Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Urteil einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der Nebenintervenientin die Kosten der Verfahren zweiter und dritter Instanz binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen, und zwar der Erstkläger S 15.532,90 (darin S 2.584,50 USt), der Zweitkläger S 3.114,-- (darin S 517,30 USt), der Drittkläger S 3.114,-- (darin S 517,30 USt), der Viertkläger S 16.050,30 (darin S 2.677,-- USt) und der Fünftkläger S 13.934,30 (darin S 2.327,50 USt).
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger waren bei der Nebenintervenientin als Arbeiter beschäftigt. Über deren Vermögen wurde mit Beschluß vom 25.5.1993 der Konkurs eröffnet. Am 21.6.1993 kündigte der Masseverwalter alle Dienstverhältnisse - ausgenommen jene der Betriebsratsmitglieder - gemäß § 25 KO. Am 24.6.1993 erklärten die fünf Kläger ihren vorzeitigen Austritt. Der Konkurs wurde am 12.10.1993 aufgehoben.
Anfang Dezember 1991 hatten die Organe der Nebenintervenientin in Anbetracht des Verkaufes der Nebenintervenientin an private Eigentümer mit dem Arbeiter- und Angestelltenbetriebsrat einen Sozialplan folgenden Inhaltes vereinbart:
"Betriebsvereinbarung.
Abgeschlossen zwischen der K***** Präzisionswerkzeuge Aktiengesellschaft und dem gemeinsamen Angestellten- und Arbeiterbetriebsrat der K***** AG F***** und W***** über die Gewährung einer einmaligen finanziellen Überbrückungshilfe.
Überbrückungshilfe in der Höhe von S 4.000,-- brutto pro vollendetem Dienstjahr erhält jeder Mitarbeiter, der durch den Arbeitgeber gekündigt wird.
Zusätzlich S 2.000,-- brutto pro vollendetem Dienstjahr erhalten jene gekündigten Mitarbeiter, die keine Invaliditätspension beantragt haben oder bis 30.6.1992 einen negativen Pensionsbescheid erhalten.
S 2.000,-- brutto pro vollendetem Dienstjahr erhalten jene Mitarbeiter, die eine Invaliditätspension erlangen, jedoch nicht von der Kündigung betroffen sind.
Jeder gekündigte Mitarbeiter, der Anspruch auf Familienbeihilfe hat, erhält eine einmalige Zuwendung von S 5.000,-- brutto pro Kind.
Die Dienstjahre zwischen den KV-Abfertigungsansprüchen werden aliquot berücksichtigt.
Diese Vereinbarung gilt für alle Dienstnehmer, die in der Zeit vom 16.12.1991 bis 30.6.1992 aufgrund der betriebsbedingten Kündigungen unter Einhaltung der kollektivvertraglichen und gesetzlichen Kündigungsfrist aus dem Unternehmen ausscheiden.
Diese Zuwendungen gelangen mit der Monatsabrechnung des nächsten Monats nach Beendigung des Dienstverhältnisses zur Auszahlung."
Grund für den Abschluß der Betriebsvereinbarung war eine bessere finanzielle Absicherung jener Mitarbeiter, die aufgrund von wirtschaftlich bedingten Personalreduzierungsmaßnahmen ausscheiden mußten. Die Befristung erfolgte aufgrund der Annahme, daß die Sanierungsmaßnahmen Mitte 1992 abgeschlossen sein würden. Zu diesem Zeitpunkt ergab sich jedoch die Notwendigkeit weiterer Personaleinsparungen, und zwar insbesondere im Verkaufsbüro in W*****. Auch in der Betriebsstätte F***** sollten weitere Mitarbeiter abgebaut werden. An eine Insolvenz des Unternehmens wurde im Sommer 1992 nicht gedacht. In Anbetracht der geplanten weiteren Personalreduzierungen in W***** und F***** wurde am 22.Juli 1992 eine Verlängerung des Sozialplanes mit folgendem Wortlaut beschlossen:
"Im Hinblick auf die bevorstehende Schließung des W***** Verkaufsbüros und weiter notwendiger Rationalisierungsmaßnahmen in F***** besteht zwischen Unternehmensleitung und Arbeiter- und Angestellten-Betriebsrat grundsätzliches Einverständnis, daß die mit 30. Juni 1992 befristete Auszahlung der Überbrückungshilfe bis auf weiteres gewährt wird."
Der weitere in der Absicht der wirtschaftlichen Sanierung des Unternehmens vorgenommene Personalabbau erstreckte sich über das ganze Jahr 1992, zu dessen Ende die letzten Kündigungen ausgesprochen und das Büro in W***** geschlossen wurde. Anders als beim Abschluß des ursprünglichen Sozialplanes bestand im Zeitpunkt der Verlängerung kein fixer Plan, wieviele Mitarbeiter von den Freisetzungen betroffen sein sollten. Diese Maßnahmen waren von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängig, an eine konkrete zeitliche Begrenzung der Verlängerung des Sozialplanes wurde nicht gedacht.
