OGH 6Ob626/93

OGH6Ob626/9325.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Waltraud J*****, vertreten durch Dr.Ingobert Schuler, Rechtsanwalt in Bregenz, wider den Gegner der gefährdeten Partei Arnold J*****, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens über den von der gefährdeten Partei in dem zu 1 C 570/92 des Bezirksgerichtes Bregenz anhängigen Rechtsstreit über den vom Gegner der gefährdeten Partei dieser gesetzlich zu leistenden Unterhalt im Sinn des § 382 Abs 1 Z 8 Buchstabe a EO gestellten Sicherungsantrag, infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den zum Zurückweisungsbeschluß des Bezirksgerichtes Bregenz vom 25.August 1993, GZ 1 C 119/93-2, ergangenen rekursgerichtlichen Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 20.September 1993, AZ 1 a R 452/93(ON 5), den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Demr Revisionsrekurs wird nicht stattgegeben.

Die Wiederaufnahmswerberin hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die nunmehrige Wiederaufnahmswerberin verfolgt nach ihren Behauptungen klageweise gegen ihren Mann einen auf § 94 ABGB gegründeten Unterhaltsanspruch, zu dessen Sicherung sie einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Sinne des § 382 Abs 1 Z 8 Buchstabe a EO gestellt hatte, der in erster Instanz abgewiesen worden und dem in zweiter Instanz nur teilweise stattgegeben worden sei.

Im Zuge des Rechtsstreites habe ein gerichtlich bestellter Sachverständiger sein Gutachten über die Einkünfte des Mannes aus dessen Gewerbebetrieb erstattet, das die Unrichtigkeit der vom Mann über seine Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit aufgestellten Behauptungen, vorgelegten Jahresabschlüsse und abgelegten Aussage belege.

Dieses im Zuge des Unterhaltsstreites erstattete Sachverständigengutachten stelle einerseits ein neues Beweismittel dar, das, hätte es die gefährdete Partei bereits im Sicherungsverfahren benützen können, eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde; andererseits belege das Gutachten, daß sich der Gegner der gefährdeten Partei bei seiner Vernehmung im Sicherungsverfahren einer falschen Aussage schuldig gemacht habe.

Eine Ausfertigung des Sachverständigengutachtens sei der nunmehrigen Wiederaufnahmswerberin am 23.August 1993 zu Handen ihres Prozeßbevollmächtigten zugestellt worden.

Zwei Tage später beantragte die gefährdete Partei die Wiederaufnahme des Sicherungsverfahrens aus den Gründen des § 530 Abs 1 Z 7 und Z 2 ZPO. Dieses Begehren auf Wiederaufnahme des Sicherungsverfahrens stellte die gefährdete Partei in Klagsform. Mit ihrer Wiederaufnahmsklage verband sie einen neuen Sicherungsantrag im Sinne des § 382 Abs 1 Z 8 Buchstabe a EO.

Das Gericht erster Instanz wies das Wiederaufnahmebegehren und den mit ihm verbundenen neuerlichen Sicherungsantrag vor Zustellung der Antragsgleichschrift an den Antragsgegner in (analoger) Anwendung des § 538 ZPO zurück. Das Gericht erster Instanz vertrat dazu die Rechtsansicht, daß nach dem klaren und eindeutigen Inhalt der Verweisungsvorschrift des § 78 EO im Exekutionsverfahren und infolge dessen (gemäß § 402 Abs 4 EO) auch im Sicherungsverfahren das Institut der Wiederaufnahme nicht stattfände.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es teilte die erstrichterliche Rechtsansicht und ergänzte, daß zwar in der Literatur mehrfach einer analogen Anwendung der Rechtseinrichtung der Wiederaufnahme auch in anderen gerichtlichen Verfahren als Rechtsstreitigkeiten über klageweise erhobene Ansprüche das Wort geredet werde, daß aber im vorliegenden Fall dafür keinesfalls ein besonderes Schutzbedürfnis der Unterhaltsklägerin zu erkennen wäre.

Die Wiederaufnahmswerberin ficht die bestätigende Rekursentscheidung mit einem auf ersatzlose Aufhebung der Zurückweisung ihrer Begehren zielenden Abänderungsantrag an.

Das Rechtsmittel ist nicht berechtigt.

Das Begehren ist auf Wiederaufnahme eines Sicherungsverfahrens gerichtet. Wie das Rekursgericht zutreffend dargelegt hat, erfaßt die Verweisungsnorm des § 78 EO (und in weiterer Folge damit auch jene des § 402 Abs 4 EO) nicht auch die Rechtseinrichtung der Wiederaufnahme des Verfahrens.

Wäre diese Rechtseinrichtung analog auch im Sicherungsverfahren anwendbar, wie das die Wiederaufnahmswerberin unterstellt, erschiene es systemwidrig, für das Wiederaufnahmeverfahren den Rechtsstreit im Sinne der Zivilprozeßordnung vorzusehen, weil aus der Regelung des § 533 ZPO die Ordnungstendenz eindeutig hervorleuchtet, das verselbständigte Verfahren über die Frage der Zulässigkeit einer Wiederaufnahme grundsätzlich strukturell den für das wiederaufzunehmende Verfahren geltenden Verfahrensnormen anzupassen. Im Falle einer kraft Analogie auch im Sicherungsverfahren anzuerkennenden Wiederaufnahme des Verfahrens wäre diese nicht mittels Klage im Sinne der Zivilprozeßordnung, sondern mittels Antrages zu begehren und über ein solches Begehren wäre nicht mit Urteil, sondern mit Beschluß zu erkennen.

