OGH 8ObS23/95

OGH8ObS23/9524.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Adamovic sowie durch die fachkundigen Laienrichter Oskar Harter und Heinrich Dürr als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing.Harald V*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen für Wien, Niederösterreich und Burgenland (vormals Arbeitsamt Versicherungsdienste Wien), Wien 1, Babenbergerstraße 5, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen Insolvenzausfallgeld S 66.422,20 netto sA, infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.Februar 1995, GZ 32 Rs 155/94-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 23.August 1994, GZ 27 Cgs 100/94y-4, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision des Klägers wird nicht Folge gegeben. Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil der ersten Instanz wieder hergestellt wird.

Der Kläger hat die Kosten seiner Rechtsmittel selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat am 1.1.1979 ein Dienstverhältnis zur Firma T***** begründet und wurde am 1.4.1987 von der A***** Data Gesellschaft mbH mit vollen Rechten und Pflichten als Dienstnehmer übernommen. Am 1.7.1987 wurde das Dienstverhältnis ebenfalls mit vollen Rechten und Pflichten von der A***** Gesellschaft mbH übernommen. Anläßlich dieser Übernahmen wurden dem Kläger keine Abfertigungen ausbezahlt. Am 5.10.1991 erwarb die prot. Firma B***** Vertriebs- und Produktions AG sämtliche Geschäftsanteile von der A***** GesmbH. Der Kläger blieb bis 31.3.1992 in diesem Unternehmen als Angestellter beschäftigt. Am 1.4.1992 wurde sein Dienstverhältnis von der Firma B***** Vertriebs- und Produktions AG mit allen Rechten und Pflichten übernommen. Am 8.1.1992 erhielt der Kläger von der Firma B***** AG als Vorauszahlung auf die Abfertigung einen Scheck in der Höhe von S 450.000,--, den er am 9.1.1992 einlöste. Zu diesem Zeitpunkt war bereits geplant, daß sein Dienstverhältnis unter Anrechnung aller Vordienstzeiten von der Firma B***** AG übernommen werde. Die Zahlung vom 8.1.1992 war daher eine Vorauszahlung auf die letztlich von der Firma B***** AG an den Kläger zu leistende Abfertigung. Am 26.5.1992 wurde über das Vermögen des Arbeitgebers das Konkursverfahren eröffnet. Der Kläger erklärte am 12.6.1992 seinen vorzeitigen Austritt gemäß § 25 KO, nachdem er am 2.6.1992 gemäß § 25 KO gekündigt worden war.

Der Kläger hat während des (aufrechten) Arbeitsverhältnisses somit eine Abfertigungszahlung von S 450.000,-- erhalten, wurde aber aufgrund einer Anfechtungsklage des Masseverwalters mit Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 28.1.1994, 30 Cg 215/93g zur Zahlung dieses Betrages samt 4 % Zinsen und der Kosten von S 41.239,20 an die Masse verpflichtet. Er begehrt nun der Höhe nach außer Streit stehendes Insolvenzausfallgeld für seine Kosten des verlorenen Anfechtungsprozesses sowie die um einen Monatsbetrag erhöhte Kündigungsentschädigung, die sich unter Berücksichtigung der infolge Vordienstzeiten verlängerten Kündigungsfrist ergäbe.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze mit der Begründung ab, dem Kläger gebühre keine erhöhte Kündigungsentschädigung, weil die vertragliche Verlängerung der Kündigungsfrist infolge der Vordienstzeitenanrechnung die vom Masseverwalter einzuhaltende gesetzliche Kündigungsfrist nicht verlängere und Kosten nur dann gesicherte Ansprüche seien, wenn sie der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gesicherter Ansprüche dienten, also nicht Kosten einer erfolglosen Rechtsverteidigung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge und sprach ihm einen Teilbetrag von S 25.183,-- zu. Hiezu führte es aus:

Im Falle der Unternehmensübertragung im Sinne des § 3 AVRAG sei der Weiterbestand des Arbeitsverhältnisses unter Eintritt des Erwerbers in die Rechte und Pflichten des (früheren) Arbeitgebers die gesetzliche Folge, während anderenfalls, bei Weigerung des Arbeitnehmers, ein Abfertigungsverlust gemäß § 23 Abs 3 AngG einträte. Die Kosten des Anfechtungsprozesses, in dem der Kläger unterlegen sei, seien zufolge des Erfolgsprinzipes nicht zu ersetzen. Durch § 7 Abs 7 IESG sei insoweit eine Änderung der Rechtslage nicht eingetreten. Die Revision sei zulässig, die zu entscheidende Rechtsfrage sei infolge der Novellierung des IESG von grundsätzlicher Bedeutung.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richten sich die Revisionen beider Streitteile jeweils aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und zwar die des Klägers mit dem Antrag, es abzuändern und dem Klagebegehren zur Gänze stattzugeben, die der beklagten Partei hingegen mit dem Antrag, es abzuändern und das (klagsabweisende) Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Beide Streitteile beantragen in ihren Revisionsbeantwortungen, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht, dagegen ist jene der beklagten Partei berechtigt.

1.) Zum Anspruch auf erhöhte Kündigungsentschädigung infolge der durch Unternehmungsübertragung bewirkten Vordienstzeitenanrechnung:

Zu Recht verweist die beklagte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung (ON 21) auf die fehlende Rückwirkung des AVRAG auf die vor seinem Inkraftreten am 1.7.1993 verwirklichten Sachverhalte (§ 14 AVRAG).

Der ex - lege - Übergang des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Abs 1

AVRAG (dazu Tomandl, Herausgeber, Der Betriebs (teil)übergang im

Arbeitsrecht, 1995) trat vor dem 1.7.1993 nur hinsichtlich besonders

geschützter Arbeitsverhältnisse (Zum Mutterschutzgesetz: SZ 53/171 =

ZAS 1982/19, 144 = Arb 9927; für Betriebsratsmitglieder: Arb 10.473)

ein, indem die Kündigungsmöglichkeit an die "Betriebsstillegung"

geknüpft war, die bei Unternehmensübertragung eines lebenden

Betriebes regelmäßig nicht erfolgt. Die Arbeitsvertragsübernahme

gemäß § 23 Abs 3 AngG (SZ 62/109; 24.10.1990, 9 Ob A 200/90 = Arb

10.900 = ecolex 1991, 193) erfolgte aufgrund einer

(stillschweigenden) Drei-Parteieneinigung. Die

"Vordienstzeitenanrechnung" ist somit in diesem Zusammenhang die

weitere Rechtsfolge einer vereinbarten Vertragsübernahme, die

aufgrund der "gemäßigten Rechtsfolgentheorie" (Koziol-Welser Grundriß

I10, 84) aus rechtsgeschäftlichem Handeln eintritt, nicht aber einer

gesetzlichen Rechtsfolge gleichgehalten werden darf.

2.) Zum Anspruch auf Ersatz der Kosten des im Anfechtungsprozeß unterlegenen Klägers:

Insoweit genügt es grundsätzlich, auf die zutreffende Begründung der berufungsgerichtlichen Entscheidung zu verweisen (§ 48 ASGG).

Nur Kosten des im Anfechtungsprozeß obsiegenden Arbeitnehmers können gesicherte Kosten sein (9 Ob S 19/90 = WBl 1991, 133 = ecolex 1991, 267); dies unter der Voraussetzung ihrer Akzessorietät (vgl SZ 62/152; WBl 1991, 134 = EvBl 1991/71, 317; 9 Ob S 24/93) und der weiteren Voraussetzung der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.

Daran hat auch § 7 Abs 7 IESG nichts geändert. § 1 Abs 1 a Abs 2 IESG betrifft über die Insolvenz hinausgehend den Fall der Abfertigungskürzung nach Billigkeit gemäß § 23 Abs 2 AngG und der insoweit zu ersetzenden Kosten des teilweise unterliegenden Arbeitnehmers, dessen ungeschmälerte Abfertigung nach Maßgabe des IESG gesichert wird. Aus diesem Sonderfall kann jedoch nicht auf eine weitergehende Durchbrechung des Erfolgsprinzipes (§§ 40 ff ZPO iVm § 1 Abs 2 Z 4 IESG) geschlossen werden.

Der vom Kläger behauptete Wertungswiderspruch, daß zwar für einen erfolglosen Abfertigungsprozeß, nicht aber für ein Unterliegen im Anfechtungsprozeß ein Kostenersatz gesichert sei, liegt nicht vor, wenn der Ausschluß gemäß § 1 Abs 3 Z 1 IESG berücksichtigt wird. Wenn für Ansprüche aus einer anfechtbaren Handlung kein Insolvenzausfallgeld gebührt, wäre es ein Wertungswiderspruch, die Kosten eines solchermaßen ausgeschlossenen Anspruches unter Preisgabe der Akzessorietät als gesichert anzunehmen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 77 Abs 2 Z 1 ASGG; besondere Billigkeitsgründe wurden vom Kläger weder bescheinigt noch können solche der Aktenlage entnommen werden. Besondere rechtliche Schwierigkeiten, die die Rechtsansicht des Klägers als immerhin vertretbar erscheinen ließen, liegen gleichfalls nicht vor.

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