OGH 1Ob21/65

OGH1Ob21/6531.3.1965

SZ 38/47

Normen

ABGB §785
ABGB §951
ABGB §1487
Kärtner Erbhöfegesetz §9 (2)
Kärtner Erbhöfegesetz §14
Kärtner Erbhöfegesetz §14a
ABGB §785
ABGB §951
ABGB §1487
Kärtner Erbhöfegesetz §9 (2)
Kärtner Erbhöfegesetz §14
Kärtner Erbhöfegesetz §14a

 

Spruch:

Bei einer Erbhofübergabe unter Lebenden ist nicht nur § 9 (2) Kärntner ErbhöfeG., sondern auch § 14a analog anwendbar

Entscheidung vom 31. März 1965, 1 Ob 21/65

I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz

Text

Die Klägerin und der Beklagte sind Geschwister, ein Bruder ist (mit Hinterlassung von Nachkommen) bereits gestorben. Im vorliegenden, seit 18. März 1964 anhängigen Prozeß brachte die Klägerin vor, der Vater der Streitteile habe dem Beklagten mit Übergabsvertrag vom 31. Juli 1956 seinen landwirtschaftlichen Besitz bei Vereinbarung eines Ausgedinges und Vorbehalt eines Kahlschlägerungsrechtes an einem bestimmten Grundstück um einen Übergabspreis von 53.600 S übergeben und ihn angewiesen, ihr als besitzweichender Tochter eine Erbsentfertigung von 3000 S zu zahlen; der Übergabsvertrag sei unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Kärntner Erbhöfegesetzes geschlossen worden; den Betrag von 3000 S habe sie auch erhalten; der Vater der Streitteile sei im Jahre 1960 ohne Nachlaßvermögen verstorben; der Beklagte habe den übernommenen Besitz mit Vertrag vom 10. Jänner 1963 verkauft und insgesamt 250.000 S dafür erhalten, also einen Mehrerlös von 196.400 S erzielt; daraus errechne sich eine Pflichtteilsforderung in Höhe von 32.733 S, die sie auch im Hinblick auf die Bestimmungen des Kärntner Erbhöfegesetzes erhebe.

Der Erstrichter nahm lediglich in den Verlassenschaftsakt nach dem Vater der Streitteile Einsicht, um daraus festzustellen, wann dieser gestorben ist und ob ein Verlassenschaftsverfahren stattgefunden hat und wies das Klagebegehren ab.