Die rekursgerichtliche Bestätigung eines das Wiederaufnahmebegehren abweisenden Beschlusses ist in analoger Anwendung des § 528 Abs 2 Z 2 zweiter Halbsatz ZPO nicht wegen Konformität der erst- und der zweitinstanzlichen Entscheidung jedenfalls unanfechtbar (NRsp 1991/227 ua).

Die in der angefochtenen Entscheidung vertretene Ansicht über die Unanwendbarkeit der Rechtseinrichtung Wiederaufnahme in Ansehung von Exekutions- oder Sicherungsverfahren hat der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 16.September 1993, 8 Ob 585/93, in dieser absoluten Form nicht geteilt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekursvoraussetzungen nach § 528 Abs 1 ZPO sind daher erfüllt, ohne daß ein absoluter Unzulässigkeitsgrund nach § 528 Abs 2 ZPO vorläge.

Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

Da die Exekutionsordnung keine eigenen Regelungen über eine Wiederaufnahme des Verfahrens enthält und die Verweisungsnorm des § 78 EO nicht auch den Fünften Teil der Zivilprozeßordnung über die Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage erfaßt, könnte die Verfahrenseinrichtung der Wiederaufnahme des Verfahrens nur im Wege der Analogie zur Schließung einer als offensichtlich systemwidrig erkannten Lücke auch für das Exekutions- und Sicherungsverfahren nach der Exekutionsordnung Geltung beanspruchen.

Ohne die eingehender zu prüfende Frage nach den Voraussetzungen und den sich aus den Aufgaben eines Sicherungsverfahrens etwa ergebenden Hindernissen oder Grenzen für eine analoge Anwendung der Bestimmungen der Zivilprozeßordnung über die Wiederaufnahme des Verfahrens zu untersuchen, ist festzuhalten, daß sämtliche gegen die als herrschend anzusehende Auffassung ausnahmsloser Unzulässigkeit einer Wiederaufnahme bisher vorgetragenen Lehrmeinungen nur äußerst zurückhaltend und eingeschränkt der Möglichkeit einer Wiederaufnahme eines nach der Exekutionsordnung abgeschlossenen Verfahrens das Wort reden. (Rechberger, Die fehlerhafte Exekution 177 und 178, behandelt nur Nichtigkeiten und hält die Möglichkeit für "diskutabel", in analoger Anwendung der Bestimmungen des § 529 ZPO einen Nichtigkeitsantrag ins Auge zu fassen; Konecny, ÖBA 1988, 1184 ff, 1192 im Text zu Anm 44, setzt bei der monographischen Untersuchung eines Sonderproblems die Zulässigkeit der Wiederaufnahme eines Sicherungsverfahrens voraus und Fasching, ZPR2 Rz 2042 vertritt die nicht näher abgeleitete eher rechtspolitische Ansicht, daß mangels Geltendmachungsmöglichkeit mit anderen Verfahrenseinrichtungen - also nur subsidiär - ausnahmsweise in Fällen eines besonderen Schutzbedürfnisses eine analoge Anwendung der §§ 529, 530 ZPO in Betracht kommen könnte.)

Ein besonderes Schutzbedürfnis der gefährdeten Partei, deren Antrag auf Bestimmung eines einstweilen zu leistenden Unterhaltes iS des § 382 Abs 1 Z 8 Buchst a EO zur Sicherung des klageweise verfolgten Unterhaltsanspruches ganz oder teilweise abgewiesen worden war, auf Wiederaufnahme des Sicherungsverfahrens aus Gründen des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO, aber auch aus jenem des § 530 Abs 1 Z 2 ZPO, wäre keinesfalls anzuerkennen, weil über den zu sichernden Unterhalt ohnedies im anhängigen Rechtsstreit erkannt wird, die Sicherung für die Zukunft durch eine neue (erweiterte) einstweilige Verfügung erreicht werden könnte und weil es, was die inzwischen vergangene Zeit zwischen dem Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung und dem Zeitpunkt anlangt, in dem nunmehr eine neue (ergänzende) Sicherung mit Erfolgsaussichten beantragt werden könnte, nicht systemgerecht erschiene, eine nur für eine vorübergehende Zeitspanne bewußt auf nicht absolut verläßlichen Tatsachengrundlagen zur Bewahrung eines als sicherungswürdig befundenen Zustandes - wozu der Gesetzgeber eben schon nach § 117 ABGB in der Urfassung in gewissem Umfang auch die materielle Existenzgrundlage von Familienmitgliedern im Ehestreitfall gezählt hat - erlassene gerichtliche Anordnung mit rückwirkender Kraft wieder aufzuheben, nur weil inzwischen eine Tatsachengrundlage mit besserer Richtigkeitsgewähr feststellbar wäre.

Dem Revisionsrekurs war schon aus diesen Erwägungen ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO, § 78, § 402 Abs 4 EO.

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