OGH 6Ob7/95

OGH6Ob7/9523.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Siegfried Josef P*****, vertreten durch Dr.Siegfried Rack, Rechtsanwalt in Völkermarkt, wider die beklagte Partei Reinhard A*****, vertreten durch den zu SW ***** des Bezirksgerichtes V***** bestellten Sachwalter Kurt K*****, dieser vertreten durch Dr.Gerhard Kochwalter, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 100.000 S sA, infolge von Rekursen beider Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 16.September 1994, AZ 19 R 295/94 (ON 22), womit das Urteil des Bezirksgerichtes Völkermarkt vom 11.Juli 1994, GZ 1 C 63/93y-16, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Rekursen wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, daß das klagsabweisliche Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 22.847,84 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 6.620 S Barauslagen und 2.704,64 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Ehe des Michael und der Dorothea A***** enstammen zwei Söhne, nämlich der Beklagte und sein bereits 1987 verstorbener Bruder Siegfried, sowie eine Tochter; Siegfried A***** hinterließ neben drei ehelichen Söhnen auch den unehelich geborenen Kläger. Michael und Dorothea A***** waren daher die Eltern des Beklagten und die Großeltern väterlicherseits des Klägers, welcher sohin ein Neffe des Beklagten ist.

Dorothea A*****, die Mutter des Beklagten und Großmutter des Klägers, war Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ ***** KG G*****, auf welcher der landwirtschaftliche Betrieb vulgo "J*****" mit der Hofstelle in W***** betrieben wurde. Es ist zwischen den Parteien nicht strittig, daß dieser landwirtschaftliche Betrieb nach seinem Flächenausmaß und Durchschnittsertrag ein Erbhof im Sinne des § 2 des Gesetzes vom 16.September 1903, LGBl für Kärnten 33, betreffend die Einführung besonderer Erbteilungsvorschriften für landwirtschaftliche Besitzungen mittlerer Größe (Erbhöfe) in der vor Inkrafttreten des Kärntner Erbhöfegesetzes 1990 geltenden Fassung war.

Der Beklagte ist aufgrund des mit seiner Mutter Dorothea A***** am 13.1.1988 geschlossenen Übergabsvertrages Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG G***** geworden. Als Gegenleistung für die Überlassung des landwirtschaftlichen Betriebes hatte sich die Mutter für sich und ihren Ehegatten das lebenslängliche und unentgeltliche Recht auf Wohnung, Beheizung und Beleuchtung im Hause W*****, sowie im Fall der Krankheit und der Altersgebrechlichkeit die liebevolle persönliche Wartung und Pflege für sich und ihren Ehegatten ausbedungen und dem Beklagten die Verpflichtung auferlegt, an seine Schwester Hannelore einen "Erbteilsbetrag" von 130.000 S zu bezahlen.

Dorothea A***** ist am 21.7.1989 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung verstorben. Mit Beschluß vom 8.8.1989 sprach das Verlassenschaftsgericht aus, daß wegen Abganges eines Nachlaßvermögens keine Verlassenschaftsabhandlung stattfindet.

Michael A***** ist am 29.9.1992 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung verstorben. Mit Beschluß vom 21.10.1992 sprach das Verlassenschaftsgericht aus, daß wegen Abganges eines Nachlaßvermögens keine Verlassenschaftsabhandlung stattfindet.

Mit der Behauptung, daß der Übergabsvertrag vom 13.1.1988 die anerbenrechtliche Erbteilung vorweggenommen, der Beklagte aber, beginnend ab August 1992 bis zum 30.11.1992 den größten Teil des Erbhofes abverkauft und hiefür einen Erlös von insgesamt 4,459.352,43 S erzielt habe, begehrt der Kläger - gestützt auf den sinngemäß anzuwendenden § 14 a KrntHöfeG aF (und wohl auch auf § 21 KrntErbhöfeG 1990) - vom Beklagten die Zahlung von letztlich 100.000 S sA, welcher Betrag ihm als nach den erzielten Verkaufserlösen berechneter "Pflichtteil" zustehe, sei er doch einerseits Noterbe nach seiner Großmutter, weil der Anspruch erst durch den Abverkauf des Erbhöfes im Jahre 1992 entstanden sei, andererseits aber auch Erbe der anteilsmäßigen Pflichtteilsansprüche seines Großvaters.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Abgesehen davon, daß Pflichtteilsansprüche des Klägers nach seiner Großmutter bereits verjährt wären, stünden ihm solche als unehelichem Kind eines vorverstorbenen Sohnes nach der am 21.7.1989 verstorbenen Erblasserin gar nicht zu.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Da der Vater des Klägers schon vor dessen Großmutter verstorben sei, deren Todestag aber vor dem Inkrafttreten des ErbRÄG 1989 am 1.1.1991 liege, stünden dem Kläger als unehelichem Kind von vornherein keinerlei Pflichtteilsansprüche zu.

