OGH 4Ob43/95

OGH4Ob43/9513.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Berger und Dr.Josef A.Aichlreiter, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Dr.Alexander I*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der "B*****gesellschaft mbH & Co KG" (26 S 56/94 des Landesgerichtes für ZRS Graz), vertreten durch Dr.Heimo Hofstätter, Rechtsanwalt in Graz, wegen Wiederaufnahme des zur Sicherung des Anspruches auf Unterlassung eingeleiteten Provisorialverfahrens (Streitwert im Provisorialverfahren: 450.000 S), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 8.März 1995, GZ 2 R 29/95-14, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 24. Jänner 1995, GZ 11 Cg 235/94s-11, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden mit der Maßgabe bestätigt, daß der Wiederaufnahmeantrag zurückgewiesen wird.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Inhaberin der am 28.3.1994 mit Beginn der Schutzdauer 14.3.1994 unter der Nr.151.611 für die Warenklassen 24 (Webstoffe, Wirkstoffe und Textilwaren, soweit nicht in anderen Klassen enthalten) und 25 (Bekleidungsstücke) registrierten österreichischen Wort-Bild-Marke "BAD + MAD HARDWEAR". Dieselbe Marke ist für sie seit 11.2.1994 in der Bundesrepublik Deutschland unter der Nr.2056655 registriert. Die Marke ist für die Klägerin überdies seit 25.5.1994 als internationale Marke (ua) auch für Österreich als in Anspruch genommenes Schutzland registriert.

Die spätere Gemeinschuldnerin und nach Konkurseröffnung der Beklagte vertreiben in Österreich Textilwaren mit der Warenbezeichnung "BAD + MAD" bzw "BAD + MAD HARDWEAR", welche sie von der B***** Ltd mit dem Sitz in A***** beziehen. Die B***** Ltd ist Inhaberin der österreichischen Wortmarke Nr.151.848 "BAD + MAD", welche mit der Priorität 29.10.1993 für die Warenklasse 25 (Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, insbesondere Freizeit- und Sportbekleidung, Blue Jeans) registriert worden ist.

Die Klägerin behauptet, daß die B***** Ltd ihr Markenrecht sittenwidrig erworben habe, weil sie das ihr aus der Zusammenarbeit mit der Klägerin bekanntgewordene Warenzeichen, welches deren Geschäftsführer im November 1992 entwickelt habe, seither zur Warenbezeichnung verwendet habe und es ohne Zustimmung der Klägerin für sich registrieren ließ. Die Klägerin beantragt zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung den Vertrieb von Textilwaren, insbesondere von T-Shirts und Sweater, welche mit dem Zeichen "BAD + MAD" oder "BAD + MAD HARDWEAR" versehen sind, zu verbieten.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Die B***** Ltd habe das prioritätsältere Markenrecht; dieses habe sie auch nicht sittenwidrig erschlichen, weil sie bereits seit dem Jahre 1989 in Griechenland und in anderen Ländern Sport- und Freizeitkleidung unter der Warenbezeichnung "BAD + MAD" vertrieben habe. Das Zeichen sei demnach ausschließlich eine "geistige Schöpfung" der B***** Ltd.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Aufgrund der vom Beklagten vorgelegten 15 Rechnungskopien der B***** Ltd aus dem Jahre 1989 (Beilage 10) sei bescheinigt, daß dieses Unternehmen (schon) seit dem Jahre 1989 in Griechenland und in anderen Ländern Sport- und Freizeitbekleidung unter der "Marke" "BAD + MAD" erzeugt und vertreibt. Das - prioritätsältere - österreichische Markenrecht der B***** Ltd sei daher nicht erschlichen, so daß der Beklagte weder gegen § 9 UWG noch gegen § 1 UWG verstoßen habe.

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes und ergänzte sie dahin, daß den Beklagten auf Grund des bescheinigten Sachverhaltes auch kein subjektiver Vorwurf im Sinne des § 1 UWG treffe, daß er Waren mit einer unzulässig nachgeahmten Warenbezeichnung vertrieben habe.

