OGH 14Os32/95(14Os33/95)

OGH14Os32/95(14Os33/95)4.4.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.April 1995 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Rohrböck als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Tatjana K***** und Josef L***** wegen des Verbrechens der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 14. Dezember 1994, GZ 12 e Vr 10.732/93-98, sowie über eine Beschwerde (§ 494 a Abs 4 StPO) der Staatsanwaltschaft nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Den Nichtigkeitsbeschwerden wird teilweise Folge gegeben und es werden

1. das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch der Angeklagten Tatjana K***** und Josef L***** laut Punkt A/I/1 und 2 sowie des Angeklagten Josef L***** laut Punkt A/III/1 des Urteilssatzes, demzufolge auch im Strafausspruch über die beiden Angeklagten (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung); und

2. der Beschluß auf Absehen vom Widerruf einer der Angeklagten Tatjana K***** gewährten bedingten Strafnachsicht unter Verlängerung der Probezeit (Punkt B)

aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen;

II. Im übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden zurückgewiesen;

III. Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf die zu I/1 getroffene Entscheidung verwiesen;

IV. Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Beschwerde auf die zu I/2 getroffene Entscheidung verwiesen;

V. Den Angeklagten fallen auch die auf den erfolglos gebliebenen Teil ihrer Nichtigkeitsbeschwerden entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Tatjana K***** und Josef L***** des Verbrechens der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB (A/I/1) und des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (A/I/2), Tatjana K***** auch des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (A/II), Josef L***** auch der Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (A/III/1), der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (A/III/2), der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (A/III/3) und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (A/III/4) schuldig erkannt. Tatjana K***** wurde hiefür zu einem Jahr, Josef L***** zu achtzehn Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Bei Tatjana K***** wurde zugleich vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht abgesehen und die Probezeit verlängert (B).

Nach dem Inhalt des Schuldspruches (A) haben in Wien

I.

Tatjana K***** und Josef L***** im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter

1. am 9.August 1993 die Svetlana S***** mit Gewalt und gefährlicher Drohung zur Unterzeichnung eines Schuldscheines über 28.000 S, sohin zu einer Handlung genötigt, die diese am Vermögen schädigen sollte, wobei sie mit dem Vorsatz gehandelt haben, durch das Verhalten der Genötigten sich unrechtmäßig zu bereichern, indem sie auf S***** wiederholt einschlugen und ihr gegenüber äußerten, sie aus dem Fenster der im 4.Stock gelegenen Wohnung der K***** zu werfen, wenn sie den Schuldschein nicht unterschreibe;

2. am 10.August 1993 der Svetlana S***** dadurch, daß sie sie in den PKW des L***** und in weiterer Folge in den PKW des gesondert verfolgten Dimitri V***** schleppten und sie zwangen, in ihre Wohnung zu fahren, weiters diese Wohnung sodann unter Mitnahme des Wohnungsschlüssels von außen versperrten, die persönliche Freiheit entzogen;

II.

Tatjana K***** allein am 11. und 12.August 1994 den Josef L***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, daß sie ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich zumindest des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 StGB falsch verdächtigte, obwohl sie wußte, daß diese Verdächtigung falsch war, wobei die fälschlich angelastete Handlung mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe, nämlich von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, bedroht war, und zwar durch die im Spruch ausführlich wiedergegebenen Angaben vor Polizeiorganen des Bezirkspolizeikommissariates Landstraße bzw des Wachzimmers 1030 Wien, Fiakerplatz;

III.

Josef L***** allein

1. am 9.August 1993 fremde Sachen in einem 25.000 S nicht übersteigenden Wert unbrauchbar gemacht, indem er in der Wohnung der Svetlana S***** das Telefonkabel durchschnitt;

2. am 11.August 1994 ein ihm anvertrautes Gut, nämlich Schmuckstücke im Wert von ca 35.000 S, die er von Elena K***** im Wege der Tatjana K***** vor dem 11.August 1994 erhalten hatte, sich mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz dadurch zugeeignet, daß er sie in seinem PKW versteckte (US 13, 19) und trotz Aufforderung die Herausgabe verweigerte;

3. am 11.August 1994 die Tatjana K***** gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihr gegenüber äußerte, er zerschneide sie, schmeiße sie aus dem Fenster und bringe sie um, nachdem er ein Wasserglas und eine leere Weinflasche in ihre Richtung geschleudert hatte;

4. am 11.August 1994 die Tatjana K***** vorsätzlich am Körper verletzt, indem er sie an den Haaren packte, mit der Faust auf sie einschlug und ihren Kopf mehrmals gegen den verfliesten Fußboden stieß, was eine Schwellung und Rötung am Hinterkopf, Abschürfungen in der rechten Armbeuge und Kratzer an der rechten Schulter zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpfen die Angeklagten mit getrennt ausgeführten, von Tatjana K***** auf die Nichtigkeitsgründe der Z 3, 4, 5 und 11, von Josef L***** auf jene der Z 3, 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden sowie mit Berufung. Die Staatsanwaltschaft hat gegen den Beschluß auf Absehen vom Widerruf Beschwerde erhoben.

Die Nichtigkeitsbeschwerden sind zum Teil begründet.

