OGH 8Ob533/94

OGH8Ob533/9431.8.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Langer, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Irene R*****, geboren am 17.November 1977, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 25.November 1993, GZ 43 R 739/93-77, womit infolge Rekurses der Minderjährigen der Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 28.September 1993, GZ 17 P 328/90-73, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die der Minderjährigen für die Zeit vom 1.Juni 1993 bis 31.Mai 1996 gewährten Unterhaltsvorschüsse von monatlich 2.800 S mit Wirkung vom 1.Oktober 1993 auf monatlich 1.750 S herabgesetzt werden.

Text

Begründung

Mit Beschluß vom 2.Jänner 1990, ON 50, verpflichtete das Erstgericht den Vater der Minderjährigen für die Zeit ab 3.April 1989 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 2.800 S, und legte hiebei ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen des mit keinen weiteren Sorgepflichten belasteten, als Nachtportier beschäftigten Vaters der Minderjährigen von 13.837,90 S zugrunde. Mit Beschluß vom 12.Mai 1990, ON 64, gewährte das Erstgericht entsprechend diesem Unterhaltstitel für den Zeitraum vom 1.Juni 1993 bis 31.Mai 1996 monatliche Unterhaltsvorschüsse von 2.800 S.

Mit Beschluß vom 28.September 1993, ON 73, setzte das Erstgericht den Unterhaltsvorschuß ab 1.Oktober 1993 auf monatlich 1.600 S herab, weil die Minderjährige ab 6.September 1993 eine Lehrlingsentschädigung von durchschnittlich 4.700 S netto monatlich (inklusive anteiliger Sonderzahlungen) bezieht.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Minderjährigen gegen den erstgerichtlichen Beschluß Folge, änderte diesen im Sinne seiner ersatzlosen Behebung ab und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es erklärte, gemäß § 7 Abs 1 UVG habe das Gericht die Vorschüsse ganz oder teilweise zu versagen, wenn begründete Bedenken bestünden, daß die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht noch bestehe oder, der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht entsprechend, zu hoch angesetzt sei. Für die Selbsterhaltungsfähigkeit sei die Mindestpension als Orientierungswert maßgebend; die Lehrlingsentschädigung sei nicht nur gegenüber dem Geldunterhalt leistenden sondern auch gegenüber dem betreuenden Elternteil anzurechnen. Orientiere man sich am Ausgleichszulagenrichtsatz von - inklusive anteiliger Sonderzahlungen - durchschnittlich 8.000 S monatlich, dann werde dieser Richtsatz selbst dann nicht erreicht, wenn die Entschädigung zur Gänze beim Geldunterhalt leistenden Elternteil berücksichtigt werde, weil Lehrlingsentschädigung und Unterhaltsbeitrag zusammen nur 7.500 S erreichten.

Gegen den rekursgerichtlichen Beschluß richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Bundes mit dem Antrag, ihn im Sinne einer Herabsetzung des monatlichen Unterhaltsvorschusses auf 1.750 S ab 1.Oktober 1993 abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht ungeachtet seiner Bezugnahme auf die Entscheidung EvBl 1993/12 = JBl 1993, 238 von den darin dargelegten Grundsätzen abgegangen ist.

Der Rekurs ist auch berechtigt.

Wie der Oberste Gerichtshof in der zitierten Entscheidung des verstärkten Senates dargelegt hat, ist bei eigenen Einkünften des Minderjährigen zunächst zu ermitteln, ob und bejahendenfalls in welcher Höhe die im Exekutionstitel festgelegte Unterhaltsverpflichtung fortbesteht; sodann sind die Vorschüsse dem Ergebnis dieser Prüfung anzupassen. Das vom Minderjährigen erzielte Einkommen ist auf die von den Eltern gemeinsam geschuldeten Unterhaltsleistungen anzurechnen. Dafür, in welchem Verhältnis die beiden Elternteile durch das Einkommen des Minderjährigen von ihrer Unterhaltsverpflichtung entlastet werden ist bei einfachen Verhältnissen - wie sie im vorliegenden, dem der zitierten Entscheidung zugrundeliegenden weitgehend ähnlichen Fall gegeben sind - das Verhältnis zwischen Mindestpensionshöhe und Durchschnittsbedarf von besonderer Bedeutung. Die Differenz zwischen diesen beiden - als Orientierungshilfe für die im Tatsachenbereich zu ermittelnden, in Geld abzudeckenden Bedürfnisse des Minderjährigen und dessen Selbsterhaltungsfähigkeit herangezogenen - Richtwerten muß zwangsläufig auf den Aufwand entfallen, der dem Minderjährigen erwächst, wenn er sich selbst erhalten und deshalb auch für die sonst vom betreuenden Elternteil erbrachten Naturalleistungen aufkommen muß.

Es erscheint daher angemessen, bei den auch im vorliegenden Fall gegebenen einfachen Lebensverhältnissen das Eigeneinkommen der Minderjährigen auf die Leistungen des geldunterhaltspflichtigen und des betreuenden Elternteils im Verhältnis zwischen dem Durchschnittsbedarf der Altersgruppe, der die Minderjährige angehört, und dessen Differenz zur Mindestpensionshöhe anzurechnen. Da der Durchschnittsbedarf für Minderjährige in der hier bedeutsamen Altersgruppe von 15 bis 19 Jahren in dem maßgeblichen Zeitraum ab 1. Juli 1993 4.000 S und somit nur geringfügig weniger als die Hälfte des Richtsatzes gemäß § 293 Abs 1 lit a sublit bb und lit b ASVG betrug (vgl ÖA 1993, 82), ist die Anrechnung der Lehrlingsentschädigung auf die Unterhaltsleistung der Eltern zu gleichen Teilen gerechtfertigt. Da die Minderjährige eine Lehrlingsentschädigung von 4.700 S monatlich bezieht, reduziert sich ihr Unterhaltsanspruch auf aufgerundet 3.500 S. Bei Aufteilung dieses Fehlbetrages im Verhältnis 1 : 1 auf die beiden unterhaltspflichtigen Elternteile verbleibt ein Unterhaltsanspruch der Minderjährigen gegenüber ihrem Geldunterhalt schuldenden Vater von 1.750 S.

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs des Bundes war daher stattzugeben.

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