OGH 9Ob508/95

OGH9Ob508/9526.4.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier, Dr.Petrag, Dr.Bauer und Dr.Steinbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Barbara T*****, Landwirtin, ***** vertreten durch Dr.Caroline Hübel, Rechtsanwältin in Salzburg, wider die beklagte Partei Josef N*****, Autoelektriker, ***** vertreten durch Dr.Paul Herzog, Rechtsanwalt in Mittersill, wegen Räumung und Zahlung (Gesamtstreitwert S 94.521,30 sA), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 7.November 1994, GZ 21 R 288/94-17, womit infolge Berufung beider Teile das Urteil des Bezirksgerichtes Mittersill vom 20.April 1994, GZ 2 C 1119/93-9, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben; das angefochtene Teilurteil wird auch hinsichtlich des Räumungsbegehrens und des Zahlungsausspruches über S 34.521,30 sA aufgehoben und dem Erstgericht auch insoweit die neuerliche Verhandlung und Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Räumung der im Spruch genannten Liegenschaft, die Entfernung der darauf vom Beklagten errichteten Werkstätte sowie die Zahlung von Benützungsentgelt für die Zeit vom 1.1.1993 bis Dezember 1993. Nach Aufkündigung des Bestandvertrages mit der Mobil Oil Austria AG benütze der Beklagte die Liegenschaft titellos und sei auch nicht bereit die darauf ohne Genehmigung der Klägerin durch ihn errichtete Werkstätte auf seine Kosten zu entfernen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehren, weil zwischen den Streitteilen ein den Kündigungsbestimmungen des MRG unterliegender Mietvertrag bestehe.

Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren und dem Leistungsbegehren auf Benützungsentgelt mit dem Betrag von S 34.521,30 sA statt und wies das Entfernungsbegehren sowie ein weiteres Leistungsbegehren auf S 25.978,70 ab.

Das Erstgericht stellte im wesentlichen fest:

