European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0030OB00011.940.0309.000
Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der Beschluß des Rekursgerichtes wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird die Entscheidung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Das Erstgericht setzte den Schätzwert der versteigerten Liegenschaften mit Beschluß vom 29.1.1993 endgültig fest, und zwar für die Liegenschaften Grundbuch K***** EZ 368 und 330 mit S 3,955.000, weiters Zubehör im Wert von S 15.000, und für die Liegenschaft Grundbuch K***** EZ 423 mit S 1,723.000.
Dem dagegen erhobenen Rekurs der Verpflichteten, in dem sie beantragte, die Schätzwerte mit S 4,426.000 und S 2,721.000 festzusetzen, gab das Rekursgericht mit Beschluß vom 3.3.1993, 22 R 105/93‑19, Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung auf.
Mit Beschluß vom 2.8.1993 setzte das Erstgericht den Schätzwert der versteigerten Liegenschaften neuerlich wie im Beschluß vom 29.1.1993 endgültig fest.
In ihrem nur einen Aufhebungsantrag enthaltenden Rekurs machte die verpflichtete Partei geltend, es seien noch immer nicht genügend Entscheidungsgrundlagen vorhanden, um eine ordnungsgemäße Schätzung der Liegenschaften zu ermöglichen.
Das Rekursgericht wies den Rekurs der Verpflichteten zurück, weil im Rekurs nicht dargelegt werde, mit welchem Betrag die Schätzwerte beider Liegenschaften festzusetzen wären bzw wie hoch der Schätzwert für den Fall der gemeinschaftlichen Verwertung zu bestimmen gewesen wäre. Ein Verbesserungsauftrag sei nicht zu erteilen, weil die Rekurswerberin in ihrem Rekurs im ersten Rechtsgang diesem Umstand Rechnung getragen und damit zu erkennen gegeben habe, daß ihr diese Formvorschriften bekannt sind. Das Rekursgericht unterließ einen Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof (§ 78 EO, § 528 Abs 1 ZPO).
Dagegen erhob die Verpflichtete "Revisionsrekurs".
Rechtliche Beurteilung
Ein Beschluß des Rekursgerichtes, mit dem ein an dieses gerichteter Rekurs zurückgewiesen wurde, ist nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (GesRZ 1991, 164 mwN uva, zuletzt 3 Ob 44/93, teilweise veröffentlicht in JUS extra 1993/1379) nur wegen einer erheblichen Rechtsfrage und nur dann anfechtbar, wenn der Entscheidungsgegenstand S 50.000,- übersteigt. Der erkennende Senat hat diese Rechtsprechung in eingehender Auseinandersetzung mit der gegenteiligen Lehre (vor allem Bajons, Der Wandel im Rechtsmittelsystem, ÖJZ 1993, 145) in der E 3 Ob 44/93 aufrechterhalten. Einzig die E 9 Ob A 246/93 vertritt die Ansicht, daß es bei einem S 50.000,- übersteigenden Wert des Streitgegenstandes keines weiteren Ausspruches im Sinn des § 78 EO, § 526 Abs 3 ZPO iVm § 500 Abs 2 Z 3 ZPO (§ 528 Abs 1 ZPO) bedürfe, weil sich die Rekurszulässigkeit kraft Größenschlusses in Analogie zu § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ergebe. Der erkennende Senat folgt dieser nur mit Hinweis auf die Lehrmeinung Faschings (ZPR2 Rz 2015/1) begründeten Ansicht nicht, sondern hält an der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fest.
Bei einem gegen die Bestimmung des Schätzwertes gerichteten Rekurs ist der Streitgegenstand dann nicht zu bewerten, wenn damit die Änderung des Schätzwertes beantragt wird. Wird ein solcher Rekurs von der betreibenden Partei erhoben, so ist der Betrag der betriebenen Forderung der Wert des Streitgegenstandes, anderenfalls aber der Betrag, um den der Schätzwert nach dem Antrag des Rekurswerbers geändert werden soll (3 Ob 30/89, 3 Ob 76/87). In beiden Fällen besteht der Beschwerdegegenstand ausschließlich in einem Geldbetrag.
Hier liegt der Beschwerdegegenstand über S 50.000,‑, war doch dem Rekurs der verpflichteten Partei mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß sie keinen anderen Schätzwert wie im ersten Rekurs festgestellt wissen wollte.
Das Rekursgericht hätte nach § 526 Abs 3, § 500 Abs 2 Z 3 ZPO iVm § 78 EO auszusprechen gehabt, ob der Rekurs gegen die Zurückweisung nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig ist, und eine kurze Begründung dieses Ausspruchs vornehmen müssen.
Da im Rekurs aber ohnehin schon Ausführungen enthalten sind, warum das Rechtsmittel für zulässig erachtet wird, bedarf es nicht der Nachtragung des übergangenen Ausspruches des Rekursgerichtes im Wege der Berichtigung (3 Ob 138/87; MietSlg 35.814 ua). Das Rechtsmittel der Verpflichteten ist nämlich zulässig und auch berechtigt, weil das Rekursgericht mit seiner Entscheidung von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist.
Im Rekursverfahren sind an die Rechtsmittelerfordernisse weniger strenge Anforderungen zu stellen als im Berufungs‑ bzw Revisionsverfahren. Wenn auch im Rekursverfahren weder Rekursantrag noch Rekursgründe erforderlich sind, so muß doch verlangt werden, daß der Rechtsmittelwerber angibt, inwieweit er sich durch den angefochtenen Beschluß beschwert erachtet. Das vollständige Fehlen entsprechender Angaben führt zur Zurückweisung des Rechtsmittels (JBl 1970, 381 [Sprung], JBl 1969, 505 [Sprung]).
Diesen Anforderungen entspricht der Rekurs der Verpflichteten, die ihren Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Beschlusses damit begründet, daß noch immer nicht genügend Entscheidungsgrundlagen vorliegen, um eine ordnungsgemäße Schätzung der Liegenschaft zu ermöglichen. Einer Angabe, mit welchem Betrag die Schätzwerte festzusetzen sind, bedurfte es in diesem Fall nicht, weil nach Ansicht der Rekurswerberin die Voraussetzungen für eine bestimmte betragsmäßige Festsetzung wegen des vorangegangenen mangelhaften Verfahrens des Erstgerichtes noch nicht vorlagen, sodaß sie sich auf einen Aufhebungsantrag beschränkte.
Das Rekursgericht wird daher über den Rekurs unter Abstandnahme von dem Zurückweisungsgrund sowie über die Rechtsmittelkosten (§ 78 EO; § 52 Abs 1 Satz 2 ZPO) zu entscheiden haben.
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