OGH 8ObS26/94

OGH8ObS26/9420.4.1995

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Herbert Vesely und Dipl.Ing.Raimund Tschulik als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Johann H*****, vertreten durch Dr.Kurt Klein, Dr.Paul Wuntschek, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Arbeitsamt Graz, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen S 12.572,-- netto sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22.September 1994, GZ 8 Rs 27/94-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 16. Dezember 1993, GZ 37 Cgs 22/93-5, und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Rekursverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist zutreffend, sodaß auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses verwiesen werden kann (§ 48 ASGG). Ergänzend ist anzumerken:

Gemäß § 6 Abs.2 IESG hat der schriftlich zu stellende Antrag auf Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld unter anderem den Betrag der Forderung und die Tatsachen, auf die sie sich gründet, anzugeben. Daraus ergibt sich, daß nicht nur der Betrag der Forderung im Antrag zu nennen ist, sondern auch die Art des gesicherten Anspruches, für welchen Zahlung begehrt wird. Diese Angabe stellt ein wesentliches Inhaltserfordernis des Antrages dar. Unterbleibt eine Aufschlüsselung, um welche Forderungen es sich im einzelnen handelt, entspricht der Antrag insbesondere unter dem Blickwinkel der sukzessiven Kompetenz nicht dem Gesetz (ArbSlg 10.138; 9 ObS 31/93).

Gemäß § 10 IESG sind bei Streit über den Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld oder einen Vorschuß auf dieses die Bestimmungen des ASGG sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 67 Abs.1 Z 1 ASGG kann in einer Leistungssache unter anderem nach § 65 Abs.1 Z 7 ASGG (Ansprüche auf Insolvenz-Ausfallgeld oder einen Vorschuß auf dieses) vom Versicherten eine Klage nur erhoben werden, wenn der Versicherungsträger darüber bereits mit Bescheid entschieden hat. Liegt diese Voraussetzung nicht vor, ist die Klage gemäß § 73 ASGG in jeder Lage des Verfahrens zurückzuweisen. Wird in einer Leistungssache nach § 65 Abs.1 Z 7 ASGG die Klage rechtzeitig erhoben, so tritt der Bescheid im Umfang des Klagebegehrens außer Kraft. Dies hat zur Folge, daß der beim Arbeitsamt erhobene, bescheidmäßig erledigte Antrag bei Gericht grundsätzlich nicht erweitert oder geändert werden darf (9 ObS 28-30/93). Eine Klagsänderung ist daher für den Bereich der Ansprüche nach dem IESG gemäß § 86 ASGG nur dann zulässig, wenn damit nur eine quantitative Änderung aufgrund desselben Versicherungsfalles, der den Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens bildet, bewirkt würde. Eine Erweiterung des Ausmaßes der begehrten Versicherungsleistung ist jedoch insoweit unzulässig, als über einen neuen Klagegrund entschieden werden soll, der nicht Gegenstand des vor dem Arbeitsamt durchgeführten Verwaltungsverfahrens war und über den im Bescheid nicht erkannt worden ist (9 ObS 28-30/93; 10 ObS 234/93; Kuderna, ASGG 434).

Hieraus ergibt sich, daß die Geltendmachung eines anderen Klagegrundes im Rahmen der sukzessiven Kompetenz den Rechtsweg dann unzulässig macht, wenn der Anspruch vor dem Arbeitsamt - mag er der Höhe nach auch unverändert geltend gemacht werden - auf eine andere Anspruchsgrundlage gestützt wurde.

Im Verfahren ist unbestritten, daß der Kläger die hier strittige Forderung ausdrücklich als Gehalt/Lohn für den Monat April 1993 angemeldet hat. Damit hat er Entgeltansprüche gemäß § 1 Abs.2 Z 1 IESG geltend gemacht, die gemäß Abs.4 der genannten Gesetzesstelle der Höhe nach im dort beschriebenen Umfang begrenzt sind. Die nunmehr im gerichtlichen Verfahren aufgestellte Behauptung, in diesem Anspruch seien Reisekosten enthalten gewesen, bezeichnet einen Anspruch gemäß § 1 Abs.2 Z 3 IESG (sonstige Ansprüche gegen den Arbeitgeber), der der vorgenannten höhenmäßigen Beschränkung nicht unterliegt. Damit wird aber ein Teil der gegenüber dem Arbeitsamt ausschließlich als Entgelt deklarierten Forderung auf einen anderen im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemachten Rechtsgrund gestützt. Der Hinweis des Rekurswerbers, daß er sich gegenüber dem Arbeitsamt ausdrücklich als Beweismittel auf das in Händen der Gemeinschuldnerin befindliche Lohnkonto berufen habe sowie, daß die Lohn- und Gehaltsabrechnung Teil des Insolvenzaktes des Arbeitsamtes gewesen sei, vermag daran nichts zu ändern, da das bloße Anführen von Beilagen als Beweismittel nicht das erforderliche Parteienvorbringen zu ersetzen vermag (ÖBl 1967, 109).

Das Berufungsgericht hat daher zu Recht die Unzulässigkeit des Rechtsweges wahrgenommen, das erstinstanzliche Urteil und das diesem vorangehende Verfahren für nichtig erklärt und die Klage zurückgewiesen (vgl SZ 62/152; EvBl 1993/103; EvBl 1994/38).

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 77 Abs.1 Z 2 lit.b ASGG, da Gründe für einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit weder in Anbetracht der rechtlichen Schwierigkeiten des Verfahrens noch unter Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers (es wurden ihm insgesamt S 866.342,-- an Insolvenz-Ausfallgeld zugesprochen) vorliegen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte