OGH 14Os61/95

OGH14Os61/9520.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Juni 1995 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Mag.Strieder, Dr.Ebner und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Stöckelle als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Franz K* wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 14.Feber 1995, GZ 28 Vr 3.008/94‑12, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr.Bierlein, und des Verteidigers Mag.Mader, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1995:0140OS00061.9500000.0620.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Beurteilung der Tat als Verbrechen der vollendeten Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB, demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und ‑ unter Neufassung des Schuldspruchs ‑ im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Franz K* hat am 24.August 1994 in E* außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB die Katrien D* mit Gewalt zur Duldung eines Oralverkehrs, somit einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht, indem er sie unter Anwendung überlegener Körperkraft im Bett festhielt und ihren Kopf gegen seinen erigierten Penis drückte.

Franz K* hat hiedurch das Verbrechen der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15201 Abs 2 StGB begangen und wird hiefür nach § 201 Abs 2 StGB zu 6 (sechs) Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird ihm diese Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

 

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Franz K* des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB schuldig erkannt. Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er am 24.August 1994 in E* die Katrien D* mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie am Körper festhielt und, nachdem er sich auf ihre Hüfte gesetzt hatte, mit seinem Finger in ihre Scheide fuhr und ihren Kopf zu seinem Penis drückte.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus den Gründen der Z 5 a und ‑ wie der Verteidiger im Gerichtstag klargestellt hat ‑ der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO.

Die Beschwerde ist nur zum Teil im Recht.

Nach den Urteilsfeststellungen drang der Angeklagte in den Morgenstunden des 24.August 1994 in angetrunkenem Zustand in das Zimmer der in seinem Gasthof logierenden 22‑jährigen belgischen Urlauberin Katrien D* ein. Er erhoffte sich einen sexuellen Kontakt, doch forderte ihn die Frau auf, das Zimmer zu verlassen. Dessenungeachtet zog sich der Angeklagte nackt aus und legte sich zu ihr ins Bett, worauf Katrien D* versuchte, sich über den unbenützten, dem Angeklagten abgewandeten Teil des Doppelbettes aus diesem hinauszudrehen. Der Fluchtversuch scheiterte jedoch daran, daß der körperlich überlegene Angeklagte sie mit festem Griff an den Schultern und an den Beinen packte und nicht mehr losließ. Er versuchte sodann, mit ihr zu schmusen, was Katrien D* abwehrte, indem sie ihr Gesicht von ihm wegdrehte. Sie forderte den Angeklagten auf, sie in Ruhe zu lassen, blieb jedoch erfolglos. Er drehte sie auf den Rücken, setzte sich auf ihre Hüfte und versuchte, sie ihres Pyjamas zu entkleiden. Da sie jedoch seine Hände wegstieß, konnte der Angeklagte ihr das Pyjamaoberteil nicht ausziehen, worauf er mit der Hand unter den dehnbaren Stoff fuhr, sie an der Brust abgriff und seinen Kopf auf ihre Brust legte. Dabei hielt er ihre beiden Hände über ihrem Kopf fest, sodaß sie sich nicht mehr wehren konnte. Zunächst gelang es ihr noch, sich seinem Griff zu entwinden, doch nahm er ihre Hände erneut, führte sie an sein erigiertes Glied und bewegte ihre Hände daran auf und ab. Katrien D* konnte zwar ihre Hände abermals kurz befreien, doch führte der Angeklagte diese ein zweites und ein drittes Mal an seinen Penis. Anschließend bemühte er sich, ihr die Pyjamahose herunterzuziehen und mit der Hand unter ihren Slip vorzudringen. Dies vermochte sie dadurch zu verhindern, daß sie mit beiden Händen ihre Hose festhielt. In der Folge griff er mit der rechten Hand von unten durch ein Hosenrohr der kurzen Pyjamahose und drang mit einem Finger zum Teil, wenn auch nur für einen Augenblick, in die Scheide ein. Katrien D* strampelte dabei heftig mit ihren Beinen, wodurch der Angeklagte von ihrer Scheide ablassen mußte. Danach setzte er sich, mit einem Knie ihre Beine auseinanderdrängend, auf einen ihrer Oberschenkel und versuchte, ihren Kopf an seinen Penis zu drücken, um sie zu einem Oralverkehr zu zwingen, was ihm jedoch mißlang. Wegen der fortgeschrittenen Zeit verließ der Angeklagte dann das Zimmer.

Zur subjektiven Tatseite stellte das Erstgericht fest, daß dem Angeklagten die heftige Gegenwehr der Katrien D* nicht entgangen war. Er war trotz seiner Alkoholisierung voll zurechnungsfähig und hielt es ernstlich für möglich, daß er sie gegen ihren Willen und Widerstand mit Gewalt zur Duldung dieser sexuellen Handlungen nötigte, nahm dies jedoch bei seinem Vorgehen in Kauf.

