OGH 3Ob516/95

OGH3Ob516/9529.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Helena K*****, geboren am 7.12.1989, infolge Revisionsrekurses des Kindes, vertreten durch die Mutter Margarethe K*****, diese vertreten durch Dr.Tassilo Neuwirth und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 16.Dezember 1994, GZ 43 R 907/94-51, womit der gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 5.September 1994, GZ 5 P 142/92-43, gerichtete Rekurs des Kindes zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluß des Rekursgerichtes wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird die Entscheidung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung

Das Erstgericht verpflichtete mit Beschluß vom 5.9.1994 den Vater zu Unterhaltszahlungen und wies das Mehrbegehren der Minderjährigen auf Bestimmung eines weiteren monatlichen Unterhalts von S 1.300 ab 1.1.1993 ab.

Laut Kanzleivermerk vom 6.9.1994 sprach Mag.Georg T***** für Rechtsanwalt Dr.Alexander N***** vor, behauptete, von der Kindesmutter bevollmächtigt zu sein, und ersuchte um Zustellung einer rechtskräftigen Ausfertigung des Beschlusses vom 6.4.1994, ON 14 (betreffend eine frühere Unterhaltsbestimmung).

Die Zustellverfügung des Beschlusses vom 5.9.1994 wurde darauf dahingehend abgeändert, daß die Zustellung sowohl an die Mutter als auch an Rechtsanwalt Dr.N***** verfügt wurde.

Die Zustellung an die Mutter erfolgte durch Hinterlegung am 16.9.1994 (Beginn der Abholfrist), an Rechtsanwalt Dr.N***** am 19.9.1994.

Das Rekursgericht wies den am 3.10.1994 zur Post gegebenen Rekurs des anwaltlich vertretenen Kindes als verspätet zurück. Der angefochtene Beschluß sei der obsorgeberechtigten Mutter als Vertreterin des Kindes durch Hinterlegung am 16.9.1994 zugestellt worden. Die 14-tägige Rekursfrist des § 11 Abs 1 AußStrG habe daher am 30.9.1994 geendet, so daß der am 3.10.1994 zur Post gegebene Rekurs verspätet sei. Da sich der angefochtene Beschluß nicht mehr ohne Nachteil für den unterhaltspflichtigen Vater abändern lasse, der durch die Abweisung des Mehrbegehrens ab 1.1.1993 Rechte erlangt habe, sei auf das Rekursvorbringen nicht Bedacht zu nehmen.

Dagegen erhob das Kind primär "Rekurs gemäß § 519 Z 1 ZPO analog".

Rechtliche Beurteilung

Ein ordentlicher Rekurs ist jedoch nicht zulässig.

Ein Beschluß des Rekursgerichtes, mit dem ein an dieses gerichteter Rekurs zurückgewiesen wurde, ist nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (JBl 1994, 264; GesRZ 1991, 164 mwN; 3 Ob 11/94) nur wegen einer erheblichen Rechtsfrage und nur dann anfechtbar, wenn der Entscheidungsgegenstand S 50.000 übersteigt. Der erkennende Senat hat diese Rechtsprechung in eingehender Auseinandersetzung mit der gegenteiligen Lehre (vor allem Bajons, Der Wandel im Rechtsmittelsystem, ÖJZ 1993, 145) in der E JBl 1994, 264 aufrechterhalten. Einzig die E 9 Ob A 246/93 vertritt die Ansicht, daß es bei einem S 50.000 übersteigenden Wert des Streitgegenstandes keines weiteren Ausspruches im Sinn des § 78 EO, § 526 Abs 3 ZPO iVm § 500 Abs 2 Z 3 ZPO (§ 528 Abs 1 ZPO) bedürfe, weil sich die Rekurszulässigkeit kraft Größenschlusses in Analogie zu § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ergebe. Der erkennende Senat ist schon in der E 3 Ob 11/94 dieser nur mit Hinweis auf die Lehrmeinung Faschings (ZPR2 Rz 2015/1) begründeten Ansicht nicht gefolgt, sondern hält an der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fest. Auch im Außerstreitverfahren ist mangels gegenteiliger gesetzlicher Regelung der ordentliche Rekurs gegen den Beschluß des Rekursgerichtes, mit dem ein an dieses gerichteter Rekurs zurückgewiesen wurde, nicht zulässig.

Der - vom Kind ebenfalls ausdrücklich erhobene - außerordentliche Rekurs ist zulässig und berechtigt.

Gemäß § 93 Abs 1 ZPO dürfen dann, wenn Prozeßvollmacht erteilt wurde, die Zustellungen bis zur Aufhebung der Prozeßvollmacht nur an den Prozeßbevollmächtigten erfolgen. Eine Zustellung an die Partei selbst ist in diesem Fall wirkungslos und setzt keine Rechtsmittelfrist in Lauf (Fasching, Kommentar II, 573; Gitschthaler in Rechberger, Kommentar zur ZPO, Rz 2 zu § 93); EvBl 1964/329). Dieser Grundsatz gilt im Sinn des § 6 AußStrG auch für Zustellungen im außerstreitigen Verfahren. Auch hier darf das Gericht dann, wenn ein Bevollmächtigter bestellt ist, nur diesem zustellen; andere Zustellungen bleiben wirkungslos (EvBl 1964/329, SZ 23/337; Fasching aaO).

Die hier anläßlich einer Vorsprache beim Erstgericht abgegebene Erklärung des für das Kind als Vertreter einschreitenden Rechtsanwalts ist als Berufung auf die ihm erteilte Bevollmächtigung iSd § 8 Abs 1 Satz 2 RAO anzusehen, die auch im Außerstreitverfahren den urkundlichen Nachweis der Bevollmächtigung ersetzt (Fucik in Rechberger, ZPO, Rz 3 zu § 30). Da dieses Einschreiten vor Zustellung des Beschlusses an die Mutter des Kindes erfolgt ist, war diese Zustellung für den Lauf der Rechtsmittelfrist bedeutungslos. Ausgehend von der Zustellung an den Parteienvertreter am 19.9.1994 endete die Rekursfrist erst am 3.10.1994, so daß der am 3.10.1994 zur Post gegebene Rekurs des Kindes rechtzeitig ist.

Das Rekursgericht wird daher über den Rekurs unter Abstandnahme von dem Zurückweisungsgrund zu entscheiden haben.

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