Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin bezieht von der Beklagten seit 1.10.1989 eine
Alterspension, die nie die Höhe des für sie geltenden Richtsatzes
nach § 293 Abs 1 lit a sublit b ASVG erreichte, Ihr
alleinschuldig geschiedener Ehegatte verpflichtete sich in einem
gerichtlichen Vergleich vom 8.6.1967, ihr ab 1.7.1967 einen
monatlichen Unterhaltsbetrag von 900 S ....... zu zahlen, und zwar in
jedem Falle, auch bei geänderten Verhältnissen. Der letzte Halbsatz ist (nach der Absicht der Vergleichsparteien) so auszulegen, daß die Unterhaltsberechtigte mit dem Betrag von 900 S nach unten abgesichert sein sollte, also zumindest diesen Betrag "in jedem Falle" erhält. Er schließt jedoch die Geltendmachung eines höheren Unterhaltsbetrages im Falle der Veränderung der Verhältnisse auf seiten des geschiedenen Ehegatten zu Gunsten der Unterhaltsberechtigten nicht aus; insofern enthält der Unterhaltsvergleich keinen Verzicht. Die Klägerin hat den verglichenen Unterhaltsbetrag erhalten und vom Unterhaltspflichtigen, dessen Nettoeinkommen nicht nachgewiesen wurde, nie mehr gefordert. Die Klägerin hat keine weiteren Einkünfte. Ihre Alterspension zuzüglich 25 vH des Dreißigfachen der Höchstbeitragsgrundlage in der Pensionsversicherung lag seit 1.10.1989 immer über dem für sie geltenden Richtsatz.
Mit Bescheid vom 1.2.1994 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 8.9.1989 auf Ausgleichszulage ab. Die Pension und der (gemäß § 294 ASVG) pauschal zu berücksichtigende Unterhaltsanspruch gegen den geschiedenen Ehegatten überstiegen den Richtsatz.
Dieser Bescheid ist durch die innerhalb der Frist von drei Monaten ab
seiner Zustellung (§ 67 Abs 2 ASGG) erhobenen Klage zur Gänze
außer Kraft getreten (§ 71 Abs 1 leg cit). Ihr iS des § 82 Abs
1 bis 4 ASGG hinreichend bestimmtes Begehren richtet sich auf eine
Ausgleichszulage (zur Alterspension) ab 8.9.1989 im Ausmaß der
Differenz zwischen der Pension zuzüglich eines Unterhaltsbeitrages
von 900 S und dem jeweiligen Richtsatz. Es stützt sich darauf, daß
sich der alleinschuldig geschiedene Ehegatte in dem erwähnten
Vergleich verpflichtet habe, der Klägerin auch im Falle geänderter
Verhältnisse (nur) einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 900 S zu
zahlen. Damit habe die Klägerin auf einen höheren Unterhaltsanspruch
verzichtet. Wegen dieses Teilverzichtes dürfe nach § 294 Abs 5
ASVG nur dieser Unterhaltsbetrag angerechnet werden.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der
Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen den geschiedenen Ehegatten sei
nach § 294 Abs 1 lit b ASVG dadurch zu berücksichtigen, daß der
Pension 12,5 vH des monatlichen Nettoeinkommens des
Unterhaltspflichtigen zuzurechnen seien. Da dieses Nettoeinkommen
nicht nachgewiesen worden sei, sei nach Abs 3 leg cit anzunehmen,
daß die Höhe der monatlichen Unterhaltsverpflichtung 25 vH des
Dreißigfachen der jeweiligen Höchstbeitragsgrundlage in der
Pensionsversicherung betrage. Die Pension zuzüglich des gemäß § 294
ASVG zu berücksichtigenden Betrages sei höher als der Richtsatz.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der erst seit 1.7.1993
geltende § 294 Abs 5 ASVG sei nicht anwendbar, weil die Klägerin
im Vergleich vom 8.6.1967 nicht auf einen höheren Unterhalt
verzichtet habe. Da auch die im zweiten Satz des Abs 3 leg cit
genannten Voraussetzungen nicht vorlägen, sei der Unterhaltsanspruch
der Klägerin gegen den geschiedenen Ehegatten nach § 294 Abs 1 iVm
Abs 3 Satz 1 ASVG zu berücksichtigen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es führte zur seit dem 1.7.1993 geltenden Rechtslage im wesentlichen aus: Die jeder Unterhaltsvereinbarung stillschweigend innewohnende Umstandsklausel sei nur dann ausgeschlossen, wenn die Parteien ausdrücklich und in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise auf eine Änderung der Unterhaltsvereinbarung auch für den Fall einer wesentlichen Änderung der beiderseitigen Verhältnisse verzichtet hätten. Dies sei beim Unterhaltsvergleich vom 8.6.1967 nicht der Fall, dessen Wortlaut die vom Erstgericht gewählte Interpretation zulasse, daß nur eine Herabsetzung ausgeschlossen werden sollte. Selbst wenn im abschließenden Halbsatz dieser Unterhaltsvereinbarung ein Verzicht auf die Geltendmachung der Umstandsklausel zu erblicken wäre, wäre damit nicht jede Änderung des Unterhaltsvergleiches ausgeschlossen. Das Beharren auf einem solchen Verzicht sei nämlich sittenwidrig, wenn sich die Verhältnisse derart geändert haben, daß dem Unterhalsberechtigten wegen der Änderung die Existenzgrundlage entzogen wäre. Das treffe zu, wenn die Klägerin derzeit von einem Unterhaltsbeitrag von 900 S und ihrer Pension von rund 4.800 S legen müßte. Welcher Unterhaltsbeitrag des geschiedenen Ehegatten nach seinen heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen bei Übertragung der Vergleichsgrundsätze angemessen wäre, könnte nur beurteilt werden, wenn die damaligen und heutigen wirtschaftlichen Verhältnisse bekannt wären. Dazu habe die Klägerin weder etwas vorgebracht, noch Beweise angeboten. Daher sei in analoger Anwendung des § 294 Abs 3 ASVG von einem Unterhaltsanspruch in der in dieser Gesetzesstelle normierten Höhe auszugehen. Ein teilweiser Unterhaltsverzicht der Klägerin, der für die Zeit ab 1.7.1993 dazu führen würde, daß die noch bestehende Unterhaltsverpflichtung nicht die Höhe des Differenzbetrages zwischen der Pension und dem Richtsatz erreiche, liege nicht vor. Daher habe die Klägerin auch unter Berücksichtigung des § 294 Abs 5 ASVG keinen Anspruch auf Ausgleichszulage.