Das Berufungsgericht faßte einen Aufhebungsbeschluß und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Die Tatsache, daß ein zu Lebzeiten im Wege eines Übergabsvertrages bestimmter "Anerbe" innerhalb von 10 Jahren wesentliche Teile davon abverkauft habe, könne in analoger Anwendung der Bestimmungen des KrntHöfeG alt und des KrntErbhöfeG 1990 nur für solche Personen Ansprüche auslösen, die Noterben des Erblassers (Hofübergebers) gewesen sind. Das Erstgericht habe zutreffend erkannt, daß der Kläger im Hinblick auf seine uneheliche Geburt und auf den Todestag seiner Großmutter vor dem 1.1.1991 von der gesetzlichen Erbfolge und damit auch von einem Pflichtteilsrecht ausgeschlossen war. Es habe aber übersehen, daß der Kläger seinen Anspruch auch auf den auf ihn im Erbweg übergegangenen Pflichtteilsanspruch seines Großvaters gestützt habe, sei dieser doch erst am 30.11.1992 (richtig: 29.9.1992) verstorben und der Kläger daher nach ihm auch als uneheliches Kind eines vorverstorbenen Sohnes erbberechtigt gewesen. Die von seinem Großvater abgeleiteten Ansprüche des Klägers müßten daher noch näher geprüft werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind insofern berechtigt, als die Streitsache bereits zur Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des klagsabweislichen Urteils des Erstgerichtes reif ist (Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 1823).

Der Kläger stützt seinen Anspruch in tatsächlicher Hinsicht darauf, daß seine Großmutter ihren Erbhof noch zu Lebzeiten in Vorwegnahme der bäuerlichen Erbfolge dem Beklagten übergeben hat; dieser habe aber nach dem Tod der Hofübergeberin innerhalb der 10 Jahresfrist des § 14 a Abs 1 KrntHöfeG alt (nunmehr § 21 Abs 1 KrntErbhöfeG 1990) den Erbhof sukzessive bis auf die Hofstelle veräußert. Daher stehe dem Kläger einerseits als Noterben seiner am 21.7.1989 verstorbenen Großmutter und andererseits als Erben seines am 29.9.1992 verstorbenen Großvaters, dessen Pflichtteilsansprüche als Ehegatte anteilsmäßig auf ihn übergegangen seien, gegen den Beklagten als vorweggenommenen "Anerben" ein Anspruch auf Herausgabe des Veräußerungsgewinnes nach Maßgabe des § 14 a KrntHöfeG alt zu. Der Kläger geht daher selbst zutreffend davon aus, daß im vorliegenden Fall weder die Bestimmungen des KrntHöfeG alt noch diejenigen des KrntErbhöfeG 1990 unmittelbar zur Anwendung kommen können, hätte dies doch zur Voraussetzung, daß ein Erbhof noch Bestandteil des Nachlasses eines Erblassers ist. Das trifft aber dann nicht zu, wenn sich der Erblasser des Erbhofes - wie hier die Großmutter des Klägers und Mutter des Beklagten - noch zu Lebzeiten in Vollziehung eines Übergabsvertrages - und sei es auch in einer beabsichtigten Vorwegnahme der Erbfolge - entäußert hatte (JBl 1992, 463). Der Oberste Gerichtshof hat jedoch bereits ausgesprochen, daß in einem solchen Fall die materiellrechtlichen Grundsätze der Nachtragserbteilung nach dem Anerben- und Höferecht eine sinngemäße Anwendung finden können (SZ 38/47). Die Entscheidung betraf die sinngemäße Heranziehung des im § 14 a KrntHöfeG alt (nunmehr § 21 KrntErbhöfeG 1990) zum Ausdruck gebrachten Rechtsgrundsatzes, daß sich der Anerbe, der den Erbhof freiwillig abgestoßen hat, dadurch nicht bereichern dürfe. Es wurde ausgesprochen, daß der Noterbe analoge Ansprüche auch in einem solchen Fall gegen den Hofübernehmer des Übergabsvertrages geltend machen kann; dieser Anspruch sei aber frühestens ab Veräußerung des Hofes durch den Beklagten verfolgbar.

