OGH 15Os28/95

OGH15Os28/9530.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.März 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Schaumberger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Johann J***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Friedrich H***** sowie über die Berufung des Angeklagten Johann J***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 18.Oktober 1994, GZ 10 Vr 1929/94-20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H*****, dessen Berufung, soweit sie die privatrechtlichen Ansprüche betrifft, sowie die Berufung des Angeklagten J***** werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten H***** wegen Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Johann J***** und Friedrich H***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB, Friedrich H***** als Beteiligter gemäß § 12 dritter Fall StGB hiezu, schuldig erkannt.

Darnach haben am 16.Juli 1994 in Oberhaag, Bezirk Leibnitz,

1. Johann J***** die Waldburga F***** außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB mit Gewalt, indem er sie vom PKW des Friedrich H***** wegzerrte, ihr die Jeanshose und sodann die Unterhose hinunterzog, sie zu Boden riß, die Beine auseinanderdrückte und den Mund zuhielt und durch Entziehung der persönlichen Freiheit, indem er sie am Boden festhielt, zur Duldung des Beischlafes genötigt und

2. Friedrich H***** dadurch, daß er seinen PKW, in dem sich auch Waldburga F***** befand, über Ersuchen des Johann J***** auf eine abgelegene Waldlichtung lenkte und der dort von Johann J***** durchgeführten Vergewaltigung der Waldburga F***** billigend beiwohnte, wodurch Johann J***** in seinem Tatentschluß bestärkt wurde, zu dieser strafbaren Handlung des Johann J***** beigetragen.

Beide Angeklagten wurden zu Freiheitsstrafen sowie gemäß §§ 366 Abs 2, 369 Abs 1 StPO zur ungeteilten Hand zur Zahlung einer Genugtuung an Waldburga F***** verurteilt.

Beide meldeten gegen das Urteil Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an, ohne dabei jeweils Nichtigkeitsgründe oder die Anfechtungspunkte der Berufung darzulegen. Der Angeklagte H***** führte sodann eine auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5 a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde sowie eine bloß den Strafausspruch betreffende Berufung aus, der Angeklagte J***** brachte hingegen keine Rechtsmittelausführung ein.

Rechtliche Beurteilung

Die nicht ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten J***** wurde mit dem Beschluß des Vorsitzenden des Schöffensenates vom 1. Februar 1995 (ON 27) gemäß § 285 a Abs 2 StPO zurückgewiesen.

Angesichts der Mehrheit des Sanktionenausspruches war nunmehr auch dessen undifferenziert angemeldete Berufung zurückzuweisen (§ 294 Abs 2 und 4 StPO). Ebenso war mit der Berufung des Angeklagten H***** zu verfahren, soweit sie sich auf den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche beziehen könnte, denn insoweit wurde weder in der Anmeldung noch in der Ausführung der Berufung eine Anfechtungserklärung abgegeben.

Die eben bezeichneten Zurückweisungen der Berufungen waren - anläßlich der Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H***** - vom Obersten Gerichtshof in nichtöffentlicher Sitzung auszusprechen, weil § 285 i StPO die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz nur zur meritorischen Erledigung einer Berufung normiert (12 Os 36/88 uvam).

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H***** kommt Berechtigung nicht zu.

In der Hauptverhandlung am 17.Oktober 1994 beantragte der Angeklagte H***** die Einvernahme des Zeugen August A***** zu Beweis dafür, daß sich die Zeugin F***** von 3,30 Uhr bis 7,30 Uhr des 16.Juli 1994 gemeinsam mit dem Angeklagten J***** in seinem Gasthaus in der Art und Weise eines Liebespaares benommen habe, aus ihrem Verhalten im besonderen abgeleitet werden konnte, daß sie eine sexuelle Beziehung zu diesem Angeklagten nicht auszuschließen gedachte und daher die Verantwortung des Beschwerdeführers richtig sei, daß es sich bei der Zeugin F***** und dem Angeklagten J***** um ein Liebespaar handle,

weiters die Einholung eines psychologischen Gutachtens über die Zeugin F*****, weil diese zum Fabulieren und Übertreiben neige, dies insbesonders deshalb, weil sie der Zeugin M***** gegenüber angegeben habe, daß sie der Angeklagte H***** während der Tat gehalten habe, wogegen sie den Tathergang (gemeint: die Schilderung über den Tathergang) unmittelbar darauf abgeändert und dem Zeugen G***** eine andere Hergangsschilderung gegeben und letztlich der Zeugin Astrid Ho***** wiederum die Täterrolle des Angeklagten H***** in einer anderen, nunmehr untergeordneten Form beschrieben habe, sowie

