Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 2.029,44 bestimmten halben Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 338,24 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 6.2.1972 geborene Kläger war aufgrund der schweren Verletzungen, die er bei einem Verkehrsunfall am 2.8.1992 erlitten hatte (Diagnose: Fraktur compr.corp.verb. C VI - Querschnittlähmung + Commotio cerebri) zunächst bis einschließlich 6.6.1993 arbeitsunfähig. Da dieser Verkehrsunfall während des Präsenzdienstes geschah und dieser Präsenzdienst erst mit 3.8.1992 endete, bestand für die ersten beiden Tage der Arbeitsunfähigkeit kein Leistungsanspruch aus der Krankenversicherung. In der Zeit vom 4.8. bis einschließlich 14.9.1992 erhielt der Kläger von seinem ehemaligen Dienstgeber Entgeltfortzahlung nach den Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes. Für den Zeitraum vom 15.9.1992 bis 30.1.1993 und vom 1.4.1993 bis 6.6.1993 bezog der Kläger Krankengeld von der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse. In der Zeit vom 31.1. bis 31.3.1993 wurde dem Kläger Übergangsgeld von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter ausbezahlt, weshalb sein Anspruch auf Krankengeld in dieser Zeit ruhte. Vom 7.6. bis einschließlich 11.7.1993 unterzog sich der Kläger im beruflichen Bildungs- und Rehabilitationszentrum in Linz einer Maßnahme zur Berufsfindung. In dieser Zeit war er gemäß § 25 Abs 1 AMFG bei der beklagten Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse pflichtversichert. Die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter leistete ihm vom 7.6.1993 bis 31.7.1993 Übergangsgeld, so daß er in diesem Zeitraum ebenfalls kein Krankengeld bezog. Am 12.7.1993, also am Tage nach Beendigung der Rehabilitationsmaßnahme, wurde der Kläger von einer Fachärztin wegen der Folgen aus dem Verkehrsunfall neuerlich für arbeitsunfähig erklärt. An diesem Tag war er nicht mehr bei der Beklagten pflichtversichert.
Mit Bescheid der Beklagten vom 30.9.1993 wurde dem Antrag des Klägers auf Auszahlung des Krankengeldes für den Zeitraum vom 12.7. bis einschließlich 22.9.1993 nicht stattgegeben. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger sei zwar zum Zeitpunkt der Krankschreibung nicht mehr bei der Beklagten pflichtversichert gewesen, er habe allerdings noch Anspruch auf Leistungen nach den Bestimmungen des § 122 Abs 2 Z 2 ASVG (Schutzfrist). Nach dieser Gesetzesbestimmung bestehe aber Anspruch auf Krankengeldzahlungen nur für die Dauer von 26 Wochen, wobei alle Zeiträume des Krankengeldanspruchs, sofern diese auf der gleichen Krankheit oder Krankheitsursache beruhen und nicht mehr als 13 Wochen unterbrochen wurden, gemäß § 139 Abs 3 ASVG zusammenzurechnen seien. Da der Kläger wegen seiner Verletzungen aus dem Verkehrsunfall bereits mehr als 26 Wochen Krankengeld erhalten habe, könne er ein weiteres Krankengeld nicht beanspruchen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger rechtzeitig Klage mit dem Begehren auf Zahlung des Krankengeldes im gesetzlichen Ausmaß für den Zeitraum vom 12.7. bis 22.9.1993. Seinem Antrag auf Gewährung von Krankengeld ab 12.7.1993 liege nicht ein neuer Versicherungsfall aufgrund der gleichen Erkrankung zugrunde, sondern es handle sich um den Fortbezug eines "unterbrochenen" (gemeint offenbar ruhenden) Krankengeldbezuges, für den nach der Satzung eine maximale Gesamtanspruchsdauer von 78 Wochen gegeben sei. Es sei unzulässig, daß die Beklagte den Anspruch als neuen Versicherungsfall (Schutzfristfall) abhandle und gleichzeitig aus dem früheren Versicherungsfall einen Bezug von der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse anrechne.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die satzungsmäßige Mehrleistung eines Krankengeldanspruches bis zur Höhe von 78 Wochen sei gemäß § 34 ihrer Satzung für die Schutzfristfälle ausdrücklich ausgenommen. In diesen Fällen sei die Höchstdauer des Krankengeldanspruches mit 26 Wochen beschränkt. Nach der Zusammenrechnungsregel des § 139 Abs 3 ASVG seien die Anspruchszeiten auf Krankengeld gegenüber der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse mitzuberücksichtigen. Da der Kläger den Krankengeldanspruch von 26 Wochen bereits erschöpft habe, bestehe ein Anspruch auf weiteres Krankengeld nicht zu Recht.