Auch die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Erstrichters blieb erfolglos. Die Begründung des Urteils der II. Instanz läßt sich wie folgt zusammenfassen: Die Klägerin könne den von ihr erhobenen Pflichtteilsanspruch nach bürgerlichem Recht nur aus § 951 ABGB. ableiten, da ihr Vorbringen dahin zu verstehen sei, der Übergabsvertrag vom 31. Juli 1956 habe auch eine Schenkung enthalten, die bei Berechnung des Pflichtteils in Anschlag zu bringen sei; der Pflichtteilsanspruch entstehe nun mit dem Tode des Erblassers; ein Noterbe könne allerdings an und für sich damit rechnen, daß er nach dem Gesetze oder zufolge letztwilliger Verfügung wenigstens das Pflichtteil erhalte; darum beginne die Verjährung des Pflichtteilsanspruches mit der Kundmachung der letztwilligen Anordnung des Erblassers; da der Vater der Streitteile sein Anwesen aber schon im Jahre 1956 übergeben habe, habe die Klägerin zufolge seiner Vermögenslosigkeit bei seinem Tod nicht mit der Befriedigung des Pflichtteilanspruches in einem Verlassenschaftsverfahren rechnen können, ihn vielmehr nur auf eine Schenkung im Übergabsvertrag vom Jahre 1956 stützen können; wenn eine solche überhaupt vorgelegen sei, sei sie auch schon zur Zeit der Existenzwerdung des Pflichtteilsanspruches, also im Zeitpunkt des Todes des Erblassers, vorgelegen; daher beginne die Verjährung des Pflichtteilsanspruches gegen den Beschenkten nach § 951 ABGB. bei der Intestaterbfolge mit dem Tode des Schenkers zu laufen; da der Vater der Streitteile am 3. September 1960 gestorben, die Klage aber erst am 18. März 1964 erhoben worden sei, habe der Erstrichter das Klagebegehren zufolge der vom Beklagten erhobenen Verjährungseinrede zutreffend abgewiesen; die Klägerin habe gar nicht behauptet, vom Tod ihres Vaters im Jahre 1960 aus besonderen Gründen keine Kenntnis erhalten zu haben; wenn sie meine, ihr stunde der Anspruch nach dem Kärntner Höfegesetz zu, denke sie offenbar an die Bestimmung des § 14a dieses Gesetzes; es könne dahingestellt bleiben, ob der Erstrichter damit Recht habe, daß das Kärntner Höferecht bei Übergabe unter Lebenden nicht anzuwenden sei; nach ständiger Rechtsprechung und übereinstimmender Rechtslehre seien nämlich zumindest die Grundsätze und Rechtsbegriffe des Kärntner Höfegesetzes auch bei Übertragung eines Erbhofes unter Lebenden analog anzuwenden, insbesondere der Grundsatz, daß auch in einem solchen Fall der Übernahmspreis so zu bestimmen sei, daß der Übernehmer wohl bestehen könne; ob auch eine analoge anwendbarkeit des § 14a anzunehmen sei, könne dahingestellt bleiben, weil diese Gesetzesstelle unter bestimmten Voraussetzungen nur einen Anspruch auf eine Nachtragserbteilung einräume; die Teilung des Nachlaßvermögens und damit auch die Nachtragserbteilung geschehe aber nach § 10 (2) des Kärntner Höfegesetzes unter den Miterben einschließlich des Übernehmers nach den Bestimmungen des Außerstreitverfahrens; für die Geltendmachung eines derartigen Anspruches wäre also der ordentliche Rechtsweg unzulässig; von einer Zurückweisung der Klage, insoweit § 14a des Kärntner Höfegesetzes in Betracht komme, habe aber abgesehen werden müssen, weil sich die Klägerin nicht ausdrücklich auf diese Bestimmung gestützt und auch in der Berufung davon keine Erwähnung getan habe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge und hob das angefochtene Urteil sowie das Urteil des Erstrichters auf und verwies die Rechtssache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht I. Instanz zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Gewiß war der Erstrichter damit im Recht, daß das Kärntner Erbhöfegesetz vom 16. September 1903, LGBl. Nr. 33 in der Fassung BGBl. Nr. 235/1930, im vorliegenden Fall nicht unmittelbar anwendbar ist, da der Vater der Streitteile seinen Erbhof dem Beklagten ja noch bei Lebzeiten übergeben hat. Das Berufungsgericht hat aber bereits zutreffend darauf hingewiesen, daß die Grundsätze und Rechtsbegriffe des Kärntner Erbhöfegesetzes auch im Fall einer Erbhofübergabe unter Lebenden bedeutsam sind, insbesondere jener über die Ermittlung des Übernahmspreises unter Bedachtnahme auf das weitere Wohlbestehen des Übernehmers auf dem Hof. Der Oberste Gerichtshof hat sogar wiederholt ausgesprochen, es handle sich dabei um allgemeines bäuerliches Gewohnheitsrecht, und hat darauf auch außerhalb des Anwendungsbereiches des Kärntner und des Tiroler Höferechtes schon vor Erlassung des Anerbengesetzes (BGBl. Nr. 106/1958), gerade bei Erbteilungsfragen Bedacht genommen (vgl. z. B. SZ XXVI 64, EvBl. 1964 Nr. 426). Aus der analogen Anwendbarkeit der Bestimmung des § 9 (2) des Kärntner Erbhöfgegesetzes, worauf dies in Kärnten hinausläuft, folgt aber auch eine sinngemäße Anwendbarkeit der Bestimmungen des § 14a Erstere Bestimmung stellt eine Begünstigung des Übernehmers gegenüber den weichenden Geschwistern dar, die im Interesse einer möglichst unversehrten Erhaltung des Erbhofes in der Hand des Anerben in Kauf genommen wird. Letztere Bestimmung stellt das Korrektiv hiezu dar, das im Interesse der zunächst gewichenen Geschwister unerläßlich ist, wenn der Anerbe den Erbhof oder den Hauptteil desselben preisgibt und deshalb nicht länger begünstigungswürdig erscheint. Erachtet man nun die Begünstigung des Übernehmers eines Erbhofes auch bei Übergabe unter Lebenden analog zu § 9 (2) des Kärntner Erbhöfegesetzes für rechtens, dann müssen begrifflich auch die Interessen der Geschwister des Übernehmers geschützt werden, wenn der Übernehmer den Erbhof freiwillig unter Umständen aus der Hand gibt, die ihn bei unmittelbarer Anwendbarkeit des Gesetzes als nicht länger begünstigungswürdig erscheinen lassen.