die Einvernahme der Zeugin Astrid Ho*****, die als weibliche Beamtin die niederschriftliche Einvernahme der Zeugin F***** durchgeführt habe, zum Beweis dafür, daß die Zeugin F***** der Beamtin die Täterrolle des Beschwerdeführers in der Form beschrieben habe, daß sich dieser an der Tathandlung nicht beteiligt, er die Zeugin F***** insbesonders nicht gehalten habe, er beim Weg vom Auto zum Tatort nicht zugegen gewesen, sondern erst zum Tatort gekommen sei, als der Geschlechtsverkehr bereits im Gange gewesen sei.

Diese Beweisanträge wies das Schöffengericht durch Zwischenerkenntnis gemäß § 238 Abs 2 StPO "wegen mangelnder Konkretisierung der aus den beantragten Beweisen sich ergebenden positiven Ergebnisse für die Wahrheitsfindung" ab, weil die Vernehmung des Zeugen A***** nicht zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit der Zeugin F***** beantragt worden sei und lediglich subjektive Eindrücke der Zeugin betreffe, Anhaltspunkte für die Annahme, die Zeugin F***** neige zum Fabulieren und Übertreiben, weder aus deren Angaben, noch aus dem persönlichen Eindruck der Zeugin abzuleiten seien und letztlich das Vorbringen in bezug auf die begehrte Vernehmung der Zeugin Ho***** im Widerspruch zum Akteninhalt stehe (S 171 f).

Durch die Ablehnung dieser Beweisanträge wurden - dem Vorbringen in der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider - Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers nicht verletzt.

Nach der niederschriftlichen Vernehmung des Gastwirtes A***** vor der Gendarmerie (S 31) hatte dieser die Angeklagten und die Zeugin F***** gar nicht bedient; seinen Angaben ist nicht im mindesten zu entnehmen, daß zwischen den Gästen Zärtlichkeiten ausgetauscht worden sein sollen. Mangels einer Darlegung im Beweisantrag, weshalb der Zeuge dennoch davon - somit in wesentlicher inhaltlicher Erweiterung seiner Deponierungen - sollte berichten können, läuft das Begehren auf Aufnahme eines bloßen Erkundungsbeweises hinaus; es wurde daher zu Recht abgewiesen (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 4 E 88 ff).

Außerdem ist es für die rechtliche Beurteilung des dem Angeklagten H***** angelasteten Verhaltens völlig unentscheidend, ob sich der Angeklagte J***** und die Zeugin F***** im Gasthaus des Zeugen A***** wie ein Liebespaar benommen haben, denn selbst wenn der Zeuge diesen Eindruck gewonnen hätte, könnte daraus nicht abgeleitet werden, daß die Zeugin auch mit einem Geschlechtsverkehr einverstanden war und ob der Beschwerdeführer zu der vom Angeklagten J***** verübten Vergewaltigung einen Tatbeitrag geleistet hat oder nicht.

Auch die Einholung eines psychologischen Gutachtens über die Zeugin F***** unterblieb zu Recht. Daß diese Zeugin unmittelbar nach der Tat den Zeugen M***** und G***** den Tathergang anders schilderte, als der Kriminalbeamtin Ho***** gegenüber, haben die Tatrichter plausibel mit der Aufregung der Zeugin infolge der Tat begründet. Diese - geringfügigen - Divergenzen in der Aussage der Zeugin F***** können aber bei verständiger Würdigung weder als Fabulieren noch als Übertreibungen bezeichnet werden, sodaß die im Beweisantrag behaupteten Voraussetzungen für das begehrte Sachverständigengutachten nicht gegeben sind; der Sache nach läuft auch dieser Beweisantrag auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis hinaus (Mayerhofer/Rieder aaO E 90 c), mit dem die Glaubwürdigkeit der Zeugin F***** in Zweifel zu ziehen beabsichtigt wird. Von einer Verletzung der Grundsätze eines fairen Verfahrens kann daher mit Fug nicht die Rede sein.