Entgegen der Meinung des Klägers haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt, daß auch eine solche analoge Anwendung der materiellrechtlichen Grundsätze der anerben- und höferechtlichen Nachtragserbteilung nur für Personen in Betracht kommen kann, zu deren Gunsten die Durchführung einer Nachtragserbteilung unmittelbar im Gesetz angeordnet ist. Das Recht, eine Nachtragserbteilung zu fordern, ist aber auf die weichenden Mit- und Noterben des Erblassers sowie auf deren gesetzliche Erben beschränkt. Nur sie können die Durchführung einer Nachtragserbteilung beantragen (§ 14 a Abs 2 KrntHöfeG alt; § 22 Abs 2 KrntErbhöfeG 1990). Hinter diesem formellen Antragsrecht steht das materielle Recht dieser Beteiligten, am Erlös des Anerben zu partizipieren. Personen, die dem genannten Kreis nicht angehören, können daher bei der Nachtragserbteilung nicht berücksichtigt werden (Kathrein, Anerbenrecht 82 unter Berufung auf Kralik, Erbrecht3 399); für sie kommt demnach auch eine analoge Anwendung dieser Regelungen nicht in Betracht. Der Kläger ist aber kein Noterbe seiner am 21.7.1989 verstorbenen Großmutter, weil er ein uneheliches Kind ist, dem gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrechte erst mit dem Inkrafttreten des ErbRÄG 1989 am 1.1.1991 eingeräumt worden sind. Nach der unmißverständlichen Bestimmung des Art III Z 1 dieses Bundesgesetzes ist es nämlich nur dann anzuwenden, wenn der Erblasser nach dem 1.1.1991 gestorben ist. Der für die Rechtsfolgen des ErbRÄG 1989 maßgebende Sachverhalt ist demnach der Zeitpunkt des Todes des Erblassers, welcher zugleich wesentliche Voraussetzung des Erbanfalles und des Entstehens des Pflichtteilsanspruches ist (JBl 1994, 822). Hier ist aber die Großmutter des Klägers vor dem 1.1.1991 gestorben, weshalb der Kläger als uneheliches Kind nicht zum Kreis der nach § 14 a KrntHöfeG alt (§ 21 KrntErbhöfeG 1990) unmittelbar oder mittelbar Anspruchsberechtigten gehört. Soweit er das Klagebegehren daher unzutreffend auf seine Stellung als Noterbe der Großmutter stützt, muß es bereits an den fehlenden rechtlichen Grundlagen scheitern.

Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, daß der am 29.9.1992 verstorbene Großvater des Klägers als Ehegatte der am 21.7.1989 verstorbenen Hofübergeberin zum Kreis der nach § 14 a KrntHöfeG alt (§ 21 KrntErbhöfeG 1990) unmittelbar und mittelbar anspruchsberechtigten Mit- und Noterben gehörte. Sein Ehegattenpflichtteilsanspruch ist mit dem Tod seiner Gattin entstanden und war daher sofort vererblich (Koziol-Welser 9 II 373; Welser in Rummel, ABGB2 Rz 4 vor § 762 mwH auf die Rechtsprechung). Es trifft auch zu, daß der Kläger als uneheliches Kind nach seinem erst nach dem 1.1.1991 verstorbenen Großvater gesetzlicher Erbe ist. Das Berufungsgericht hat jedoch übersehen, daß der Kläger bisher noch nicht - auch nicht anteilig - Universalsukzessor des Großvaters geworden sein kann. Solange nämlich die Verlassenschaft dem Erben nicht eingeantwortet ist, ist der Nachlaß ein dem Erben fremdes Vermögen; der ruhende Nachlaß ist selbst partei- und prozeßfähig (Koziol - Welser 9 II 390 f; NZ 1986, 280 mwN). Auch im Falle der Abtuung armutshalber (§ 72 Abs 1 AußStrG) bleibt nach der herrschenden Lehre und Rechtsprechung der ruhende Nachlaß weiter bestehen (Welser in Rummel, ABGB2 Rz 14 zu §§ 797, 798; siehe auch die bei Koziol-Welser 9 II 396 angeführte Rechtsprechung, insb NZ 1986, 280; JBl 1987, 449). Solange keine Einantwortung stattgefunden hat, kann daher hinsichtlich der zum Nachlaß gehörigen Rechte und Verbindlichkeiten nur die Verlassenschaft selbst als Klägerin oder Beklagte in einem Rechtsstreit auftreten. Im vorliegenden Fall tritt aber nicht die Verlassenschaft nach Michael A***** als Kläger auf, sondern der nach seiner Behauptung zur Erbschaft berufene Enkel im eigenen Namen. Der Kläger hat sich auch nicht auf eine ihm vom Verlassenschaftsgericht nach § 72 Abs 2 vorletzter Satz AußStrG erteilte Ermächtigung zur Geltendmachung der Klagsforderung berufen. Eine solche könnte auch gar nicht erteilt werden, liegt die Pflichtteilsforderung des Großvaters doch weit über dem in § 72 Abs 2 AußStrG genannten Betrag von 30.000 S, weshalb auch eine Sanierung nach § 6 ZPO als von vornherein sinnlos zu unterbleiben hat (NZ 1986, 280).

Da somit der Kläger noch nicht Universalsukzessor seines Großvaters geworden ist, fehlt ihm die erforderliche Legitimation zur Geltendmachung von Ansprüchen, die sich nur aus der Position des Großvaters als Noterbe der Hofübergeberin ableiten lassen.

Diese Erwägungen führen bereits dazu, daß in Stattgebung der Rekurse das klagsabweisliche Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen war (§ 519 Abs 2, letzter Satz, ZPO).

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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