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es schloß sich dem Rechtsstandpunkt der Beklagten zur Gänze an. Die Auffassung des Klägers, es handle sich nicht um einen neuen Versicherungsfall aufgrund der gleichen Erkrankung, sei durch die Krankmeldungsanzeige widerlegt. Für diesen Fall, wenn die Arbeitunfähigkeit ununterbrochen bis zum 12.7.1993 angedauert hätte, wäre zudem die Leistungszuständigkeit der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse gegeben.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Der Kläger sei nur bis 6.6.1993 als "arbeitsunfähig krank geschrieben" gewesen; für die Zeit der Rehabilitationsmaßnahmen in Linz liege keine Arbeitsunfähigkeitsbestätigung vor. Aus der Krankmeldungsanzeige vom 12.7.1993 sei ersichtlich, daß es sich aufgrund der angeführten Diagnosen offensichtlich um einen neuen Versicherungsfall der alten Erkrankung (Verkehrsunfall vom 2.8.1992) handle. Damit liege aber ein Anspruch gemäß § 122 Abs 2 Z 2 ASVG vor, weil der Kläger zum Zeitpunkt der Krankmeldung nicht mehr pflichtversichert gewesen sei, der Versicherungsfall aber in der sogenannten Schutzfrist liege. § 34 Abs 2 der Satzung der Beklagten sehe ebenso wie die Satzung der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse vor, daß die satzungsmäßige Mehrleistung bis zur Höchstdauer von 78 Wochen für Anspruchsberechtigte nach § 122 Abs 2 Z 2 ASVG nicht gelte. Nach § 139 Abs 3 ASVG seien alle Zeiträume des Krankengeldanspruches zusammenzurechnen; dies betreffe auch Anspruchszeiten gegenüber der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse. Davon abgesehen würde das Krankengeld infolge Zahlung von Übergangsgeld bis 31.7.1993 ruhen; ab 23.9.1993 beziehe der Kläger einen Pensionsvorschuß.
Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.
Unter Geltendmachung des Revisionsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung führt der Kläger aus, es könne nicht die Absicht des Gesetzgebers sein, daß ein Versicherter, der mehr als 26 und weniger als 78 Wochen Krankengeld bezogen habe und versuche, sich durch eine in einem anderen Bundesland durchgeführte berufliche Rehabilitationsmaßnahme wieder in das Erwerbsleben einzugliedern, anschließend keinerlei Anspruch auf Krankengeld mehr habe, wenn diese Rehabilitationsmaßnahme nach weniger als 13 Wochen aufgrund der Erkrankungsfolgen scheitere und neuerlich Arbeitsunfähigkeit aufgrund der gleichen Erkrankung eintrete. Eine solche Auslegung würde den Intentionen des Bundesbehindertengesetzes nach einer Rehabilitation und Wiedereingliederung in das Erwerbsleben zuwiderlaufen. Im vorliegenden Fall liege richtigerweise ein Fortbezug von Krankengeld aufgrund der gleichen Erkrankung für eine maximale Gesamtanspruchsdauer von 78 Wochen vor. Daß mittlerweile die Zuständigkeit des Krankenversicherungsträgers gewechselt habe, sei unerheblich.
Diesen Ausführungen ist im Ergebnis nicht zu folgen.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 120 Abs 1 Z 2 ASVG tritt der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit mit dem Beginn der durch die Krankheit herbeigeführten Arbeitsunfähigkeit ein. Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit kann gleichzeitig mit dem Eintritt des Versicherungsfalles der Krankheit selbst einsetzen oder aber auch erst in einem späteren Zeitpunkt eintreten, nachdem schon einige Zeit Krankheit, die ärztliche Hilfe und die Anwendung von Heilmitteln erforderlich machte, jedoch zunächst Arbeitsunfähigkeit nicht zur Folge hatte, bestanden hat. Aus der gesetzlichen Definition ergibt sich, daß zum Eintritt des Versicherungsfalles der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zur Krankheit selbst der Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erforderlich ist. Fällt - wenn auch bei Weiterbestehen der Krankheit - die Arbeitsunfähigkeit weg, so ist dieser Versicherungsfall beendet. Arbeitsunfähigkeit ist gegeben, wenn der Erkrankte nicht oder doch nur mit Gefahr, seinen Zustand zu verschlimmern, fähig ist, seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit nachzugehen. Der Wegfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ist anzunehmen, wenn der Versicherte in der Lage ist, seine arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit wieder aufzunehmen und wenn aufgrund des ärztlichen Befundes beim Versicherten eine Schädigung der Gesundheit oder eine Verschlechterung des Körperzustandes durch die Wiederaufnahme dieser Tätigkeit nicht zu erwarten ist (SSV-NF 5/19 mwN).