Die Klägerin schloß mit der Mobil Oil Austria AG im Jahr 1965 einen Bestandvertrag über die im Spruch genannte Liegenschaft und räumte der Bestandnehmerin das Recht ein, das Grundstück zum Betrieb einer Tankstelle zu nutzen und die hiefür erforderlichen Handlungen, insbesondere die Errichtung von Baulichkeiten auf dem Grundstück vorzunehmen. Nach Vertragablauf ist die Bestandnehmerin verpflichtet, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Sie kann andernfalls die niet- und nagelfesten Anlagen an Ort und Stelle belassen, wodurch diese unentgeltlich in das Eigentum der Bestandgeberin übergehen. Die Mobil Oil Austria AG schloß ihrerseits im Jahre 1976 mit dem Beklagten einen Bestandvertrag. Der auf dem Grundstück befindliche Gewerbebetrieb in Form einer Mobil-Tankstelle und Servicestation samt Baulichkeiten Anlagen, Betriebseinrichtungsgegenständen, Werbemittel, sonstigem Zubehör und Kundenstock wurde dem Beklagten in Bestand gegeben, ihm die Verpflichtung zum ausschließlichen Vertrieb von Mobil-Produkten sowie eine Betriebs- und Rückstellungspflicht auferlegt. 1981 wurde im Einvernehmen des Beklagten mit der Mobil Oil Austria AG der Tankstellenbetrieb eingestellt. Der zwischen ihnen bestehende Vertrag wurde nicht geändert. Mit Einstellung des Tankstellenbetriebes hat der Beklagte die auf dem Grundstück der Klägerin befindlichen Gebäude von der Mobil Oil Austria AG gekauft und dort eine Werkstätte errichtet und betrieben. Aufgrund der Bestimmungen seines Bestandvertrages überwies der Beklagte den an die Mobil Oil Austria AG jährlich im voraus zu entrichtenden Bestandzins auf das Konto der Klägerin. Zuletzt betrug der jährliche Bestandzins S 37.659,60. Die Mobil Oil Austria AG kündigte außergerichtlich das Bestandverhältnis mit der Klägerin sowie das mit dem Beklagten zum 31.12.1992 auf. Der Beklagte hatte die Klägerin mehrmals um den Abschluß eines Bestandvertrages ersucht. Die Klägerin lehnte dies jedoch ab bzw blieben diesbezügliche Schreiben unbeantwortet. Mit Schreiben vom 3.5.1993 teilte die Klägerin dem Beklagten unter anderem mit, ..... daß er ja wisse, daß kein Vertrag bestehe und er das streitgegenständliche Grundstück bis 30.6.1993 räumen müsse.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, der Bestandvertrag zwischen Klägerin und Mobil Oil Austria AG sei als Grundstücksmiete mit Geschäftsraumsuperädifikat kündigungsgeschützt gewesen. Nach einvernehmlicher Einstellung des Tankstellenbetriebes sei der bestehende Pachtvertrag zwischen der Mobil Oil Austria AG und dem Beklagten als Untermietvertrag zu qualifizieren. Ein Umgehungsgeschäft im Sinne des § 2 Abs 3 MRG sei auszuschließen, weil die Vertragsverhältnisse vor Inkrafttreten des MRG geschlossen worden seien. Es lägen im übrigen auch die inhaltlichen Voraussetzungen für ein Umgehungs- (§ 2 Abs 3 MRG) oder Scheingeschäft (§ 916 ABGB) nicht vor. Das Untermietverhältnis habe daher zugleich mit Beendigung des Bestandverhältnisses zur Mobil Oil Austria AG geendet. Ein Bestandvertrag zwischen den Streitteilen sei auch nicht in konkludenter Form zustandegekommen. Der Beklagte habe daher die Liegenschaft zu räumen und das ortsübliche, an der Höhe des bisher vereinbarten Mietzinses orientierte Benützungsentgelt zu entrichten. Eine vertragliche Verpflichtung des Beklagten, die mit Zustimmung der Klägerin errichtete Werkstätte zu entfernen, sei nicht gegeben, weil der Beklagte dazu lediglich gegenüber der Mobil Oil Austria AG verpflichtet sei und die Klägerin aus dem Untermietvertrag für sich keine Rechte ableiten könne. Die Wiederherstellung des vorigen Zustandes könne nur gegenüber dem Vertragspartner durchgesetzt werden, sei aber durch das vereinbarte Recht zur Belassung der Bauwerke mit unentgeltlichem Eigentumsübergang überlagert.

Das Gericht der zweiten Instanz gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und hob in Stattgebung der Berufung der Klägerin den das Begehren der Klägerin auf Entfernung der auf der Liegenschaft errichteten Werkstätte und die Zahlung von weiteren S 25.978,70 abweisenden Teil des Ersturteiles auf, ohne auszusprechen, das der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß zulässig wäre. Die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO sei unzulässig.

In rechtlicher Hinsicht teilte das Berufungsgericht die Rechtsansicht des Erstgerichtes (§ 500a ZPO). Es erachtete aber das Entfernungsbegehren als nicht spruchreif, weil nicht geklärt worden sei, ob eine Bewilligung der Klägerin zur Werkstättenerrichtung vorgelegen sei. Unter den Voraussetzungen des § 418 Satz 3 ABGB sei ein Eigentumserwerb durch Bauführung denkbar, was aber den Entfernungsanspruch der Klägerin ausschließen würde.

Obwohl das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil auch hinsichtlich der Abweisung des weiteren auf Zahlung von S 25.978,70 gerichteten Zahlungsbegehren aufhob, sprach es in seiner Begründung aus, daß die Abweisung des Mehrbegehrens von S 25.978,70 zu Recht erfolgte.