Gewiß ist das Berufungsgericht auch damit im Recht, daß bei unmittelbarer Anwendbarkeit des Kärntner Höfegesetzes die Durchführung einer Nachtragserbteilung vorgesehen ist, die von der Judikatur mit Rücksicht auf die Bestimmung des § 10 (2) ins Außerstreitverfahren verlegt wird (JBl. 1960 S. 258) und die auch vom Noterben veranlaßt werden kann, dessen Pflichtteilsrecht durch die Erbteilungsvorschriften des Höfegesetzes unberührt blieb (§ 14 (1)). Ob der Noterbe gehalten ist, das Ergebnis der Nachtragserbteilung vor Geltendmachung seines Pflichtteilsanspruches abzuwarten, kann unerörtert bleiben, weil es sich im vorliegenden Fall doch nur um eine sinngemäße Heranziehung des im § 14a zum Ausdruck gebrachten Rechtsgrundsatzes handelt, der Anerbe, der den Erbhof freiwillig abgestoßen hat, dürfe sich dadurch nicht bereichern. Der Klägerin, die als Pflichtteilsberechtigte jedenfalls nur einen Geldforderungsanspruch hat, aber keinen Anspruch auf einen Erbteil erhebt, kann darum die Beschreitung des Rechtsweges nicht verwehrt sein.

Daß ein Pflichtteilsanspruch auch dann erhoben werden kann, wenn der Erblasser bei Lebzeiten alles verschenkt und vermögenslos gestorben ist, entspricht der Judikatur (SZ. XXIII 144, 3 Ob 523/57; vgl. hiezu auch Weiss in Klang[2] III 906 f., unter III). Hätte der Vater der Streitteile dem Beklagten schon bei der Hofübergabe ein Geschenk gemacht, insofern er ihn etwa noch mehr begünstigt hätte als nötig gewesen war, damit er auf dem Hof wohl bestehen könne, wäre der Pflichtteilsanspruch schon ab Todestag des Erblassers verfolgbar gewesen. Eine derartige Schenkung des Vaters an den Beklagten hat die Klägerin aber entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes nicht behauptet. Was sie in der Klage geltend gemacht hat, war nur der Wegfall der Rechtfertigung der seinerzeitigen Begünstigung des Beklagten als Erbhofübernehmers nach bäuerlichem Recht durch die Preisgabe des Hofes im Wege eines freiwilligen Verkaufes. Der Pflichtteilsanspruch bleibt auch in einem solchen Fall erhebbar, ist aber frühestens ab Veräußerung des Hofes durch den Beklagten verfolgbar geworden.

Dem Anspruch der Klägerin muß daher keineswegs aus rechtlichen Gründen von vornherein ein Erfolg versagt sein, es kann ihm aber mit Rücksicht darauf, daß der Beklagte den von ihm seinerzeit übernommenen Hof am 10. Jänner 1963 veräußerte und die Klage am 18. März 1964 eingebracht wurde, auch nicht Verjährung entgegengehalten werden.

Aus diesen Erwägungen ist die Rechtssache unter Aufhebung der Urteile beider Unterinstanzen an das Prozeßgericht erster Instanz zurückzuverweisen, das die Berechtigung des Begehrens unter Berücksichtigung des beiderseitigen Vorbringens sachlich überprüfen muß.

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