Gegen die Richtigkeit dieser dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen hegt der Oberste Gerichtshof nach Prüfung des Beschwerdevorbringens (Z 5 a) anhand der Akten keine erheblichen Bedenken.

Insoweit war daher die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Im Recht ist der Beschwerdeführer jedoch mit seinem weiteren Einwand (Z 10), daß das nur einen Augenblick dauernde und bloß teilweise Eindringen mit dem Finger in die Scheide des Tatopfers noch nicht als eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung zu beurteilen sei.

Der Oberste Gerichtshof hält zwar daran fest, daß auch eine digitale Vaginalpenetration dem Beischlaf gleichgesetzt werden kann, sofern sie nach der konkreten Fallgstaltung in der Summe ihrer Auswirkungen und Begleiterscheinungen nach allgemeinem Verständnis eine solche Gleichsetzung zuläßt, wobei als Vergleichskriterien die Intensität der sexuellen Inanspruchnahme, die Schwere des Eingriffes in die sexuelle Selbstbestimmung und das Ausmaß der Demütigung und Erniedrigung des Opfers heranzuziehen sind (vgl JAB 927 BlgNR 17.GP , 3). In diesem Sinne wurde etwa das abwechselnde mehrfache Einführen eines Fingers durch zwei Täter in die Scheide des Tatopfers (EvBl 1992/180 = JBl 1992, 729 mit abl Glosse Schwaighofers) und das wiederholte Einführen eines Fingers in die Scheide eines unmündigen Mädchens (14 Os 144/93) als tatbildmäßig erkannt. Auch in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 11.Mai 1995, 15 Os 15/95, wurde das (zwar lediglich einmalige, aber) unter Beteiligung eines Mittäters bewirkte Einführen des Fingers in die Scheide eines 16jährigen Mädchens ausdrücklich nur unter den dort aktuellen Tatmodalitäten als eine dem Beischlaf gleichzusetzende Form der geschlechtlichen Betätigung gewertet.

Das hier festgestellte kurzzeitige und unvollständige Eindringen mit dem Finger in die Scheide einer erwachsenen Frau ist aber unter Zugrundelegung des aufgezeigten Maßstabes nach allgemeinem Verständnis noch nicht dem Beischlaf gleichzusetzen, weshalb dieses Tatverhalten des Angeklagten zu Unrecht schon als Vollendung des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB beurteilt worden ist.

Ob gleichwohl der Vorsatz des Angeklagten auf ein als nach den vorbezeichneten Kriterien dem Beischlaf gleichzusetzendes intensives Eindringen mit dem Finger in die Vagina gerichtet war, sodaß Franz K* schon insoweit den Versuch des Verbrechens der Vergewaltigung zu verantworten hätte, kann dahingestellt bleiben, denn unabhängig davon führt der aufgezeigte Subsumtionsirrtum nicht zu dem vom Beschwerdeführer angestrebten Ergebnis einer Tatbeurteilung bloß als Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB. Der Angeklagte übersieht nämlich, daß er nach den erstinstanzlichen Feststellungen beim gewaltsamen Hindrücken des Kopfes des Tatopfers zu seinem erigierten Penis mit dem Vorsatz gehandelt hat, dieses zu einem Oralverkehr, also einer unzweifelhaft dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu nötigen. Jedenfalls damit hat er aber das Verbrechen der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15201 Abs 2 StGB verwirklicht. Der vorangegangenen, bei gesonderter Beurteilung nach § 202 Abs 1 StGB tatbestandsmäßigen Nötigung zu den nicht beischlafsadäquaten geschlechtlichen Handlungen (dem Abgreifen an den Brüsten, den Manipulationen an seinem Geschlechtsteil und insb dem Finger‑Scheidenkontakt) kommt damit im gegebenen Sachzusammenhang keine selbständige rechtliche Bedeutung zu.

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war daher der Schuldspruch entsprechend zu korrigieren (§ 288 Abs 2 Z 3 StPO).

Bei der Strafneubemessung war die heimtückische Handlungsweise (Einschleichen durch Nachsperre in das verschlossene Zimmer einer Schlafenden) erschwerend; mildernd hingegen der bisher ordentliche Lebenswandel des Angeklagten, seine nicht vorwerfbare (§ 35 StGB) Enthemmung durch Alkohol, und daß es beim Versuch geblieben ist.

Ein Strafausmaß von sechs Monaten ‑ im Ergebnis also jenes, das vom Erstgericht verhängt worden ist ‑ entspricht der unrechtsbezogenen Täterschuld (§ 32 StGB). Die bedingte Strafnachsicht folgt schon aus dem Verschlimmerungsverbot (§ 295 Abs 2 StPO).

Der Ausspruch über die Kostenersatzpflicht des Beschwerdeführers ist in § 390 a StPO begründet.

 

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