Gegen das Teilurteil richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten mit dem Antrag dieselbe zuzulassen und das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren in allen Punkten abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision des Beklagten keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Da der gesamte Entscheidungsgegenstand, über den das Berufungsgericht entschied S 50.000 überschritt, ist die Revision nicht jedenfalls unzulässig (§ 502 Abs 2 ZPO). Die Beurteilung der Unzulässigkeit richtet sich daher nach § 502 Abs 1 ZPO. Ob es sich überhaupt um eine in § 49 Abs 2 Z 5 JN zu unterstellende Streitigkeit zwischen den Parteien des Bestandvertrages handelt (Mayer in Rechberger ZPO Kommentar 121) kann dahingestellt bleiben.

Das Berufungsgericht hob Punkt 2 und 3 des Urteilsspruches des Erstgerichtes (Entfernungsbegehren, Benützungsentgelt und Kostenentscheidung) zur Gänze auf, ohne auszusprechen, daß der Rekurs dagegen zulässig wäre. Der Aufhebungsbeschluß ist somit gemäß § 527 Abs 2 ZPO unanfechtbar. Auf die in diesem Zusammenhang geltend gemachte Nichtigkeit bezüglich der Aufhebung des den Betrag von S 25.978,70 abweisenden Ersturteils trotz bestätigender Begründung ist daher mangels eines zulässigen Rechtsmittels nicht einzugehen.

Nach ständiger Rechtsprechung hat die Begründung des Kündigungsschutzes des Mietengesetzes bzw Mietrechtsgesetzes durch Errichtung von Baulichkeiten auf einem unbebauten Grundstück für geschäftliche Zwecke (EvBl 1987, 242; WoBl 1990, 159; JBl 1990, 48) nicht zur Folge, daß eine außergerichtliche Kündigung des Bestandverhältnisses durch den Mieter ohne rechtliche Bedeutung wäre. Die einvernehmliche Auflösung auch geschützter Mietverhältnisse ist nämlich formfrei und schlüssig möglich, sodaß die außergerichtliche Kündigung als Anbot zur einvernehmlichen Vertragsauflösung zu verstehen ist (EvBl 1993/121; 1 Ob 651/92). Die Annahme der außergerichtlichen Kündigung durch die Klägerin und somit deren Wirksamkeit war dem Beklagten spätestens durch den Hinweis auf den vertragslosen Zustand zwischen den Streitteilen und auf das beendete Bestandverhältnis zur Mobil Oil Austria AG in der Klage erkennbar, sodaß sich die Frage, ob sich derjenige, der vom Hauptbestandnehmer Bestandrechte ableitet auf eine unwirksame Kündigung des Hauptbestandverhältnisses berufen könne, nicht mehr stellt. Ob der Kläger nach Einstellung des Tankstellenbetriebes und Kauf der auf dem Grundstück befindlichen Gebäude von seinem Bestandgeber weiterhin Pächter blieb oder Untermieter wurde - Hauptmieter konnte er mangels eines Unternehmenskaufes oder der Übertragung der Mietrechte nicht sein - ist ohne Belang, weil er in jedem Fall ohne Änderung des Pachtvertrages nur vom Hauptbestandnehmer abgeleitete Rechte besaß, die ihn vor der Räumungsklage des Liegenschaftseigentümers nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zum Hauptbestandnehmer nicht mehr schützten (MietSlg 41.008; 42.018 ua). Mangels einer direkten Rechtsbeziehung zwischen den Streitteilen bestand auch keine Verpflichtung der Klägerin, den Beklagten von der außergerichtlichen Kündigung ihres Bestandnehmers zu verständigen.

Die Revision ist aber dennoch zulässig, weil die Bedeutung der Frage der Verknüpfung eines die ganze Liegenschaft betreffenden Räumungsbegehrens mit einem Begehren auf Entfernung eines darauf vom Benützer errichteten Bauwerkes in ein und demselben Rechtsstreit über den Einzelfall hinausgeht.

