erklärung der Gesellschaft, ob eine Eintragung des in der Praxis schon seit Jahren geänderten Bilanzstichtages ohne die Beifügung des Zusatzes "seit 1988" angestrebt werde, erweist sich daher als notwendig, sodaß wie im Spruch zu entscheiden war.

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