OGH 9Ob511/95

OGH9Ob511/9510.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier, Dr.Petrag, Dr.Bauer und Dr.Steinbauer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Harald L*****, geboren am 16.Februar 1978, Lehrling, in Obsorge der Mutter Anna L*****, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn, Mühlgasse 24, 2020 Hollabrunn, als Unterhaltskurator, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Korneuburg als Rekursgericht vom 2.Februar 1995, GZ 5 R 517/94-61, womit infolge seines Rekurses der Beschluß des Bezirksgerichtes Retz vom 26.Juli 1994, GZ P 39/79-50, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionskurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die dem mj. Harald L***** mit Beschluß vom 23.1.1992 gewährten Unterhaltsvorschüsse in der Höhe von S 3.020 pro Monat mit Wirkung vom 1.9.1994 auf monatlich S 1.000 herabgesetzt werden.

Text

Begründung

Infolge des Eigeneinkommens des Minderjährigen (Lehrlingsentschädigung) in der Höhe von S 6.900 monatlich netto setzte das Erstgericht die bewilligten Unterhaltsvorschüsse von S 3.020 pro Monat beginnend mit 1.9.1994 auf monatlich S 1.500 pro Monat herab.

Dem dagegen erhobenen Rekurs gab das Gericht der zweiten Instanz nicht Folge. Nach herrschender Judikatur seien im Titelvorschußverfahren vom Richtsatz für pensionsberechtigte Halbwaisen von S 4.976 die auf die Unterhaltspflicht des Geldunterhaltspflichtigen anzurechnenden Eigeneinkünfte von S 3.450 (die halbe Lehrlingsentschädigung) abzuziehen, woraus sich ein Unterhaltsvorschuß von S 1.500 ergebe.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht ungeachtet seiner Bezugnahme auf die Entscheidung des verst Senates EvBl 1993/12 = JBl 1993, 238 von den darin dargelegten Grundsätzen abgegangen ist.

Der Rekurs ist auch berechtigt.

Bei dem nach § 4 Z 2 und 3 UVG unterhaltsvorschußberechtigten Kind hat die Rechtsprechung das anrechenbare Eigeneinkommen vom Richtsatzvorschuß nach § 6 Abs 2 UVG abgezogen und die verbleibende Summe als rechtlichen Richtsatzvorschuß weiter gewährt (EFSlg 72.558 mwN).

Ist ein Titelvorschuß bewilligt, ist aber zu ermitteln, inwieweit bei den eigenen Einkünften des Kindes die im Exekutionstitel festgelegte Unterhaltspflicht noch besteht (EvBl 1993/12 = JBl 1993, 238; auch 7 Ob 506/93, 8 Ob 533/94 ua). Dann erst sind die Vorschüsse dem Ergebnis dieser Prüfung anzupassen. Einzustellen sind die Vorschüsse erst dann, wenn der Minderjährige infolge der geänderten Verhältnisse selbsterhaltungsfähig geworden ist. Bei einfachen Lebensverhältnissen, wie im vorliegenden Fall, dient zur Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit im allgemeinen der Richtsatz für die Gewährung einer Ausgleichszulage im Sinne des § 293 Abs 1 lit a sub lit bb und lit b ASVG als Richtlinie (EvBl 1993/12 = JBl 1993, 238 mwN).

Werden diese Grundsätze im vorliegenden Fall angewendet, dann ist der Minderjährige mit seinem monatlichen Nettoeinkommen von S 6.900 noch nicht selbsterhaltungsfähig. Der Unterhaltsanspruch gegen beide Elternteile besteht insgesamt noch mit rund S 1.850 als Differenz zwischen Eigeneinkommen und dem genannten Richtsatz. Damit, soweit er auf Geldzahlung durch den Vater gerichtet ist, liegt er im vom Revisionswerber ausdrücklich anerkannten Rundungsbereich von S 1.000.

In diesem Sinne war dem außerordentlichen Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes stattzugeben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte