OGH 12Os77/95

OGH12Os77/951.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.Juni 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Eckert als Schriftführer in dem bei dem Landesgericht Linz zum AZ 17 Vr 597/95 anhängigen Verfahren zur Unterbringung des Johann Dieter H***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB (§§ 107 Abs 1, Abs 2, 15, 269 Abs 2 StGB) über die Grundrechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 11.April 1995, AZ 7 Bs 118/95, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Durch den angefochtenen Beschluß wurde Johann Dieter H***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Linz beantragte am 2.Mai 1995 die Unterbringung des Johann Dieter H***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB, weil er unter dem Einfluß eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden, auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruhenden Zustandes (§ 11 StGB) am 2.Februar 1995 die Richterin Dr.Brigitte L***** durch die gegenüber der Gerichtsbediensteten Renate S***** gemachte Äußerung, den Frühling werde sie sowieso nicht mehr erleben, mit dem Tode gefährlich bedroht habe, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen und sie darüber hinaus am 6.Februar 1995 durch die mit drohenden Gebärden verbundene Äußerung: "Ich bleibe jetzt da, beenden Sie sofort mein Verfahren, sonst kracht es" durch gefährliche Drohung zur Beendigung des gegen ihn anhängigen Sachwalterverfahrens zu nötigen versucht habe (ON 34).

Der am 16.März 1995 festgenommene Betroffene wird seit 17.März 1995 aus dem Haftgrund der Tatbegehungs- und Ausführungsgefahr (§ 180 Abs 2 Z 3 lit b und d StPO) gemäß § 429 Abs 4 StPO in der OÖ Landesnervenklinik Wagner-Jauregg vorläufig angehalten (ON 6).

Seiner gegen die am 30.März 1995 verfügte Fortsetzung dieser Sicherungsmaßnahme (ON 18) erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Linz mit Beschluß vom 11.April 1995, AZ 7 Bs 118/95, unter Fristverlängerung bis längstens 12.Juni 1995 nicht Folge (ON 29).

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen ausgeführten Grundrechtsbeschwerde zuwider hat der Gerichtshof zweiter Instanz weder bei Berechnung der Haftfristen, noch bei Beurteilung des dringenden Tatverdachtes das Gesetz unrichtig angewendet.

Die Rechtsansicht des Oberlandesgerichtes, wonach die gesetzlich bestimmte Dauer der Haftfristen (§ 181 Abs 2 StPO) von einer allenfalls fehlerhaften Bezeichnung im Haftbeschluß nicht berührt wird, steht mit dem Gesetz und der Rechtsprechung (14 Os 57/94) im Einklang. Der Einwand, die erstmalige Fortsetzung der vorläufigen Anhaltung am 30.März 1995, dem 14.Tag nach der Festnahme, sei verspätet erfolgt, geht somit ebenso ins Leere wie die Behauptung, der angefochtene Beschluß bestimmte rechtswidrig eine Frist von zwei Monaten.

Das Ergebnis der Voruntersuchung, im besonderen die - wenn auch zunächst nur in Form eines Aktenvermerkes (5) festgehaltenen - Angaben der Zeugen Dr.Brigitte L***** und Renate S***** (ON 22 und 23), die Tatsache, daß der Betroffene am 14.März 1995 mit einem Messer im Gerichtsgebäude betreten wurde und Wände und Türen seiner Wohnung Einschußlöcher einer Luftdruckwaffe und Stichspuren aufweisen

(73) in Verbindung mit den beiden psychiatrischen Sachverständigengutachten (ON 12 und 15), welche von einer sich steigernden Aggressivität des Beschwerdeführers als Folge einer seit Jahren bestehenden schweren Geisteskrankheit ausgehen, die konkret brachiale Attacken vornehmlich gegen die geschiedene Ehegattin und Gerichtsbedienstete befürchten läßt, ist in Übereinstimmung mit der Beurteilung durch das Oberlandesgericht durchaus als tragfähige Grundlage für die Annahme des dringenden Tatverdachtes anzusehen. Dies gilt entgegen den Beschwerdeausführungen sowohl bezüglich der Anlaßtaten, als auch der Begehung weiterer strafbedrohter Handlungen mit schweren Folgen (§ 21 Abs 1 StGB).

Daß der Sachverständige Univ.Prof.Dr.Werner L***** im Rahmen eines im Herbst 1994 erstatteten Vorgutachtens (noch) weniger gefährliche Prognosetaten als wahrscheinlich angesehen hat, vermag daran nichts zu ändern, weil sich diese Beurteilung nach Meinung beider Psychiater mittlerweile auf Grund einer Verschlechterung des Krankheitsbildes - ungeachtet bisher unterbliebener Körperverletzungen - "retrospektiv als zu optimistisch erwiesen hat" (49, 101 f, 110).

Ergänzend ist darauf zu verweisen, daß es für die Beurteilung des dringenden Tatverdachtes ohne Bedeutung ist, zu welchem Zeitpunkt der Beschwerdeführer von den Aussagen der Zeugen Kenntnis erlangte. Der aus dem Umstand der (gerichtlichen) Vernehmung dieser Zeugen nach Einbringung der an das Oberlandesgericht gerichteten Beschwerde abgeleitete - an sich unschlüssige - Einwand einer "Verletzung des Grundsatzes des Parteiengehörs, die den angefochtenen Beschluß schon auf Grund eines dadurch bewirkten Verstoßes gegen die EMRK rechtswidrig mache", kann somit auf sich beruhen.

Mangels einer Grundrechtsverletzung war die Beschwerde mithin abzuweisen.

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