Nach Eröffnung des Konkurses teilte der Masseverwalter den Arbeitnehmern mit, daß er sich an den Sozialplan bzw dessen Verlängerung nicht gebunden fühle. Aufgrund der Mitteilung, daß die Forderungen der Dienstnehmer aus dem Sozialplan bestritten würden, erklärten die fünf Kläger nach Kündigung durch den Masseverwalter gemäß § 25 KO ihren vorzeitigen Austritt. Andere Dienstnehmer haben in der Folge nach Interventionen des Konkursrichters und des Bürgermeisters von Ferlach gegen Zahlung einer einmaligen Prämie von S 16.000,-- die Arbeit wieder aufgenommen.
Gestützt auf die Bestimmungen des Sozialplanes begehren die Kläger, die Beklagte zur Zahlung der sich nach der jeweiligen Dauer der Betriebszugehörigkeit ergebenden Zuwendungen als gesicherte Forderungen nach dem IESG schuldig zu erkennen.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte dessen Abweisung. Die Dienstverhältnisse seien nicht durch Kündigung, sondern durch berechtigten vorzeitigen Austritt beendet worden. Bei Abschluß und Verlängerung des Sozialplanes sei nicht daran gedacht gewesen, auch jene Personen in den Genuß der Leistungen kommen zu lassen, die aufgrund anderer, nicht mit dem Personalabbauprogramm zusammenhängender Umstände gekündigt werden, insbesondere sollten nicht jene Dienstnehmer vom Sozialplan erfaßt werden, die aus Gründen der Insolvenz aus dem Betrieb ausscheiden. Aus der Formulierung "bis auf weiteres" sei nicht zu entnehmen, daß der Sozialplan auf unbestimmte Zeit verlängert werde, sondern bedeute dies lediglich die Geltung bis zur Schließung des W***** Verkaufsbüros und Durchführung weiterer notwendiger Rationalisierungsmaßnahmen in F*****. Durch die Konkurseröffnung sei der Sozialplan jedenfalls "beendet".
Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen, die es rechtlich dahin beurteilte, daß der Sozialplan wie ein Vertrag auszulegen sei. Parteiabsicht sei gewesen, eine wirtschaftliche Gesundung des Unternehmens durch Personaleinsparungen zu erzielen. Die Betriebsvereinbarung habe nach dem übereinstimmenden Parteiwillen mit den letzten Kündigungen Ende 1992 ihre Wirksamkeit verloren. Die Kündigungen durch den Masseverwalter seien nicht als Sanierungsmaßnahmen anzusehen.
Das Gericht zweiter Instanz änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es den Klagebegehren stattgab. Es sprach aus, daß die Revision hinsichtlich der S 50.000,-- nicht übersteigenden Entscheidungsgegenstände zulässig sei und führte aus: Da die Betriebsvereinbarung zu einem Zeitpunkt abgeschlossen und verlängert worden sei, zu dem die Vertragspartner nicht an eine Insolvenz dachten, liege weder Nichtigkeit noch Anfechtbarkeit vor. Der Umstand, daß ein Teil der Dienstnehmer nach Kündigung im Konkurs die Arbeit wieder aufgenommen habe und das Insolvenzverfahren nach rund fünf Monaten wieder aufgehoben worden sei, spreche eindeutig dafür, daß die seinerzeit eingeleiteten Sanierungsmaßnahmen erst im Konkurs erfolgreich abgeschlossen werden konnten. Die vom Masseverwalter ausgesprochenen Kündigungen seien betriebsbedingt gewesen. Daß die Kläger die kollektivvertraglichen oder gesetzlichen Kündigungsfristen nicht einhielten, schade nicht, da sie den Austritt erst dann erklärten, als sie erfahren hatten, daß der Masseverwalter nicht bereit sei, die Ansprüche aus dem Sozialplan zu erfüllen. Damit sei der vorzeitige Austritt aber gerechtfertigt gewesen. In einem solchen Fall behalte der Arbeitnehmer unbeschadet weitergehender Schadenersatzansprüche seine vertragsmäßigen Ansprüche auf das Entgelt für den Zeitraum, der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch Ablauf der bestimmten Vertragszeit oder durch ordnungsgemäße Kündigung durch den Dienstgeber hätte verstreichen müssen. Die Auslegung der Betriebsvereinbarung habe nach den Grundsätzen der §§ 6 und 7 ABGB zu erfolgen. Es sei somit vom objektiven Wortlaut auszugehen; darauf, was die Normgeber seinerzeit wirklich wollten oder unverbindlich äußerten, komme es nicht an. Nach dem Vertragstext könne aber kein Zweifel daran bestehen, daß auch den Klägern ein Anspruch auf Überbrückungshilfe zustehe. Es handle sich somit bei ihren Forderungen um gesicherte aufrechte und nicht verjährte Ansprüche gemäß § 1 Abs.2 Z 1 IESG.
