OGH 9ObS24/93

OGH9ObS24/9313.10.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Dr.Walter Zeiler und Mag.Kurt Retzer als weitere Richter in der Sozialrechtssache des Klägers Günter S*****, Monteur,***** vertreten durch Dr.Bernhard Hainz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Arbeitsamt für Versicherungsdienste Wien, Wien 4, Schwindgasse 5, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen S 3.117,14 (Insolvenz-Ausfallgeld), infolge Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28.Juni 1993, GZ 34 Rs 37/93-10, womit infolge Berufung des Klägers das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 19.November 1992, GZ 2 Cgs 513/92-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger erwirkte am 4.8.1989 gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber ein Versäumungsurteil, in dem ihm Entgeltansprüche wegen unbegründeter Entlassung in der Höhe von S 5.478 brutto und S 5.006,96 an Prozeßkosten zugesprochen wurden. Weiters wurde der Arbeitgeber verurteilt, dem Kläger ein Dienstzeugnis auszustellen. In der Folge führte der Kläger gegen den Dienstgeber zur Hereinbringung der zugesprochenen Beträge Gehalts- und Fahrnisexekution, die erfolglos blieb, sowie Exekution auf Ausstellung eines Dienstzeugnisses. Der Antrag des Klägers auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Dienstgebers wurde mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens rechtskräftig abgewiesen. Dem Kläger wurde Insolvenz-Ausfallgeld in der Höhe von S 13.168 zuerkannt; hievon entfallen S 3.117,14 auf die Mehrkosten, die dem Kläger durch die Geltendmachung des Anspruches auf Ausstellung eines Dienstzeugnisses entstanden sind. Die darüber hinausgehenden Ansprüche des Klägers auf Insolvenz-Ausfallgeld wurden abgewiesen.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von S 3.117,14 sA. Diese Kosten seien gemäß § 1 Abs 2 Z 4 lit a und c IESG gesichert.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die auf die Geltendmachung des Anspruches auf Ausstellung eines Dienstzeugnisses entfallenden Kosten seien kein nach dem IESG gesicherter Anspruch, so daß eine Bindung an die rechtskräftige Kostenentscheidung nicht bestehe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Anspruch auf Ausstellung eines Dienstzeugnisses sei kein gesicherter Anspruch im Sinn des § 1 Abs 2 Z 1 bis 3 IESG, so daß die auf das Dienstzeugnis entfallenden Kosten gemäß § 1 Abs 2 Z 4 lit a IESG nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig seien.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Der Anspruch auf Ausstellung eines Dienstzeugnisses sei kein vermögensrechtlicher Anspruch, sondern betreffe eine persönliche Leistung. Er werde durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht berührt. Eine Klage auf Ausstellung eines Dienstzeugnisses könne auch nach Konkurseröffnung gegen den Gemeinschuldner erhoben werden. Der Anspruch sei daher nicht unter die sonstigen Ansprüche nach § 1 Abs 2 Z 3 IESG einzureihen. Die für die Geltendmachung der Ausstellung des Dienstzeugnisses aufgelaufenen Kosten seien auch keine Schadenersatzansprüche, weil der Anspruch auf Prozeßkostenersatz ein materieller Ersatzanspruch eigener Art sei, der sich aus dem Prozeßrecht ableite. Überdies habe sich der Kläger im Verfahren erster Instanz nicht auf den Rechtstitel des Schadenersatzes gestützt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß seinem Begehren zur Gänze stattgegeben werde.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Ziel der Insolvenzentgeltsicherung ist, Arbeitsentgelt, das zur Bestreitung des Lebensunterhaltes der Familie des Arbeitnehmers dringend benötigt wird, im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers gerichtlich zu sichern. Versichertes Risiko ist demnach im Kernbereich die von den Arbeitnehmern selbst typischerweise nicht abwendbare und absicherbare Gefahr des gänzlichen oder teilweisen Verlustes ihrer Entgeltansprüche, auf die sie regelmäßig zur Bestreitung des Lebensunterhaltes angewiesen sind (SZ 64/54 = WBl 1991, 328 = RdW 1991, 333 = ecolex 1991, 636; ecolex 1992, 354). Bei der Umschreibung der gesicherten Forderungen knüpfe der Gesetzgeber weitgehend an die Begriffsbestimmungen der Insolvenzgesetze an und erweiterte sie um einige Tatbestände (464 BlgNR 14.GP 7). Nach den Begriffsbestimmungen der Insolvenzgesetze sind ausschließlich persönliche Forderungen vermögensrechtlichen Inhalts anmeldungsfähig (Bartsch-Heil, Grundriß des Insolvenzrechts4 Rz 67, 204). Ansprüche, die das zur Konkursmasse gehörige Vermögen überhaupt nicht betreffen, insbesondere auf persönliche Leistungen des Gemeinschuldners, werden hingegen durch die Konkurseröffnung nicht berührt. Dazu gehört auch der Anspruch auf Ausstellung eines Dienstzeugnisses (Schwarz-Holler-Holzer, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz2, 403, 405; Martinek-M.und W.Schwarz, AngG7, 727;

Runggaldier/Eichinger, Arbeitszeugnis 141; Arb 6307; 8941), so daß typischerweise kein Bedarf nach einer gesetzlichen Sicherung besteht. Da die Insolvenzentgeltsicherung auf die Substituierung vermögensrechtlicher Ansprüche durch Leistungen des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds gerichtet ist und daher nur geldwerte Forderungen betrifft, ist der nicht vermögenswerte Anspruch auf Ausstellung eines Dienstzeugnisses nicht unter die im § 1 Abs 2 Z 3 IESG aufgezählten sonstigen Ansprüche gegen den Arbeitgeber einzureihen.

Im Verfahren nach dem IESG sind grundsätzlich nur akzessorische Kostenansprüche gesicherter Hauptansprüche (§ 1 Abs 2 Z 1 bis 3 IESG) gesichert. Prozeßkosten sind daher nur so weit gesichert, als sie zur Durchsetzung (Haupt-)Ansprüchen aufgewendet werden, die nach dem IESG als gesicherte Ansprüche anzuerkennen waren und auch tatsächlich als

berechtigt anerkannt wurden (SZ 62/152 = DRdA 1990, 230; ecolex 1990,

104; EvBl 1991/71 = WBl 1991, 133). Sind Kosten in gemeinsamer

Durchsetzung gesicherter und nicht gesicherter Ansprüche entstanden, so sind sie nur so weit gesichert, als sie der Durchsetzung gesicherter Ansprüche gedient haben (SZ 62/152 = DRdA 1990, 230; ecolex 1990, 104). Im Verfahren nach dem IESG kann daher eine rechtskräftige Kostenentscheidung daraufhin geprüft werden, welcher Teil der zuerkannten Kosten nach den Grundsätzen des § 1 Abs 2 Z 4 IESG als Anspruch nach dem IESG gesichert ist [ind 1992] H 6, 15; vgl auch 9 ObS 18/93). Kosten zur Durchsetzung des nicht gesicherten Anspruches auf Ausstellung eines Dienstzeugnisses gehören daher nicht zu den nach § 1 Abs 2 Z 4 IESG gesicherten Kosten.

Es ist zwar durchaus möglich, daß aus der Verletzung der Verpflichtung des Arbeitgebers, ein Zeugnis zu erteilen, ein Schadenersatzanspruch entspringt (Martinek-M. und W.Schwarz aaO 737), doch hat der Kläger einen solchen Anspruch nicht geltend gemacht. Nicht gesicherte Kosten können vom Fonds nicht aus dem Titel des Schadenersatzes begehrt werden.

Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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