Mit dem Vorbringen, aus einer Vernehmung der Zeugin Ho***** hätte sich ergeben, daß die Zeugin F***** unglaubwürdig sei und sie die Täterrolle des Beschwerdeführers übertreibe, wird nicht dargetan, aus welchen Gründen durch die - zutreffende - erstgerichtliche Begründung für die Nichtdurchführung der Vernehmung der Zeugin Ho*****, nämlich daß die Behauptung im Beweisantrag im Widerspruch zur Aktenlage stehe, Verteidigungsrechte des Angeklagten H***** verletzt worden sind. Insbesondere ist kein Grund dafür zu ersehen - und wurde im Beweisantrag auch nicht dargetan -, daß das von der Gendarmeriebeamtin H***** (und zwei weiteren Gendarmeriebeamten) aufgenommene Protokoll mit der Zeugin F***** (S 23 ff) nicht deren Aussagen wiedergeben sollte, nach denen beide Angeklagten aus dem Fahrzeug ausgestiegen waren, beide auf die an sie gerichtete Frage nach dem Grund des Anhaltens nicht antworteten und J***** sogleich danach - somit im unmittelbaren Wahrnehmungsbereich des Beschwerdeführers - die Zeugin packte und 10 bis 15 Meter vom Auto wegzerrte.

Auch die Mängelrüge (Z 5) ist unbegründet.

Dem Beschwerdevorbringen zuwider haben die Tatrichter mit hinreichender Deutlichkeit festgestellt, daß der Angeklagte H***** die Gewalttätigkeiten des Angeklagten J***** wahrgenommen hat.

Da dem Beschwerdeführer zur Last liegt, zur von Johann J***** begangenen Vergewaltigung dadurch beigetragen zu haben, daß er - in Kenntnis des verbrecherischen Vorhabens dieses Angeklagten und über dessen Ersuchen - seinen PKW auf eine abgelegene Waldlichtung lenkte sowie daß er durch billigendes Beiwohnen der Vergewaltigung den Johann J***** in seinem Tatentschluß bestärkte, sind nur jene Umstände für die Unterstellung der Tat unter das Strafgesetz und für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes von Relevanz und somit entscheidend in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes, welche die eben wiedergegebenen Tatbestandsmerkmale betreffen.

Die Tatrichter haben konstatiert, daß beide Angeklagten die inkriminierte Vorgangsweise (ersichtlich gemeint: die von J***** beabsichtigte Vergewaltigung) bereits während der Fahrt absprachen, H***** deshalb den PKW in einen Waldweg lenkte (US 7 f, 16) und daß der Beschwerdeführer den Vollzug des Geschlechtsverkehrs aus einer Entfernung von einigen Metern beobachtete (US 9: "Der Anblick erheiterte und erregte ihn").

Sonach ist nicht entscheidend, wann und wo der Angeklagte J***** die Zeugin F***** widerstandsunfähig machte, ob und wann der Angeklagte H***** dem Tatvorhaben entsprechende Gewalttätigkeiten sah bzw erkennen konnte und ob H***** Hilferufe der Waldburga F***** hörte sowie wann Friedrich H***** erstmals den Geschlechtsverkehr zwischen J***** und F***** sah. Diese vom Angeklagten H***** in der Nichtigkeitsbeschwerde behaupteten Begründungsmängel (der Sache nach Feststellungsmängel) betreffen somit keine entscheidende Tatsache in der Bedeutung des § 281 Abs 1 Z 5 StPO; genug daran, daß er bereits durch die Fahrt auf eine abgelegene Waldlichtung das Opfer in eine weitgehend aussichtslose Lage brachte und schon damit einen tatkausalen Beitrag leistete.

Die Prüfung der in der Beweisrüge (Z 5 a) erhobenen Einwände durch den Obersten Gerichtshof ergab, daß damit keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen dargetan werden. Der Sache nach unternimmt der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen insgesamt nur den im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Versuch, die Glaubwürdigkeit der Zeugin F***** und damit auch die Beweiswürdigung der Tatrichter in Zweifel zu ziehen, ohne schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustande gekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen oder auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der auf freie Beweiswürdigung gestützten erstrichterlichen Feststellungen aufkommen lassen. Nur der Deutlichkeit halber sei in diesem Zusammenhang auf den - vom Beschwerdeführer in seinen Ausführungen übergangenen - Umstand verwiesen, daß die Eheleute L***** in einer Entfernung von etwa 150 m die gellenden Hilferufe des Opfers hörten und dieses Blutergüsse und Kratzspuren an beiden Armen und am Rücken aufwies, Umstände, die mit der Verantwortung des Beschwerdeführers über einen äußeren Anschein eines beiderseits freiwilligen Geschlechtsverkehrs keineswegs in Einklang zu bringen sind.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO schon in nichtöffentlicher Sitzung als offenbar unbegründet zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung des H***** wegen Strafe fällt demnach in die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz (§ 285 i StPO).

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