OGH 9ObA52/95

OGH9ObA52/9510.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Ernst Viehberger und Erwin Macho als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dieter M*****, Pilot, ***** vertreten durch Dr.Gerald Hauska und Dr.Herbert Matzunski, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Tyrolean Airways Tiroler Luftfahrt AG, Fürstenweg 180, 6020 Innsbruck, vertreten durch Dr.Werner Walch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 500.000,--), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10.Jänner 1995, GZ 5 Ra 194/94-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 1.September 1994, GZ 47 Cga 86/94v-9, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die Frage, ob das im Anhang II des Kollektivvertrags für die kaufmännischen und technischen Dienstnehmer und das Bordpersonal der Tyrolean Airways - Luftfahrt AG enthaltene Senioritätsprinzip einen Kündigungsausschluß oder nur eine Kündigungsbeschränkung bei Vorliegen eines Pilotenüberschusses enthält, zutreffend gelöst. Es reicht daher insofern aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen des Rekurswerbers, aufgrund des kollektivvertraglichen Senioritätsprizips sei es nicht mehr zulässig, einen Piloten außer der Reihung zu kündigen, sondern es gebe nur mehr eine Entlassung aus wichtigem Grund, entgegenzuhalten:

Kündigungsbeschränkungen, die in verschiedenen Kollektivverträgen und Dienstordnungen enthalten sind, haben arbeitsvertragsrechtlichen Charakter und sind daher gemäß § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG auch zulässiger Inhalt des gegenständlichen Kollektivvertrags (vgl Strasser in Floretta/Spielbüchler/Strasser, ArbR3 II 99 f mwH; Schwarz/Löschnigg, ArbR4 404 ua). Da der Gesetzgeber dem normativen Teil eines Kollektivvertrags zwingende Wirkung beigemessen hat (§ 3 Abs 1 ArbVG), können Kündigungen, die gegen kollektivvertragliche Beschränkungen verstoßen, unwirksam sein (vgl Floretta in Floretta/Spielbüchler/Strasser, ArbR3 I 270 mwH; Krejci in Rummel2, ABGB § 879 Rz 21 ua). Inwiefern die Sonderregelungen über die Kündigung von Cockpitpersonal, das im Vergleich zu einem kaufmännischen oder technischen Angestellten einem spezifischeren Anforderungs- und Leistungsprofil unterliegt, sachlich nicht gerechtfertigt sein sollen, ist den Ausführungen der beklagten Partei nicht zu entnehmen.

Der Kollektivvertrag vom 10.4.1987 für die kaufmännischen und technischen Dienstnehmer und das Bordpersonal der Tyrolean Airways - Luftfahrtgesellschaft mbH & Co KG (mit Zusatzprotokoll vom 26.2.1988 auf die beklagte Partei übertragen) enthält im Anhang II Punkt I (§ 18 KV) eine Senioritätsregelung für das Cockpitpersonal im unbefristeten Dienstverhältnis. Dieses Senioritätsprinzip kommt zur Anwendung, wenn der Pilot die für die gestellte Aufgabe notwendige Qualifikation erfüllt, und betrifft im wesentlichen Angelegenheiten der Beförderung, der Urlaubszuteilung, Rückversetzung auf andere Flugzeugtypen und Kündigung wegen Pilotenüberschusses. Eine Kündigung wegen Pilotenüberschusses erfolgt in der umgekehrten Reihenfolge der Senioritätsnummern und unter Bedachtnahme auf soziale Umstände. Solcherart gekündigte Piloten haben unter bestimmten Voraussetzungen unter Wahrung ihres Senioritätsdatums das Recht auf Wiedereinstellung. Das Senioritätsdatum erlischt bei Auflösung des Dienstverhältnisses mit Ausnahme einer Kündigung bei Pilotenüberschuß.

Soweit dieser Bestimmung eine zwingende Kündigungsbeschränkung zu entnehmen ist (es ist allerdings auch auf soziale Umstände Bedacht zu nehmen), kann sich dieser Schutz von Arbeitnehmern mit längerer Betriebszugehörigkeit nach dem eindeutigen Wortlaut des Kollektivvertrags nur auf den Spezialfall eines Pilotenüberschusses beziehen, wenn also wegen des Überhangs Personal reduziert werden muß. Das ansonsten freie Kündigungsrecht des Arbeitgebers wird dadurch nicht eingeschränkt. Der Ansicht des Klägers, jedwede freie Kündigung von Cockpitpersonal sei ausgeschlossen und die Lösungsmöglichkeiten des Arbeitgebers seien nur mehr auf die Entlassung reduziert, wird schon dadurch der Boden entzogen, daß durch die Novelle zum Kollektivvertrag vom 8.5.1990 spezielle Kündigungsfristen und Kündigungstermine für das Cockpitpersonal ohne jegliche weitere Kündigungseinschränkungen eingeführt wurden (§ 9 Z 1 und 3 KV). Die Kollektivvertragsparteien sind demnach weiterhin davon ausgegangen, daß Cockpitpersonal an sich gekündigt werden kann. Eine verbindliche Anführung von Kündigungsgründen ist dem österreichischen Arbeitsrecht - von Ausnahmen abgesehen - in der Regel fremd.

Die Kündigungsbeschränkung durch das Senioritäsprinzip hat einerseits die notwendige Qualifikation eines Piloten zur Voraussetzung und kommt, wenn diese gegeben ist, andererseits bei Pilotenüberschuß zur Anwendung. Für die Beurteilung, ob ein solcher Überschuß vorliegt, ist der Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung maßgeblich. Da die Kündigung selbst nur den neutralen Zweck hat, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, kann sich eine Verletzung der kollektivvertraglichen Einschränkung nur aus den Motiven ergeben, wobei der Gekündigte die relative Unwirksamkeit der Kündigung geltend zu machen hat (vgl Krecji aaO § 879 Rz 249; SZ 66/95 ua). Der Kläger behauptete, wegen Pilotenüberschusses gekündigt worden zu sein. Soweit das Berufungsgericht die dazu erforderlichen Feststellungen zufolge Nichterledigung von Beweisanträgen noch nicht für gesichert hält, kann, weil der Oberste Gerichtshof keine Tatsacheninstanz ist, den Ergänzungsaufträgen nicht entgegengetreten werden.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens ist in § 52 ZPO begründet.

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