Die Klägerin erhob gegen diese Entscheidung keinen außerordentlichen Revisionsrekurs, sondern stellte bereits am Tag der Zustellung der Rekursentscheidung den Antrag auf Wiederaufnahme des Sicherungsverfahrens aus den Gründen des § 530 Abs 1 Z 1 und Z 7 ZPO. Sie sei durch das Vorbringen in der Äußerung des Beklagten über den angeblichen Vorgebrauch des Warenzeichens durch die B***** Ltd seit dem Jahre 1989 überrascht worden und habe hiezu im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht mehr Stellung nehmen und auch keine Gegenbescheinigungsmittel vorlegen können. Die vom Beklagten unter Beilage 10 vorgelegten 15 Rechnungskopien seien zumindest in zwei Fällen "Fälschungen bzw Täuschungsurkunden", was sich daraus ergebe, daß die von den jeweiligen Kunden der B***** Ltd beigeschafften Originalrechnungen in bezug auf das Ausstellungsdatum und die Anzahl der gelieferten Ware zwar identisch seien, aber nicht die Warenbezeichnungen "BAD + MAD" enthielten.

Das Erstgericht wies den Wiederaufnahmeantrag der Klägerin mit der Begründung ab, daß eine Wiederaufnahme des Provisorialverfahrens ausgeschlossen sei, weil § 78 EO die Anwendung der §§ 529 ff ZPO ausschließe; es liege auch kein die Sache erledigender Beschluß vor.

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und ergänzte sie dahin, daß in der Literatur vereinzelt einer analogen Anwendung der Rechtseinrichtung der Wiederaufnahme im Provisorialverfahren das Wort geredet werde und der Oberste Gerichtshof dem in seiner Entscheidung NRSp 1994/46 = EvBl 1994/60 = JBl 1994, 478 = RdW 1994, 15 auch für einstweilige Verfügungen gemäß § 382 Z 8 lit a EO gefolgt sei; im vorliegenden Fall sei aber kein besonderes Schutzbedürfnis der Klägerin gegeben. In der Zwischenzeit habe der Oberste Gerichtshof in bezug auf eine einstweilige Verfügung gemäß § 382 Z 8 lit a EO wiederum gegenteilig entschieden (6 Ob 626/93). Das Rekursgericht schließe sich dieser jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes an, derzufolge eine analoge Anwendung der §§ 530 ff ZPO auf das Provisorialverfahren schon deshalb nicht in Betracht komme, weil dies nicht systemgerecht wäre, zumal über das zu sichernde Unterlassungsbegehren ohnedies im Hauptverfahren noch zu erkennen sein werde und zu dessen Sicherung für die Zukunft eine neu zu beantragende einstweilige Verfügung offenstehe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Klägerin ist nicht berechtigt.

In Lehre und Rechtsprechung ist unbestritten, daß § 78 EO (und in weiterer Folge damit auch § 402 Abs 4 EO) nicht auf die Rechtseinrichtung der Wiederaufnahme des Verfahrens verweist. Eine unmittelbare Anwendung der §§ 530 ff ZPO auf das Sicherungsverfahren ist daher jedenfalls ausgeschlossen, so daß überhaupt nur deren analoge Anwendung in Betracht zu ziehen wäre. Die herrschende Lehre lehnt dies allerdings ab (Heller/Berger/Stix 2891 f; Fasching IV 481; König, Einstweilige Verfügungen im Zivilverfahren Rz 332); auch der Oberste Gerichtshof hat eine analoge Anwendung des außerordentlichen Rechtsbehelfs der Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage auf die im Exekutionsverfahren ergangenen Beschlüsse schon in der E GH 1933, 182 abgelehnt. Demgegenüber tritt Fasching (in Zivilprozeßrecht2 Rz 2042) für die analoge Anwendung der §§ 529, 530 ZPO ausnahmsweise dort ein, wo ein besonderes Schutzbedürfnis besteht, einen sacherledigenden Beschluß des Vollstreckungs- oder Sicherungsverfahrens zu beseitigen. Er verweist dabei auf Rechberger (Die fehlerhafte Exekution, 177 f und 188), welcher dort allerdings nur die Möglichkeit eines Nichtigkeitsantrages innerhalb des Exekutionsverfahrens erwägt; dem folgen auch Rechberger/Simotta, Zivilprozeßrecht4 Rz 883. Konecny (in BankArch 1988, 1191 f) tritt zumindest für eine analoge Anwendung des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO im Provisorialverfahren ein (vgl zum Meinungsstand: Kodek in Rechberger, ZPO Rz 7 vor § 529). Dem ist der Oberste Gerichtshof in einer Entscheidung, die eine (gegen den dortigen Kläger erlassene) einstweilige Verfügung gemäß § 382 Z 8 lit a EO betraf, gefolgt (NRsp 1994/46 = EvBl 1994/60 = JBl 1994, 478 = RdW 1994, 15); er hat dies aber kurz darauf für eine solche Regelungsverfügung mangels eines besonderen Schutzbedürfnisses der gefährdeten Partei abgelehnt (6 Ob 626/93).

Ob im Fall einer einstweiligen Verfügung gemäß § 382 Z 8 lit a EO eine analoge Anwendung der §§ 530 ff ZPO geboten ist, muß hier nicht entschieden werden, handelt es sich doch dabei gar nicht um eine einstweilige Verfügung im technischen Sinn (EvBl 1994/60 mwN), während es hier um eine echte einstweilige Verfügung geht, welche allerdings der Sondervorschrift des § 24 UWG unterliegt.

Auf Entscheidungen, die ein derartiges Provisorialverfahren in der Sache abschließen, käme eine analoge Anwendung der §§ 530 ff ZPO nur dann in Betracht, wenn die Verweisungsnormen der §§ 78, 402 Abs 4 EO in diesem Belang lückenhaft wären, insoweit also - gemessen am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung - eine planwidrige Unvollständigkeit vorläge (Koziol/Welser10 I 23 f und die dort angeführte Lehre und Rechtsprechung). Dies ist aber schon deshalb zu verneinen, weil bei Vorliegen eines dem Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO entsprechenden Sachverhalts die Aufhebung (Einschränkung) der erlassenen einstweiligen Verfügung beantragt werden kann, zumal die Aufhebungsgründe weder in § 399 EO noch sonst wo taxativ aufgezählt sind (König aaO; SZ 60/60); im Fall der Abweisung des Sicherungsantrages - wie hier - steht aber der gefährdeten Partei grundsätzlich die Möglichkeit offen, eine neue einstweilige Verfügung zu beantragen (König aaO). Das wäre nur dort ausgeschlossen, wo einer solchen Antragstellung die Rechtskraft des den Sicherungsantrag abweisenden Beschlusses entgegenstünde (König aaO Rz 297; Konecny aaO; Kininger, AnwBl 1989, 391 f). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, geht es doch darum, daß die Klägerin zum Sachgegenvorbringen des Beklagten, welchem die Vorinstanzen bei ihren Bescheinigungsannahmen gefolgt sind, gar nicht mehr Stellung nehmen und diesbezüglich auch keine Gegenbescheinigungsmittel vorlegen konnte. Ihr steht daher jedenfalls ein neuer Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung offen, weshalb kein besonderes Schutzbedürfnis nach einer analogen Anwendung der §§ 530 ff ZPO besteht. Die Vorinstanzen haben demnach zutreffend erkannt, daß der Wiederaufnahmeantrag der Klägerin unzulässig ist, was aber spruchmäßig zu dessen Zurückweisung führen muß.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen waren schon aus diesen Gründen mit der entsprechenden Maßgabe zu bestätigen.

Der Ausspruch über die Kosten beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO, §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.

Stichworte