Dem Beschwerdevorbringen (Z 3 iVm § 252 Abs 1 Z 1 StPO) des Angeklagten L***** zuwider war zwar die Verlesung (S 369 unten) der polizeilichen Protokolle (S 39 ff; 59) über die Vernehmung der zur Hauptverhandlung nicht erschienenen (S 362) Svetlana S***** an sich zulässig, weil das persönliche Erscheinen der Zeugin wegen ihres entfernten Aufenthaltes in Rußland füglich nicht bewerkstelligt werden konnte, ist doch ein an das zuständige Gericht in Moskau am 2. Mai 1994 abgefertigtes Zustellersuchen bis zur Hauptverhandlung am 14. Dezember 1994 unbeantwortet geblieben (S 3 g verso; 362). Die Erledigung des Rechtshilfeersuchens langte erst am 28.März 1995 mit dem von Svetlana S***** am 17.November 1994 unterfertigten Zustellschein bei Gericht ein (siehe Nachhangstück vom 3.April 1995).

Nichtsdestoweniger sind aber beide Beschwerdeführer im Recht, wenn sie teils ausdrücklich, teils der Sache nach einwenden, daß der Schuldspruch wegen der strafbaren Handlungen zum Nachteil der Svetlana S***** (A/I/1 und 2; III/1) mit deren polizeilichen Angaben nur offenbar unzureichend begründet (Z 5) worden ist. Die Gegenargumente in der Verantwortung der beiden Angeklagten in Verbindung mit dem Umstand, daß selbst der von Svetlana S***** als vertrauenswürdig bezeichnete (S 39) einzige Tatzeuge Dimitri V***** ihre Darstellung in wesentlichen Punkten nicht bestätigt hat, macht eine unmittelbare Befragung der Zeugin und Gegenüberstellung mit den übrigen Beteiligten unerläßlich.

In den von diesem Begründungsmangel betroffenen Punkten A/I/1 und 2; III/1 des Schuldspruchs (demzufolge auch im Strafausspruch über die Angeklagten und im darauf gegründeten Beschluß über das Absehen vom Widerruf) war daher das Urteil sofort zu kassieren und eine neue Hauptverhandlung anzuordnen (§ 285 e StPO), ohne daß insoweit noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen gewesen wäre.

Im übrigen sind die Nichtigkeitsbeschwerden aber teils offenbar unbegründet, teils nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 3 iVm § 221 StPO) der Angeklagten Tatjana K***** ist im Fall, daß der Angeklagte bei der Hauptverhandlung noch einer anderen Tat beschuldigt wird, als wegen der er angeklagt ist (§ 263 Abs 1 StPO), eine Vorbereitungsfrist gesetzlich nicht vorgesehen, zumal hier eine Zustimmung zur Ausdehnung des Verhandlungsgegenstandes im Sinne des letzten Satzes dieser Gesetzesstelle nicht erforderlich war. Durch die Abweisung des Vertagungsantrages (S 369/370) wurden auch keine Verteidigungsrechte verletzt, weil Entlastungsbeweise nicht angeboten wurden, vielmehr der Anklageausdehnung (S 366 ff) wegen des Verbrechens der Verleumdung (A/II) das umfassende Geständnis der Beschwerdeführerin zugrunde lag.

Mit seinen Einwänden gegen den Schuldspruch wegen Veruntreuung, gefährlicher Drohung und Körperverletzung (A/III/2 bis 4) vermag der Angeklagte L***** keine formellen Begründungsmängel (Z 5) darzutun, er gleitet damit vielmehr in den Bereich einer im Rechtsmittelverfahren gegen Urteile von Kollegialgerichten unzulässigen Schuldberufung ab und bringt aus den Akten auch nichts vor, was zu erheblichen Bedenken (Z 5 a) gegen die Richtigkeit der diesen Teilen des Schuldspruchs zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen Anlaß geben könnte.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) dieses Angeklagten schließlich ist nicht gesetzmäßig ausgeführt. Der Beschwerdeführer übergeht, daß er die Herausgabe der Schmuckstücke nicht bloß verweigert, sondern seinen Zueignungswillen in objektiv erkennbarer Weise betätigt hat, indem er die Pretiosen unter einer Fußmatte in seinem PKW versteckt hatte (US 13, 19/20).

Im übrigen (A/III/3 und 4) verkennt der Beschwerdeführer, daß er der Tatjana K***** durchaus auch andere und gravierendere, zur Erzeugung von Furcht und Unruhe geeignete Übel angedroht hat, als er ihr dann tatsächlich zufügte. Sein Einwand bloß scheinbarer Realkonkurrenz zwischen Drohung und Verletzung infolge unmittelbaren Vollzuges der angedrohten Übel geht daher von urteilsfremden Prämissen aus.

In diesem noch übrigen Umfang waren die Nichtigkeitsbeschwerden daher zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 StPO).

Die Berufungen der Angeklagten und die Beschwerde der Staatsanwaltschaft sind im Hinblick auf die Aufhebung des Strafausspruches und des Beschlusses auf Absehen vom Widerruf gegenstandslos geworden.

Im Umfang der Erfolglosigkeit ihrer Nichtigkeitsbeschwerden haben die Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen (§ 390 a StPO).

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