Rechtliche Beurteilung
Den gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhobenen Revisionen der Beklagten und der auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenientin kommt Berechtigung zu.
Die von der Nebenintervenientin in ihrer Revision geltend gemachte Nichtigkeit liegt nicht vor, da eine bloß mangelhafte Begründung den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs.1 Z 9 ZPO nicht verwirklicht (SZ 39/222 ua). Der behaupteten Mangelhaftigkeit kommt schon aus rechtlichen Überlegungen keine Relevanz zu.
Gegenstand der Betriebsvereinbarung können gemäß § 97 Abs.1 Z 4 ArbVG auch "Sozialpläne" sein, nämlich Maßnahmen zur Verhinderung, Beseitigung oder Milderung der Folgen einer Betriebsänderung im Sinne des § 109 Abs.1 Z 1 bis 6 ArbVG, soferne diese wesentliche Nachteile für alle oder erhebliche Teile der Arbeitnehmerschaft mit sich bringen. Zu den Betriebsänderungen im Sinne des § 109 Abs.1 ArbVG gehören - als besonders einschneidende Maßnahmen - unter anderem die Einschränkung oder Stillegung des ganzen Betriebes (Z 1) oder die erhebliche Verringerung der Arbeitnehmeranzahl des Betriebes (Z 1a). Unter den in § 109 Abs.1 ArbVG aufgezählten Typen von Betriebsänderungen scheint der Eintritt der Insolvenz nicht auf. Die Insolvenz für sich allein ist niemals eine Betriebsänderung, auch
wenn sie regelmäßig eine solche bewirken wird (9 ObS 6, 7/90 = EvBl
1991/4 = WBl 1990, 305 = ecolex 1990, 632; Krejci, Der Sozialplan,
133). Eine Betriebsänderung liegt allerdings dann nicht vor, wenn zwar alle Arbeitnehmer gekündigt werden, ihnen aber der Abschluß neuer Arbeitsverhältnisse angeboten wird (infas 1987 A 92).
So wie beim Kollektivvertrag gilt auch für eine Betriebsvereinbarung, daß für die Auslegung der Bestimmungen des normativen Teiles die Regeln, die für die Gesetzesauslegung gelten (§§ 6 und 7 ABGB) anzuwenden sind (WBl 1990, 110; 9 ObA 10, 11/95). Führt der Wortsinn der Bestimmung zu keinem eindeutigen Ergebnis und stehen Gesetzesmaterialien nicht zur Verfügung, so bleibt als Auslegungsmethode die objektiv-teleologische Interpretation. Sie bemüht sich um ein Verständnis, das am Zweck der Regelung selbst, an den von dieser angestrebten Lösungen orientiert ist. Es wird gefragt, welchen Sinn eine Regelung vernünftigerweise haben kann. Hiebei sind die dem Recht im allgemeinen innewohnenden Zwecke, wie Gerechtigkeit, sozialer Ausgleich und Rechtssicherheit zu berücksichtigen (DRdA 1993, 364).
Nach dem Inhalt der strittigen Betriebsvereinbarung, insbesondere deren Verlängerung, war der Sozialplan zur "Abfederung" der Folgen konkreter Sanierungsschritte gedacht. Die Verlängerung erfolgte nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut im Hinblick auf die bevorstehende Schließung des W***** Verkaufsbüros und weiterer notwendiger Rationalisierungsmaßnahmen in F*****. Nach den Feststellungen war die Sanierungsphase, welche zur Verlängerung des Sozialplanes geführt hatte, Ende des Jahres 1992 abgeschlossen. Daß der Masseverwalter mit seinen auf § 25 KO gestützten Kündigungen der gesamten Belegschaft dieses Sanierungsprogramm hätte weiterführen wollen, wurde von den Klägern in 1.Instanz nicht vorgebracht und läßt sich auch sonst aus dem Akt nicht entnehmen. Damit kann aber die Kündigung der Kläger dem aus der Betriebsvereinbarung hervorleuchtenden Sanierungszweck nicht mehr zugeordnet werden. Daran vermag auch die bloß kurze Dauer des Insolvenzverfahrens nichts zu ändern, da dieser Umstand verschiedene - konkretes Vorbringen der Kläger hiezu liegt nicht vor - nicht bloß in einer Personalreduktion liegende Gründe haben kann.
Es war daher in Stattgebung der Revisionen das erstgerichtliche Urteil wieder herzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO. Der dem Nebenintervenienten gebührende Kostenersatz wird durch § 77 ASGG nicht berührt, sofern der Nebenintervenient nicht ein Versicherungsträger ist (9 ObS 6, 7/90). Ein Anlaß zur Anwendung des § 77 Abs.1 Z 2 lit.b ASGG besteht nicht.
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