In der Revision macht die Klägerin unrichtige rechtliche Beurteilung (der Sache) geltend; sie beantragt, die Urteile der Vorinstanzen ab 1.7.1993 im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder sie allenfalls aufzuheben. Aus dem Hauptantrag und den Ausführungen des Revisionsgrundes ergibt sich eindeutig, daß die Revisionserklärung, das Berufungsurteil werde seinem gesamten Inhalt nach angefochten, einschränkend zu verstehen ist: Das Berufungsurteil blieb insoweit unangefochten, als das Klagebegehren für die Zeit vom 8.9.1989 bis 30.6.1993 abgewiesen wurde (SZ 6/407; EFSlg 18.569 ua; Kodek in Rechberger, ZPO § 506 Rz 1).
Die Beklagte verzichtete auf die Beantwortung der Revision.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nach § 46 Abs 3 Z 3 ASGG idF ASGGNov 1994
auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässig;
sie ist jedoch nicht berechtigt.
Nach dem durch Art I Z 128 der 51. ASVGNov BGBl 1993/335 dem §
294 ASVG angefügten, seit 1.7.1993 geltenden Abs 5 erfolgt eine
Anrechnung nach Abs 1 (leg cit) nicht, wenn die Ehe aus dem
Verschulden des anderen Ehegatten geschieden wurde, eine
Unterhaltsleistung aus dieser Scheidung auf Grund eines Unterhaltsverzichtes nicht erbracht wird und dieser Verzicht spätestens zehn Jahre vor dem Stichtag abgegeben wurde.
Die RV 932 BlgNR 18. GP 52 führt zu diesem neuen Absatz aus, ein Unterhaltsverzicht bei Scheidung aus Verschulden solle, wenn der Verzicht spätestens zehn Jahre vor dem Stichtag abgegeben wurde, nicht die Höhe der Ausgleichszulage beeinflussen.
Choholka ua, Änderungen im Sozialversicherungsrecht SozSi 1993, 275 (292) meinen, eine Unterhaltsanrechnung bei geschiedenen Ehen erfolge nicht, wenn die Ehe aus dem Verschulden des anderen Ehegatten geschieden worden sei, eine Unterhaltsleistung aus dieser Scheidung nicht erbracht werde und dieser Verzicht spätestens zehn Jahre vor dem Stichtag abgegeben worden sei.
Ivansits, Die 51. Novelle zum ASVG DRdA 1993, 196 (202) bemerkt,
die Pauschalanrechnung des gesetzlichen Unterhaltes bei der
Ausgleichszulage habe für Geschiedene in der Vergangenheit in Fällen
zu sozialen Härten geführt, in denen zum Zweck der Bereinigung
sämtlicher Scheidungsfolgen Jahre vor dem Pensionsstichtag anläßlich
einer unverschuldeten Scheidung ein Unterhaltsverzicht abgegeben
wurde. Die Anrechnung habe nunmehr zu unterbleiben, wenn die Ehe aus
dem Verschulden des anderen Ehegatten geschieden worden und der
Verzicht spätestens zehn Jahre vor dem Stichtag abgegeben worden sei.
Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen des § 294 Abs 5
ASVG nicht gegeben: Die Klägerin hat auf ihren gesetzlichen
Unterhaltsanspruch gegen den alleinschuldig geschiedenen Ehegatten
nicht verzichtet. Von diesem wird weiterhin die nach dem
Unterhaltsvergleich vom 8.6.1967 geschuldete Unterhaltsleistung
erbracht. Bei geänderten Verhältnissen könnte die Klägerin sogar
einen höheren Unterhaltsbetrag geltend machen. Sie hat somit auch für
die Zeit ab 1.7.1993 wegen der nach § 294 Abs 1 iVm Abs 3 ASVG
zu berücksichtigenden Ansprüche keinen Anspruch auf die begehrte Ausgleichszulage.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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