Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird - unter Berücksichtigung des mangels Anfechtung unberührt bleibenden Teiles - im Sinne der Wiederherstellung des Punktes 1 der erstgerichtlichen Entscheidung abgeändert und im übrigen bestätigt.
Die Kosten des gesamten Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Text
Entscheidungsgründe:
Die bei der beklagten Sozialversicherungsanstalt im Außendienst tätigen Angestellten (Beitragsprüfer, Krankenkontrollore, Zahnärzte in den Bezirken und Boten) erhalten seit dem Jahre 1954 nach § 74 DO.A bzw nach § 66 DO.B eine Außendienstzulage. An Tagen einer Dienstverhinderung infolge Urlaubes oder Krankheit wurde die mit einem monatlichen Pauschalbetrag ausbezahlte Außendienstzulage anteilsmäßig gekürzt.
Diese Außendienstzulage wurde über Antrag des Betriebsrates zumeist mit einem Prozentsatz der kollektivvertraglichen Gehaltserhöhung jährlich angehoben. In den Jahren 1987 und 1990 wurde der diesbezügliche Antrag des Betriebsrates abgelehnt und es erfolgte in diesen Jahren keine Anhebung der Außendienstzulage. Betreffend die Jahre 1992 und 1993 wurde die Frage der vom Betriebsrat beantragten Anhebung der Außendienstzulage noch nicht entschieden.
Der klagende Angestelltenbetriebsrat der Beklagten begehrt gemäß § 54 Abs 1 ASGG mit der Behauptung, es handle sich bei der Außendienstzulage um einen Entgeltbestandteil, die Feststellung, daß diese auch an Tagen einer Dienstverhinderung durch Urlaub und Krankheit auszubezahlen sei. Weiters begehrt er die Feststellung, daß den Beziehern der Außendienstzulage auf Grund der langjährigen Übung ein Anspruch auf jährliche Anhebung im Außmaß des Prozentsatzes der kollektivvertraglichen Gehaltserhöhung der Verwaltungsangestellten zustehe.
Die beklagte Sozialversicherungsanstalt wendete ein, bei der Außendienstzulage handle es sich um einen reinen Aufwandersatz, der an Tagen einer Dienstverhinderung wegen Urlaubes oder Krankheit nicht zustehe. Der klagende Betriebsrat habe jährlich um die Erhöhung der Außendienstzulage angesucht, welchem Ansuchen nicht immer entsprochen worden sei; ein Rechtsanspruch auf die jährliche Erhöhung der Außendienstzulage nach dem Prozentsatz der kollektivvertraglichen Gehaltserhöhungen sei nicht entstanden.
Das Erstgericht hat mit dem angefochtenen Urteil festgestellt,
1.) daß die Außendienstzulage zu vier Fünftel Entgeltcharakter und zu einem Fünftel Aufwandersatzcharakter habe, sodaß sie im Rahmen des Entgeltcharakters auch an Tagen einer Dienstverhinderung durch Krankheit bzw Urlaub auszuzahlen sei, und
2.) daß den Beziehern der Außendienstzulage auf Grund der jährlichen Übung ein Anspruch auf deren jährliche Erhöhung im Ausmaß des Prozentsatzes der Kollektivvertragserhöhung für Verwaltungsangestellte zustehe.
Die Abweisung des Mehrbegehrens zu Punkt 1 betreffend das Fünftel der Außendienstzulage, welches nach Meinung des Erstgerichtes Aufwandersatzcharakter hat, unterließ es; mangels Anfechtung ist dieses Teilbegehren nicht mehr Verfahrensgegenstand des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.
Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung im Sinn der gänzlichen Abweisung beider Feststellungsbegehren ab.
Der klagende Betriebsrat strebt in seiner Revision die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung an; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Die beklagte Sozialversicherungsanstalt beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist teilweise, nämlich hinsichtlich des Punktes 1 im Sinn der Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung berechtigt; hinsichtlich des Punktes 2 ist die Entscheidung des Berufungsgerichtes zu bestätigen.
1.) Die rechtliche Qualifikation des Berufungsgerichtes der Außendienstzulage nach § 74 DO.A als reine Aufwandsentschädigung ist unzutreffend.