Entgegen der Meinung des Revisionswerbers schließen Räumungs- und Entfernungsbegehren einander nicht aus. Die Räumung von unbeweglichen Sachen im Sinne des § 349 Abs 1 EO ist auf den gewöhnlichen Fall der Räumung einer Liegenschaft durch Wegschaffen von Personen und beweglichen Sachen zugeschnitten, nicht aber auf die Räumung einer unbeweglichen Sache von einem Bauwerk (JBl 1953, 16; MietSlg 38.187). Bauwerke sind unbewegliche Sachen. Überbauten werden nach Lehre und Rechtsprechung als bewegliche Sachen aufgefaßt, aber teilweise rechtlich wie unbewegliche Sachen behandelt. Die Entfernung eines Bauwerkes kann daher nicht ohne weiteres mit der Entfernung beweglicher Sachen, wie sie § 349 Abs 1 EO im Auge hat, gleichgesetzt werden (JBl 1953, 16 MietSlg 38.187, 39.853). Die Exekutionsführung zur Entfernung eines Bauwerkes richtet sich, weil sie ein positives Tun des Verpflichteten erfordert, nicht nach § 349 Abs 1 EO, sondern nach § 353 EO (JBl 1953, 16 MietSlg 34.843, 38.187, 38.855/29, 39.853, 1 Ob 505/94). Ob eine Exekution nach § 349 Abs 1 EO eine Vorstufe des Vollzuges der Exekution nach § 353 EO bildet, weil die Freimachung des Bauwerkes vor dessen Entfernung und Abbruch notwendig ist (1 Ob 505/94 mwN) ist nicht zu untersuchen. Die Vereinbarungen zur Errichtung und Benützung bzw Belassung der Werkstätte auf fremden Grund sind nach Ansicht des Berufungsgerichtes in bezug auf das Entfernungsbegehren, das aber von dem Räumungsbegehren nicht zu trennen ist, noch nicht zur Genüge festgestellt und von weiteren Beweiserhebungen abhängig. Im Gegensatz zur Meinung der Revisionsbeantwortung ist weder aus dem Spruch noch den Entscheidungsgründen der Vorinstanzen erkennbar, daß das auf Räumung der ganzen Liegenschaft lautende Urteil die Räumung des Liegenschaftsteiles, auf dem sich die vom Beklagten errichtete Werkstätte befindet, nicht mitumfaßt. Daher ist aber auch nicht nur die Räumungsverpflichtung, soweit sie dieses Bauwerk betrifft oder die Verpflichtung zur Bezahlung des darauf entfallenden Benützungsentgeltes nicht spruchreif, sondern das gesamte auf Räumung und Zahlung von Benützungsentgelt gerichtete Begehren. Letzteres ist nach den bisherigen Feststellungen gegenüber dem auf die übrige Liegenschaft entfallenden Benützungsentgelt nicht gesondert bestimmbar, sodaß der gesamte Zahlungszuspruch aufzuheben war.

Räumungs- und Entfernungsbegehren, die sich auf eine Liegenschaft beziehen, sind miteinander eng verknüpft, weil beide auf die Freimachung der Liegenschaft abzielen, die nur jeweils auf Grund unterschiedlicher Exekutionstitel und unterschiedlicher Exekutionsanträge bewirkt wird. Die Räumung beinhaltet die Entfernung von Personen und beweglichen Sachen und Übergabe der unbeweglichen Sache in den Besitz des betreibenden Gläubigers (MietSlg 34.843). Die Inbesitznahme führt zum Ausschluß des bisherigen Benützungsrechtes des Verpflichteten.

Wenn dem Kläger insoweit ein Benützungsrecht an der Liegenschaft zusteht, als er Eigentümer der darauf von ihm errrichteten Werkstätte sein sollte, was auch das damit verbundene Benützungsrecht einschließt, würde dies dem Räumungsbegehren im derzeit begehrten Umfang entgegenstehen, das auf Räumung der ganzen Liegenschaft gerichtet ist.

Es sind daher die Grundlagen für Benützung und Errichtung der Werkstätte und die darüber getroffenen Vereinbarungen festzustellen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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