Nach der Art der beim Kläger seit dem schweren Verkehrsunfall bestehenden Folgen (Querschnittlähmung bzw Tetraparese und komplette Blasen- und Mastdarmlähmung) und nach den sonstigen Feststellungen ist zunächst nicht davon auszugehen, daß die Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit während der vom Pensionsversicherungsträger gewährten Rehabilitationsmaßnahmen weggefallen war; dies betrifft insbesondere den Zeitraum vom 7.6. bis 11.7.1993, wobei nach den obigen Ausführungen unerheblich ist, ob für diese Zeit eine Arbeitsunfähigkeitsbestätigung vorliegt. Es wurde nicht festgestellt und ist auch nach der Art der schweren Verletzungen nicht anzunehmen, daß der Kläger gerade mit Beginn des Rehabilitationsversuches in der Lage gewesen wäre, seine arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit wieder aufzunehmen, ohne daß bei ihm eine Schädigung der Gesundheit oder eine Verschlechterung des Körperzustandes zu erwarten gewesen wäre. Richtig ist, daß der Kläger während des Bezuges von Übergangsgeld (§§ 199 oder 306 ASVG) kein Krankengeld beziehen konnte, weil der Anspruch auf Krankengeld ruht, solange dem Versicherten ein Übergangsgeld gewährt wird (§ 143 Abs 1 Z 4 ASVG). Das Ruhen eines Leistungsanspruchs hebt dessen Bestand nicht auf, sondern bedeutet nur die Sistierung von dessen praktischer Wirksamkeit ab dem Beginn des Vorliegens des Ruhenstatbestandes; fällt der Ruhensgrund weg, so lebt die Wirksamkeit des Leistungsanspruches von selbst wieder auf und zwar mit dem Zeitpunkt des Wegfalls des Ruhensgrundes (vgl SSV-NF 6/116; Schrammel in Tomandl SV-System 5.ErgLfg 169; Teschner/Widlar ASVG 53.ErgLfg 529 FN 3 zu § 89). Daraus folgt, daß der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit durch die Rehabilitationsmaßnahmen nicht beendet und die Arbeitsunfähigkeit selbst nicht weggefallen war, so daß auch die neuerliche Anzeige der Arbeitsunfähigkeit nach Beendigung der Rehabilitationsmaßnahme keinen neuen Versicherungsfall auslöste, sondern nur die Fortdauer des Versicherungsfalls (Binder, Anm. zu 10 Ob S 81,82/89 = SSV-NF 3/69 = SZ 62/128 = DRdA 1991,220 aaO 223) bzw den Wegfall des Ruhensgrundes anzeigte. Insgesamt handelt es sich um ein und denselben Versicherungsfall, wobei die Höchstdauer des Krankengeldanspruches durch die Satzung auf 78 Wochen erhöht wurde (§ 139 Abs 2 ASVG; § 34 Abs 2 der Satzung der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse und auch der Beklagten). Die Bestimmung de § 139 Abs 3 ASVG ist dagegen im vorliegenden Fall nicht anzuwenden, weil sie voraussetzen würde, daß ein neuer Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge (der alten) Krankheit eingetreten wäre (vgl SSV-NF 1/35).
Geht man aber von ein und demselben Versicherungsfall und nicht von einem neuen Versicherungsfall in der Schutzfrist des § 122 Abs 2 Z 2 ASVG aus, dann folgt daraus, daß die beklagte Oberösterreichische Gebietskrankenkasse nicht leistungszuständig ist. Tritt nämlich während der Gewährung, aber auch während des Ruhens von Leistungen aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit eine Änderung in der Versicherungszuständigkeit ein, so bleibt der frühere Versicherungsträger für den betreffenden Versicherungsfall weiter leistungszuständig (§ 126 Abs 1 ASVG). Die Auffassung des Revisionswerbers, es sei unerheblich, daß mittlerweile "die Zuständigkeit" des Krankenversicherungsträgers gewechselt habe, ist verfehlt, weil nicht zwischen Versicherungszuständigkeit (die während der Rehabilitationsmaßnahme auf die Beklagte übergegangen war) und Leistungszuständigkeit (die bei der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse verblieben war) unterschieden wird. Da nach dem bisher Gesagten die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse aus dem Versicherungsfall bis zur Höchstdauer von 78 Wochen für das Krankengeld leistungszuständig ist, nicht aber die beklagte Gebietskrankenkasse, erweist sich die Abweisung des Klagebegehrens ihr gegenüber im Ergebnis als zutreffend.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Da die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG abhing, entspricht es der Billigkeit, dem unterlegenen Kläger die Hälfte seiner Kosten zuzusprechen (SSV-NF 6/61 ua).
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