Wie der Oberste Gerichtshof in der erst kürzlich ergangenen Entscheidung vom 27.4.1995, 8 Ob A 253/94, die in anonymisierter Form zur näheren Information beigelegt und auf deren Ausführungen verwiesen wird, klargestellt hat, handelt es sich bei der Außendienstzulage nach § 74 DO.A jedenfalls seit der durch die Einführung des § 59 c DO.A geänderten Rechtslage, die auf die Außendienstzulage durchschlägt, um eine Zulage eigener Art, der vornehmlich Entgeltcharakter, nämlich Abgeltung für die mit dem Außendienst verbundene Unbequemlichkeit zukommt. Die Außendienstzulage nach § 74 DO.A wird weder unter den ständigen noch unter den nicht ständigen Bezügen des § 35 Abs 2 und 3 DO.A noch in den §§ 59 a und 60 DO.A unter den für die Berechnung des Entgelts im Urlaubs- und im Krankheitsfall einzubeziehenden Bezüge genannt. Es stand und steht den Vertragspartnern der DO.A zwar frei zu vereinbaren, nur bestimmte, und nicht sämtliche Zahlungen an Dienstnehmer als "Dienstbezüge" iSd des § 35 DO.A zu werten. Die Bestimmungen der §§ 59 a und 60 DO.A, denen Kollektivvertragscharakter zukommt, wonach die Außendienstzulage bei Berechnung des Entgelts im Urlaubs- und Krankheitsfall nicht zu berücksichtigen ist, sind jedoch - wie der Revisionswerber zutreffend ausführt - gesetzwidrig, weil sie den zwingenden Bestimmungen des § 8 AngG und des § 6 UrlG widersprechen:
Wie der OGH erst kürzlich mehrfach ausgeführt hat (DRdA 1994, 269 und DRdA 1994, 505 betreffend die Abschlußprovisionen von Versicherungsvertretern im Außendienst sowie DRdA 1995, 148 betreffend die Nachtdienstzulagen von Krankenschwestern) fallen Zulagen, die nicht die Funktion einer Aufwandsentschädigung haben, unabhängig davon, ob sie in einem Kollektivvertrag als Entgeltbestandteile bezeichnet werden - dies gilt auch für den Generalkollektivvertrag über den Begriff des Entgelts gemäß § 6 UrlG - unter den Entgeltbegriff des AngG und des UrlG. Die Bestimmungen über die Entgeltfortzahlung nach § 8 AngG im Krankheitsfall und die Zahlung des regelmäßigen Entgelts während des Urlaubs nach § 6 UrlG sind gemäß § 40 AngG bzw § 12 UrlG zwingendes Recht. Der Arbeitnehmer soll durch die Erkrankung und den Urlaub keine wirtschaftlichen Nachteile erleiden. Es ist daher nach dem Entgeltausfallsprinzip der Fortzahlung das regelmäßige Entgelt zugrunde zu legen, das dem Arbeitnehmer gebührt hätte, wenn keine Arbeitsverhinderung (Krankheit, Urlaub) eingetreten wäre (hinsichtlich der näheren Begründung wird auf die genannten E verwiesen).
Da die Angestellten der beklagten Partei die Außendienstzulage nach § 74 DO.A ungeschmälert erhalten, wenn sie nicht durch Krankheit oder Urlaub an der Arbeit verhindert sind, ist ihnen diese Zulage auch im Urlaubs- und Krankheitsfall ungekürzt zu bezahlen. Die §§ 59 a und 60 DO.A, die die Einrechnung der Außendienstzulage in diesen Fällen nicht vorsehen, sind insoweit gesetzwidrig. Das Klagebegehren, daß die Außendienstzulage nach § 74 DO.A auch an Tagen der Dienstverhinderung durch Urlaub oder Krankheit auszubezahlen ist, ist daher berechtigt.
2.) Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes hinsichtlich des Punktes 2, nämlich der behaupteten Erhöhung der Außendienstzulage nach § 74 DO.A durch Gewährung ohne Setzung eines Vorbehaltes auf Seiten des Dienstgebers zutreffend ist, genügt es insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes zu verweisen und nur korrigierend festzuhalten, daß nach den Behauptungen des Revisionswerbers die erhöhte Zulage über Ansuchen des Betriebsrates erstmals 1985 und sodann über jeweils neuerliches Ansuchen in den Jahren 1986, 1988, 1989 und 1991 gewährt, dagegen in den Jahren 1987 und 1990 eine Erhöhung abgelehnt wurde, ohne daß der Betriebsrat oder die Belegschaft dagegen remonstriert hätten, und daß seit dem Jahre 1992 die Frage der beantragten Anhebung noch offen ist.
Die Kosten des gesamten Verfahrens sind gemäß § 43 Abs 1, 50 ZPO gegenseitig aufzuheben, weil die klagende Partei etwa zur Hälfte (Punkt 1 des Klagebegehrens) obsiegt und zur Hälfte (Punkt 2 des Klagebegehrens) unterlegen ist.
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